Bamf und Ankerzentren sind Seehofers Sorgenkinder
Die Bremer Affäre lässt ihn nicht los. Und seine Pläne für schnellere Abschiebeverfahren treten auf der Stelle
Manching/Berlin Schon kurz nach seiner Nominierung für das Amt des Innenministers zeigt CSU-Chef Horst Seehofer Tatkraft. „Ich werde mich sofort nach der Amtsübernahme mit allen Mitarbeitern und den nachgeordneten Behörden zusammensetzen, um einen Masterplan für schnellere Asylverfahren und konsequentere Abschiebungen zu erarbeiten“, sagt er im März in einem Interview. Zwei Monate später bläst Seehofer ausgerechnet bei der Flüchtlingspolitik der Wind immer stärker ins Gesicht.
Die Affäre ums Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ist längst nicht ausgestanden. Immer neue Details kommen ans Tageslicht. Die Opposition fordert Seehofer zu umfassender Aufklärung auf; an diesem Dienstag tagt der Innenausschuss des Bundestags. Sollte das nicht den gewünschten Erfolg bringen, droht ein Untersuchungsausschuss. FDP und AfD wollen den Ausschuss schon jetzt, Linke und Grüne sind aber noch skeptisch. Drei Oppositionsfraktionen braucht es dafür mindestens.
Gehandelt hat Seehofer schon. Der Bremer Bamf-Stelle, die im Zentrum der Affäre um unrechtmäßige Asylbescheide steht, hat er weitere Asylentscheidungen zunächst verboten. Angesichts strafrechtlicher Ermittlungen soll es zudem eine gemeinsame Ermittlungsgruppe der Zentralen Antikorruptionsstelle und des Landeskriminalamts Bremen mit Unterstützung der Bundespolizei geben. Zudem prüfen das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz, ob und inwieweit relevante Personen/Gefährder eventuell von entsprechenden Asylentscheidungen profitiert haben könnten, sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums dem Spiegel.
Im Schatten der Bamf-Affäre ist in den Hintergrund gerückt, dass Seehofers zentrales Asylprojekt auf der Stelle tritt: die Ankerzentren. Die Einrichtungen wurden im Koalitionsvertrag angekündigt. Jeweils 1500 Asylbewerber sollen darin zentral untergebracht werden. Das Bamf, die Bundesagentur für Arbeit, Jugendämter, Justiz und Ausländerbehörden sollen dort vertreten sein – und Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive von dort direkt und schnell abgeschoben werden. Seehofer will bis September bundesweit bis zu sechs Zentren eröffnen.
Im bayerischen Vorbild lässt sich besichtigen, wie die Zentren funktionieren sollen: im Transitzentrum Manching bei Ingolstadt. Vor einigen Tagen hatten Journalisten Zutritt. Sie sahen: Privatsphäre haben die rund 1100 Menschen hier kaum. Und auch wenn die Bewohner das Gelände verlassen dürften – der Zaun rund um die Ex-Kaserne vermittelt nicht gerade ein Gefühl von Freiheit, nach der sich Menschen auf der Flucht wohl gesehnt haben.
Die Bündelung der Behörden an einem Ort soll die Asylverfahren beschleunigen, erläutert Daniel Waidelich von der Regierung Oberbayerns. An Menschen mit geringer Bleibeperspektive soll das ein Signal senden: „Es lohnt sich nicht, nach Deutschland zu kommen.“Deutschkurse gibt es in Manching nicht.
Die hohe Zahl teils traumatisierter Menschen, die ohne Beschäftigung und Perspektive aufeinandersitzen: Darin sehen die Vertreter von Caritas und von Flüchtlingsgruppen die Hauptprobleme. Sie fordern eine Auflösung der großen Zentren, eine dezentrale Unterbringung und – unter Auflagen – Zugang zum Arbeitsmarkt.
Bundesweit durchsetzen lassen sich die Ankerzentren bis September wohl nur schwerlich, denn die Bundesländer stellen sich mehrheitlich quer. Vielen sind die Pläne zu unkonkret. „Das Innenministerium muss jetzt mal liefern“, sagt etwa die saarländische Vize-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD). Dazu sei Seehofer aber offenbar nicht in der Lage. Ihr Land habe ein gut funktionierendes System zur Erfassung, Betreuung und Integration von Flüchtlingen aufgebaut. „Es würde überhaupt keinen Sinn machen, dieses funktionierende System
Untersuchungsausschuss ist noch lange nicht vom Tisch
Bundesländer sperren sich gegen neue Einrichtungen
selbst zu torpedieren und zu unterlaufen.“
Seehofer selbst gibt sich optimistisch. „Die Gespräche mit den Bundesländern zeigen, dass es durchaus die Bereitschaft gibt, sich an den Piloten zu beteiligen und die Ankerzentren so auch mitzugestalten“, sagt der CSU-Vorsitzende der Bild
am Sonntag. „Das wird auch die Zweifler überzeugen.“
SPD-Vorsitzende Andrea Nahles ist hingegen skeptisch. Die entscheidenden Fragen seien noch ungeklärt, sagt sie der Passauer Neuen
Presse. „Stattdessen kritisiert die CSU die Länder, weil diese angeblich blockieren, dabei machen die Länder nur darauf aufmerksam, dass sie nicht wissen, was auf sie zukäme – außer, dass sich die Bundespolizei nicht beteiligen will.“Solange Seehofer nicht für Klarheit sorge, werde er sich kritische Fragen gefallen lassen müssen.