2700 Euro für Schlüsseldienst: Ist das Geld weg?
90 Minuten dauert die Reparatur einer defekten Haustür-Schließanlage eines Neusässers. Der 61-Jährige fühlt sich abgezockt. Die Verbraucherzentrale rät: Helfen kann jetzt nur ein Anwalt
Neusäß
„Ich hab’ mir immer gesagt: So etwas passiert mir nicht. Doch dann geht es so schnell.“Fast 2700 Euro hat ein 61-jähriger Mann aus Neusäß für einen Schlüsseldienst bezahlt, der eineinhalb Stunden an seiner Haustüre hantierte. Der vermeintliche Handwerker übte sogar Druck auf ihn aus, damit er die Rechnung begleicht. Jetzt schaltet der Mann einen Anwalt ein und wird Anzeige bei der Polizei stellen. Aber welche Chancen hat er, wieder an sein Geld zu kommen?
Mit der Anzeige bei der Polizei rückt die strafrechtliche Relevanz in den Mittelpunkt. Die Beamten prüfen, ob zum Beispiel Wucher vorliegt. Das ist der Fall, wenn die Rechnung den ansonsten üblichen Durchschnittspreis um mindestens das Doppelte übersteigt und der Schlüsseldienst eine Notlage ausnutzt. Das kann eine verschlossene Türe sein. Doch diese „Notlage“wurde im Kleingedruckten der Rechnung ausgeschlossen. Der 61-Jährige unterschrieb außerdem, dass er die Möglichkeit hatte, „andere Dienstleister zu kontaktieren und Preise zu erfragen“. Gemacht hatte er es aber nicht. Denn zunächst kam dem Neusässer alles seriös vor.
Über eine große Suchmaschine war er auf ein Internetportal gestoßen. Der 61-Jährige hatte die Worte „Schlüsseldienst“und „Augsburg“eingegeben. Sofort erschien die Anzeige, auf der ein Handwerker mit seinem Namen wirbt. Von „seriösen Preisen“und „keinen versteckten Kosten“ist die Rede. Der Neusässer rief eine kostenfreie 0800-Nummer an – er landete bei einem Vermittler aus Nordrhein-Westfalen. Der nimmt sich online aus der Haftung, wie der Neusässer aber erst später herausfand. Die Firma schickte dann umgehend einen Schlüsseldienst aus der Region. Der sah sich das Schloss an und nannte auch den Preis: Acht Euro pro Millimeter. Bei dem 75-Millimeter-Zylinder kamen am Ende 600 Euro zusammen. „Aber woher sollte ich das als Laie wissen“, fragt sich der Neusässer. Es kam noch dicker: Zur vereinbarten Pauschale von 109 Euro plus 20 Euro für die An- und Abfahrt summierte sich eine „Mehrarbeitszeit“von 280 Euro. Die kam zustande, weil sich angeblich herausstellte, das nicht nur der Zylinder defekt war, sondern auch die spezielle Mehrfachverriegelung der Haustüre. Zumindest habe das der Handwerker so erklärt. Der baute dann nach der Schilderung des 61-Jährigen das Zugband aus, um ans Innenleben der Türe zu kommen. Der Neusässer erinnert sich: Der Handwerker habe gesagt, dass er mit dem Teil in seine Werkstatt im Augsburger Zentrum müsse. Vielleicht hätte er einen Ersatz. Nach gefühlten 20 Minuten sei er wieder vor der Türe gestanden, um das neue Teil einzubauen. Der 61-Jährige vermutet: „Er ist nur einmal um den Block gefahren.“Nach dem Einbau quittierte der Neusässer das Abnahmeprotokoll auf der Rechnung, die sich jetzt auf 2687,73 Euro belief. „Das kann doch nicht sein“, sagte er. Als er wegen des Betrags mit der Versicherung telefonierte, habe sich der Handwerker vor ihm aufgebaut und Druck gemacht. Er müsse jetzt weiter, sein Chef warte. Der Neusässer zahlte. Besser wäre es gewesen, wenn er eine andere Nummer gewählt hätte – nämlich die der Polizei.
Die hätte vor Ort die Personalien feststellen können. Das bestätigt Michael Jakob vom Polizeipräsidium Schwaben Nord. Er sagt: „Man sollte keine Scheu haben, die Polizei anzurufen. Allgemein gilt: Je forscher solche Leute auftreten, desto mehr Grund hat man, dann auch die Polizei zu verständigen.“Die Leiterin der Beratungsstelle Augsburg des Verbraucherservice Bayern, Gabriele Gers, kann nachfühlen: „Die meisten sind in so einer Situation eingeschüchtert.“Die Juristin rät dem 61-Jährigen, sich jetzt unbedingt einen Anwalt zu nehmen. Der wird dann versuchen, über eine zivilrechtliche Klage das Geld zurückzufordern. Dafür muss aber zunächst einmal feststehen, wer der ausführende Schlüsseldienst war. Unter der Handynummer, die der Handwerker herausgab, meldet sich seit Tagen niemand. Und auf der Rechnung steht lediglich die Adresse des Schlüssel dienst vermittlers. Der kann mit demRe ch nungsformul ar nichts anfangen.
Auf Nachfrage teilt der Geschäftsführer des Vermittlers mit, dass sein Unternehmen andere Formblätter besitze. Den Preis auf der Rechnung hält er für astronomisch. Er will jetzt nach recherchieren, ob ein entsprechender Auftrag eingegangen ist und wenn ja, wer vermittelt wurde. Er sagt: „Wir wollen aufklären und mit Schwarzen Schafen nichts zu tun haben.“
Der Handwerker baute sich vor ihm auf