Ein Baumhaus für die Bahn
So weit musste es kommen. Angehende Azubis müssen künftig kein Anschreiben mehr formulieren, wenn sie sich bei der Bahn bewerben. Das ist einfach zu schwierig für die Generation, die den Daumen nicht vom Tablet runterbringt und noch nie ein richtiges Buch gelesen hat. Von einem mobilen Brezenverkäufer verlangt man ja auch kein Motivationsschreiben. Und beim IT-Experten geht man ohnedies von einer vorhandenen Job-affinen Begeisterung aus.
Ins Grübeln aber kommen wir bei Lokführer-Aspiranten, die „Zugfolge“als einziges Wort kennen. Was ja nichts anderes heißt, als dass die Verspätung schon einkalkuliert ist. Dabei kann die Bahn durchaus witzig sein. Ein angehender Bauzeichner erfährt aus München: „Du hast auch schon für Dein Baumhaus eine Entwurfsskizze erstellt. Dann bist Du bei uns genau richtig!“Merkwürdig, dass uns angesichts solch frühkindlicher Motivation Panik überkommt.
Genau wie beim berühmten vorausfahrenden Zug, den noch nie einer gesehen hat. Ein Phantom der Schiene, das auf dem Abstellgleis landen müsste. Wenn nicht, stehen die ICE irgendwo herum und verstopfen Deutschland so gründlich wie der Pkw-Verkehr zu Ferienbeginn die Brennerautobahn. Denn irgendwo müssen sie ja sein, die beinahe 100 000 Züge, die im vergangenen Jahr nicht im Zielbahnhof angekommen sind. Ob sie jemals wieder eine Zugfolge schaffen? Wir wissen es nicht. Wahrscheinlich fällt eher ein Baumhaus aus den Ästen runter aufs Gleis.