Porträt Seine Geste provozierte Deutschland
Trainer Ronald Koeman soll die Niederlande wieder konkurrenzfähig machen. Für den größten Skandal seiner Karriere sorgte er als Spieler – nach dem Abpfiff
Schwer vorstellbar, dass dieser Mann einmal ein ganzes Land schockierte, so freundlich, wie Ronald Koeman in Mikros spricht. Zum Beispiel auf der Pressekonferenz Anfang Februar dieses Jahres, als er sich als neuer Trainer der niederländischen Nationalmannschaft vorstellt. Ein ehemaliger Spieler, der sagt: „Ich liebe Fußball. Ich denke, das ist das Beste im Leben.“Bondscoach wollte er schon immer werden. „Es ist für mich eine absolute Ehre“, sagt der 55-Jährige. Wenn er lächelt, hat er Grübchen. Wenn er spricht, bewegt sich oft nur der Kopf. Gestikulieren ist nicht sein Ding.
Umso überraschender die Geste 1988. Em-halbfinale. Deutschland verliert 1:2 gegen die Niederlande. Ein dramatisches Spiel. Noch emotionaler wird es nach Abpfiff. Ronald Koeman, ein Star seiner Mannschaft, gießt mit einer Aktion so viel Öl ins Feuer der deutsch-niederländischen Fußballrivalität, dass es zu Fan-tumulten kommt: Nach Spielende tauscht er das Trikot mit Olaf Thon und wischt sich damit symbolisch den Hintern ab.
Am Samstag trifft Koeman in der neuen Uefa Nations League um 20.45 Uhr nun wieder auf Deutschland. Diesmal als Trainer. Für die Geste von damals hat er sich längst entschuldigt. Heute präsentiert sich der verheiratete Vater von drei Kindern als fairer Sportsmann – Shakehands am Spielfeldrand auch mit Feinden, wie mit Louis van Gaal, mit dem er sich 2004 bei Ajax Amsterdam zerstritt. Koeman war dort Trainer, van Gaal Sportchef. Trainiert hat er auch Benfica Lissabon, den FC Valencia, FC Southampton und FC Everton. Auf letztere Stationen wäre vor allem Vater Martin, einst selbst Fußballer, stolz. Er träumte davon, seine Söhne Ronald und den zwei Jahre älteren Erwin als Trainerteam in Englands Premier League zu sehen. Doch 2013 stirbt er und sieht nicht mehr, wie Ronald 2014 Trainer in Southampton und Erwin sein Assistent wird. Gemeinsam spielten sie in den 80er Jahren für die Nationalmannschaft. Als Trainer gewann Koeman mehrere Titel, noch erfolgreicher war er als Spieler: Viermal niederländischer und spanischer Meister, mehrfach Pokalsieger und Europameister 1988. Koeman war zweikampfstark, sein Spiel schnörkellos und seine Freistöße scharf geschossen. Fast 200 Tore erzielte er in knapp 500 Spielen – als Libero. „Ich hatte Glück, ich habe bei großen Klubs gespielt“, sagt er, und meint damit Vereine wie Ajax Amsterdam, PSV Eindhoven oder FC Barcelona.
Herausragende Spieler, wie Koeman seinerzeit, gibt es im Oranjekader gerade nicht. Das weiß der Nachfolger von Dick Advocaat. Der war zurückgetreten, nachdem sich das Team nicht für die Weltmeisterschaft in Russland qualifiziert hatte. Auch bei der Europameisterschaft 2016 schaute es nur zu. Doch Koeman ist zuversichtlich: „Wir haben vielleicht nicht mehr die allerbesten Spieler, aber das heißt ja nicht, dass wir kein gutes Team aufstellen können.“
Stephanie Lorenz