Die ganze Stadt wird neu vermessen
Die Beiträge für neue Wasser- und Abwasserleitungen werden nun nach der tatsächlichen Bebauung berechnet und nicht nach der zulässigen. Dafür müssen alle Bauten neu erfasst werden. Die Kosten trägt der Gebührenzahler
Die Stadt Königsbrunn wird die Bemessungsgrundlage der Herstellungsbeiträge für Wasserund Abwasserleitungen ändern. Mit deutlicher Mehrheit beschloss der Stadtrat am Dienstagabend den Wechsel vom bisherigen kombinierten Maßstab „Grundstücksfläche und zulässige Geschossfläche“hin zu „Grundstücksfläche und tatsächliche Bebauung“. Diesen wenden inzwischen über 95 Prozent aller bayerischen Kommunen an, führte ein Fachmann in der Sitzung aus.
Dagegen stimmten nur Hildegard und Ludwig Fröhlich von den Freien Wählern sowie von den Grünen Ursula Jung und Doris Lurz. Um auf neuer Basis die Beiträge neu kalkulieren zu können, müssen zuerst alle Grundstücke und Bauten in der Stadt neu erfasst werden. Das kann zwischen 18 und 24 Monaten dauern. Der Stadtrat beschloss auch, diese Arbeiten zur Erledigung durch eine Fachfirma auszuschreiben.
„Das ist der gerechtere Maßstab und vereinfacht die Sache für die Bürger“, stellte Florian Kubsch (SPD) fest. Er wies darauf hin, dass seine Fraktion schon am 11. November 2014 den Antrag für diesen Wechsel eingebracht habe. Die Diskussion um die Herstellungsbeiträge (siehe Infokasten) habe, so Kubsch, „vorübergehend eine neue Fraktion“in den Stadtrat gebracht. Er spielte damit auf die Bürgerbewegung Königsbrunn (BbK) an, die aus den sogenannten „Wasserrebellen“hervorgegangen war. Die hatten durch ein Normenkontrollverfahren beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im Januar 2013 eine knapp zwei Jahre alte Satzung der Stadt zu Fall gebracht und waren bei der Kommunalwahl im März 2014 mit zwei Mitgliedern in den Stadtrat eingezogen.
Vor Kurzem hat sich diese Fraktion allerdings nach internem Streit aufgelöst. „Gott sei Dank sind wir jetzt so weit“, erklärte BbK-Stadtrat Peter Sommer, „es ist ein Unding, was den Bürgern da angelastet wurde.“
Nach dem bisherigen Maßstab werden die Herstellungsbeiträge aus den Faktoren „Grundstücksgröße“und der im Bebauungsplan vorgegebenen „zulässigen Bebauung“ermittelt. Das kann bei einer Überarbeitung des Bebauungsplans – oder bei einer Veränderung der typischen Bebauung in Bereichen ohne ent-
Festsetzung – dazu führen, dass Immobilienbesitzer zusätzliche Beiträge zahlen müssen, auch wenn sie an ihrem Gebäude nichts verändert haben. Dies sorgte 2012 nicht zuletzt bei zahlreichen Eigenheimbesitzern für Aufruhr, es gab auch Demonstrationen vor dem Rathaus.
„Eine bayerische Kommune, die diesen Maßstab heute noch hat, die hat viele Problemfelder“, stellte in der Stadtratssitzung Heinrich Schulte fest. Er ist Mitbesitzer einer Firma für Kommunalberatung in Veitshöchheim, die nach eigenen Angaben aktuell rund 420 Kommunen betreut und bereits etwa 700 „Beitragsmaßnahmen“durchgeführt hat. Er stellte den Stadträten Elemente einer solchen Umstellung
wie ein „Aufmaßblatt“und eine „Aufmaßskizze“vor, die im Zuge der Erfassung – „das geht nur vor Ort“– entstehen und die auch den jeweiligen Grundstücksbesitzern zur Verfügung gestellt werden. „Da kann der Bürger sehr gut nachvollziehen, wie seine Gebühren zustande kommen.“Wichtig bei der Umstellung seien auch Infoveranstaltungen. Ziel seiner Firma sei es, eine solche Satzungsumstellung bürgernah umzusetzen und möglichst keine Widersprüche gegen Bescheide zu erhalten.
„Transparenz ist ganz wichtig“, stellte Helmut Schuler für die Freien Wähler fest, „der Bürger kann auch mal nachmessen.“Doris Lurz (Grüne) und Alexander Leupolz (CSU) merkten an, dass die Stadt die Disprechende
mensionen der Leitungen ja nach der zulässigen Bebauung auslegen müsse und damit erhebliche Vorleistungen zu finanzieren habe, wenn sich die tatsächliche Bebauung nur langsam entwickle. Doris Lurz wollte wissen, wer die Kosten für die Umstellung tragen werde. Die fließen in die Kalkulation der Wasserund Abwassergebühren ein, die spätestens alle vier Jahre erfolgen müsse, so Schulte, „die trägt der Gebührenzahler“.
„Was ist bei baulichen Veränderungen?“, wollte Doris Lurz noch wissen. An- und Ausbauten sollten Bürger der Stadtverwaltung melden, so Schulte, doch hier komme es wohl öfters zu „Vergesslichkeiten“. Deshalb sei alle zehn bis 15 Jahre eine neue Begehung nötig. „Wer
sich meldet, soll ja nicht der Dumme sein.“
Was ist, wenn Bürger bereits mehr Beiträge bezahlt haben, als sie nach der neuen Regelung zahlen müssten, wollte Leupolz wissen. Dann habe er eine Art „BeitragsDepot“, so Schulte. Die Stadt müsse in der künftigen Satzung hierfür Übergangsregelungen treffen. Es sei jetzt noch nicht die Zeit für eine Satzungsdiskussion, warf Bürgermeister Franz Feigl ein.
Fällig sei ein Grundsatzbeschluss, damit die Stadt Angebote für die umfangreichen Arbeiten einholen könne. Dies hatte der Rat schon im November 2016 beschlossen, doch, so erläuterte Feigl, musste das mangels Bewerber zweimal abgebrochen werden. »