Volles Haus bei den Grünen
Wahl Robert Habeck und Katharina Schulze begeistern ihr Publikum beim politischen Abend der Grünen im Michaeli-Festzelt. Was der Bundesvorsitzende über Bayern denkt und welche Rolle ein weißes Hemd spielt
Auch die Grünen können große Bierzelte füllen und bei politischen Themen zugleich gute Stimmung erzeugen. Zu erleben nun in Schwabmünchen.
Schwabmünchen Wer meinte, die Grünen werden sich bei ihrem politischen Abend im Michaeli-Festzelt gegenüber dem vorausgegangenen CSU-Abend mit viel weniger Publikum und weniger Stimmung bescheiden müssen, konnte staunen. Begeisterter Applaus, häufig verstärkt durch Bravo-Rufe ließen das Festzelt erneut zu einem emotionalen Ort der politischen Willensbildung werden. „Heute ist die Stimmung besser, als vor einer Woche“, kommentierte ein Parteianhänger der Grünen. Die Parteianhänger blieben auch nicht unter sich. Diesmal waren ebenso unentschlossene Wähler sowie Anhänger von SPD und Junger Union im Publikum. Ob der Titel des Marsches „Per aspera ad astra“(sinngemäß: Über rauhe Pfade zu den Sternen), beim Einzug der Politiker, von der Stadtmusikkapelle Schwabmünchen unter der Leitung von Wolfgang Siegert intoniert, ein Vorzeichen für die Wahl am 14. Oktober sein könnte, liegt nun in der Entscheidung des Wählers.
„Hallo Schwabmünchen, stoßen wir erst mal an“, rief Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag, ganz im Stil einer Festzeltunterhalterin in die Menge und gewann sofort die Aufmerksamkeit der gut 1500 Gäste. Ihre Rede, die immer wieder von kräftigem Applaus und Bravo-Rufen unterbrochen wurde, war eine Zusammenfassung jener Themen, die von den Grünen für den Wahlkampf besonders hervorgehoben wurden.
Während zeitgleich in den Studios des Bayerischen Rundfunks das TV-Duell zwischen Ministerpräsident Markus Söder und dem zweiten Grünen Spitzenkandidaten Ludwig Hartmann ablief, bezeichnete Schulze die Vielfalt in Bayern als „die Speerspitze der Demokratie“. Die Landtagswahl sei ihrer Ansicht nach nicht nur thematisch bestimmt, sondern eine Richtungsentscheidung für die Republik. Die in Herrsching aufgewachsene Politikerin begeisterte und provozierte. Wenn die CSU christlich sei, wieso lasse sie Waffenlieferungen an die Saudis zu, fragte sie polarisierend zur christlichen Botschaft. Ein besonderes Anliegen stellte für Schulze die adäquate Ausstattung der Polizei dar. „Wir brauchen keine 200 Pferde, wir brauchen IT-Spezialisten“, sagte sie. Immer wieder, wenn auch versteckt, lässt Schulze die Bereitschaft zur Regierungsbeteiligung nach der Landtagswahl aufblitzen. „Wenn ich Innenministerin wäre“, war von ihr im Themenblock innere Sicherheit zu hören.
Zuvor konkretisierte Maximilian Deisenhofer, Direktkandidat der Grünen im Stimmkreis AugsburgLand Süd, seine politischen Ziele – unter anderem der Umgang mit der Situation der Wertachkliniken. Dazu mahnte er an, dass einige Kapitel dieses Themas nicht öffentlich diskutiert gestellt gehörten. Sowohl den Mängeln in der Tarifreform des öffentlichen Nahverkehrs als auch der Flächenversiegelung sagte er den Kampf an.
„Ich bin etwas bangbüchsig“, be- gann der Schleswig Holsteiner Robert Habeck, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, seine Festrede und drückte damit seinen Respekt vor der Zeltatmosphäre und der fulminanten Rede der Fraktionsvorsitzenden aus. „So eine Atmosphäre gibt es nur in Bayern. Jetzt versuche ich doch noch, etwas Kluges zu sagen“, leitete der Schriftsteller und ehemalige stellvertretende Ministerpräsident des nördlichsten deutschen Bundeslandes seine Ansprache ein. „Wir brauchen keine Politiker, die sich nicht kümmern wollen“, kritisierte Habeck die seiner Ansicht nach herrschende Passivität in den Parlamenten. Es sei einfacher, Angst zu machen als Mut.
Das Thema Klimaschutz sei in höchstem Maße Friedenspolitik. Wenn die Zerstörung der Umwelt global weitergehe, seien Migrationsbewegungen aus besonders betroffenen Teilen der Erde zwangsläufig die Folge, begründete er den Auftrag für ein gemeinsames Europa beim Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe. Mit Blick auf die anstehende Wahl stellte er fest: „Kein Land gehört einer Partei.“Zur Wirtschaftspolitik äußerte sich Habeck im anschließenden Gespräch. „Jeder soll mit seinen guten Ideen Geld verdienen. Das steht außer Frage. Es soll sich jedoch auch jeder an der Gemeinschaft beteiligen“, sagte Habeck zum Thema Steuerzahlungen bei Großunternehmen wie Amazon. Den nach derzeitigen Umfragen steigenden Beliebtheitsgrad der Grünen führt er darauf zurück, dass man keine Angst davor habe, Fehler zu machen, um die Zukunft zu gestalten. Die Politik verharre derzeit zu sehr in der Passivität, mahnte Habeck an, und bremse damit notwendige Schritte aus. „Die Bundespolitik ist erkennbar porös. So richtig steckt da keine Energie drin. Wenn man hier in Bayern aus dem Zug aussteigt, spürt man eine warme Welle, die vermittelt, dass hier was passiert“, sagte Habeck im Gespräch. Diese Energie wolle er mit nach Berlin tragen.
Genauso wie das weiße Trachtenhemd, das der Bundespolitiker von seinen bayerischen Gastgebern geschenkt bekam und spontan auf der Bühne anzog. „Ich werde es demnächst in TV-Talkshows tragen“, bekannte er. Somit wird der politische Abend in Schwabmünchen auf den Bildschirmen der Nation weiterleben.
Sie begeisterte und sie provozierte