Der Blinde und die Hure
Turrinis „Alpenglühen“wird im Abraxas aufgeführt. Dramatische Spannung erzeugt die Inszenierung nur für Augenblicke
Der österreichische Dramatiker Peter Turrini war eine der großen Stimmen im modernen Volkstheater. Mit Stücken wie „Rozznjod“und „Minderleister“feierte er in den 1970ern und 80ern auf deutschsprachigen Bühnen (auch in Augsburg) große Erfolge. Nun setzte Regisseur Peter Glockner Turrinis melodramatisch anmutendes „Alpenglühen“im Abraxas-Theater in Szene. Hochalpine Spannung wollte dabei jedoch nicht aufkommen.
Die Bühne ist nur spärlich ausgestattet. In der Mitte ein Haufen großer Jutesäcke, dazu im Raum einige Monitore. Darauf in Endlosschleife zunächst idyllische Bergszenen. Im Hintergrund ein Wandteppich mit Vögeln und Blumen. In dieser Berghütte lebt der Blinde (Thomas Linz). Er ist vom Touristenverband angestellt, Tierstimmen wie die des Auerhahns zu imitieren. Um ihn herum schleicht der debil wirkende Sohn des Bauern vom höchstgelegenen Hof. Von Beginn an zitiert dieser Junge (Beri Vranesic) Stellen aus der Ödipus-Sage.
Zu beiden gesellt sich die Hure Jasmine (Patricia von Miserony), entsandt vom Blindenverband, den Blinden mit Vorlesen und sonstigen Diensten zu unterhalten. Damit war die Ausgangslage für eine Dreiecksbeziehung in den Bergen geschaffen. Nach und nach wird das Bild infrage gestellt. Vielleicht ist Jasmine keine Hure, sondern die Sekretärin des Blindenverbands oder eine gealterte, erfolglose Schauspielerin, die zeitlebens, die Julia geben wollte?
Wer ist der Blinde? Wie kam es zur Erblindung? Ist dieses Spiel um Wirklichkeiten spannend, so wirkt das ödipale Gejammere des Jungen mit der Zeit künstlich und fördert leider ebenso wenig die dramatische Spannung wie das häufige Monologisieren der Figuren. Dabei nimmt man Thomas Linz die Figur des Blinden in all ihren Facetten voll und ganz ab. Die spärlichen wirklich dichten Theatermomente blitzen auf, wenn etwa Jasmine inmitten der zerwühlten Jutesäcke von ihrem Traum als Schauspielerin erzählt, wenn sie gemeinsam mit dem Blinden in eine Theaterwelt in der Theaterwelt taucht. So blieb am Ende eher ein Schimmern, denn ein Glühen. Wohl auch deshalb eher verhaltener Applaus.