Haftstrafe für Vergewaltigung im Hotelzimmer
Bei einer Tagung in Bobingen wurde eine Teilnehmerin das Opfer sexueller Gewalt. Der Seminarleiter bestreitet die Tat, kommt aber für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis. Die Richter glauben der Frau „zu hundert Prozent“
Bobingen Zu einer Gefängnisstrafe von zweieinhalb Jahren wegen Vergewaltigung ist jetzt der Leiter einer Seminarveranstaltung in Bobingen verurteilt worden. Nach Ansicht des Schöffengerichts des Augsburger Amtsgerichts hatte der 33-Jährige sich im Juli 2017 in einem Tagungshotel an einer Seminarteilnehmerin vergangen, in dem er seine Finger gegen ihren Willen in sie einführte.
Zu dem Vorfall war es während des Wochenseminars einer Versicherung gekommen. Nach einem feucht-fröhlichen Abend in einer benachbarten Bar hatte der Seminarleiter gegen 5 Uhr früh die spätere Geschädigte auf ihr Hotelzimmer begleitet. Dort hatte sie – laut Darstellung vor Gericht – ihn höflichkeitshalber noch, wie sie gesagt hatte, auf ein Glas Wasser eingeladen. Weil sie verspannt war, hatte er auf dem Bett sitzend begonnen, ihr den Nacken zu massieren. Anschließend rutschten seine Finger weiter hinab, zunächst auf ihre Brust, später unter den Slip. Die Geschädigte hatte sich die Berührungen mehrmals verbeten, sich aber nicht massiv gewehrt.
Nach der Tat ging der Angeklagte auf sein Zimmer. Die Geschädigte sich an einen ihr bekannten Seminarteilnehmer, mit dem sie zur Polizei ging und Anzeige erstattete.
Staatsanwältin Birgit Milzarek zeigte sich in ihrem Plädoyer von der Schilderung der Geschädigten überzeugt, sie halte die Frau für glaubhaft, nicht den Angeklagten. Dass es in den Darstellungen der Geschädigten Schwankungen gibt, zeige, dass sie nach Erinnerung suche und nicht eine auswendig gelernte Geschichte zum Schaden des Angeklagten wiederhole. Sie forderte für die Vergewaltigung und die vom Angeklagten angewendete Gewalt eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten.
Thomas Reutemann, Vertreter der nebenklagenden Geschädigten, schloss sich der Forderung der Staatsanwältin an. Das bezog er auch auf die Forderung nach Schmerzensgeld in einer Höhe Richtung 10000 Euro.
Der Verteidiger des Angeklagten, Theo Krieglsteiner, plädierte auf Freispruch. Es habe keinen Vergewaltigungsvorsatz von seinem Mandanten gegeben. Was in jener Nacht im Hotelzimmer stattgefunden habe, sei einvernehmlich gewesen. Immerhin sei es die Angeklagte gewesen, die ihn noch auf ein Glas in ihr Zimmer geladen hatte und sich mit ihm auf das Bett setzte, später legte. Zudem habe sie es bei verschiedener Gelegenheit unterlassen, von ihrem Bett aufzustehen, aus dem Zimmer zu verschwinden oder um Hilfe zu rufen. Ein Eindringen seitens des Angeklagten mit den Fingern sei hingegen nicht erwiesen. Dabei zog der Verteidiger mögliche Gedächtnislücken bei der Angeklagten in Betracht, die in der Tatnacht ebenso wie sein Mandant erheblich alkoholisiert gewesen sei.
Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Baptist Michale glaubte der Geschädigten, „und zwar zu 100 Prozent“. Sie sei in ihrer Aussage konstant gewesen, weder die Kriminalpolizei noch das Gericht seien bei ihr auf Widersprüche gestoßen.
Überhaupt bezog das Gericht belastende Aussagen der als Zeugen geladenen „erfahrenen Kripo-Ermittler“gegen den Angeklagten ausdrücklich in die Urteilsfindung mit ein. Das Einlassungsverhalten des Angeklagten empfand das Gewandte richt als taktisch geprägt, alles so „hinzudrehen“, wie es jeweils zum Stand der Ermittlungen passte.
Die Haltung des Angeklagten „ich nehme mir, was ich will“habe ihn zu der Straftat veranlasst. Das Gericht verurteilte ihn entsprechend zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft und einem Schmerzensgeld von 8000 Euro an die Geschädigte (das Urteil ist noch nicht rechtskräftig). Die Zahlung sei laut Richter mehr als angebracht, da die berufliche Zukunft der Geschädigten bei der Firma offenbar ungewiss sei. Der Seminarleiter hatte schon im Vorfeld die Kündigung erhalten.
Eingangs war am dritten Tag des Prozesses eine Reihe weiterer Zeugen angehört worden. Darunter befand sich jener Arbeitskollege, dem sich die Geschädigte unmittelbar nach der Tat anvertraut hatte. Er sei noch schlafend in der Früh auf seinem Zimmer angerufen worden, gleich darauf sei seine Kollegin erschienen, barfuß mit noch offenem BH. Verstört und unter Tränen habe sie ihm von den Ereignissen und dem Missbrauch berichtet, erzählte der 27-Jährige.
Um einen klaren Kopf zu bekommen, sei man eineinhalb Stunden in Bobingen umhergelaufen. WiederWasser holt habe er sich die Ereignisse schildern lassen, dann habe er die Kollegin überzeugt, bei der Bobinger Polizeiinspektion Anzeige zu erstatten, was diese tat.
Zwei der vom Gericht angehörten Kriminalbeamten schilderten den auffälligen Versuch des Angeklagten, sich bei seiner Festnahme am Morgen nach der Tat die Fingernägel zu reinigen. Eine Ermittlerin erinnerte sich, dass sie das Verhalten des Angeklagten bei seiner Festnahme im Seminarsaal als untypisch ruhig und gefasst empfunden habe. Auch habe er, völlig ungewöhnlich, ohne lange Fragen von sich aus angefangen, ausführlich zu erzählen.
Die seinerzeit zweite Seminarleiterin hatte ausgesagt, sie glaube der Darstellung ihres langjährigen Kollegen. Dass sie quasi versucht habe, Entlastungszeugen für den Angeklagten beizubringen, die die Geschädigte in ein schlechtes Licht rücken sollten, nahm das Gericht mit Befremden zur Kenntnis.
Nach dem Urteilsspruch verließ die Geschädigte erhobenen Hauptes das Gerichtsgebäude, während der fassungslose Angeklagte Trost bei seiner vor dem Gerichtssaal wartenden Ehefrau mit dem gemeinsamen Baby suchte.
Versuche, das Opfer in ein schlechtes Licht zu rücken