Literarische Sensation?
Roman über eine Horrortat in Italien
Klebt auf diesem Ziegelstein von einem Roman mal wieder eines dieser Labels: „Die literarische Sensation aus Italien.“Und ja, tatsächlich hat das mit dem dortigen Großpreis „Premio Strega“ausgezeichnete Buch „Die katholische Schule“alles, was es für so etwas braucht.
Edoardo Albinati arbeitet darin das Massaker von Circeo von 1975 auf, bei dem zwei Frauen brutalst misshandelt wurden und das nicht nur zu einem Prozess gegen drei Männer, sondern auch zu einem Aufschrei der Frauen in Italien führte. Der Autor ging mit dem Haupttäter auf jene titelgebende römische Schule und durchleuchtet darum alles: ihn und sich, Gesellschaft und Moral, das Katholische und die Geschichte. Er ist dabei ein detailgenau beobachtender, geistreich analysierender, versiert charakterisierender Erzähler, der über das Historische hinaus Spiegelungen heutiger Abgründe aufscheinen lässt. Alles da also.
Aber leider noch so viel mehr – und viel zu wenig Erzählökonomie. Albinati braucht die ersten 300, 400 der fast 1300 Seiten, um das normale Schülerleben bis in jede Regung in der Unterhose zu betrachten. Oftmals muss er einschieben: Das Eigentliche, es geht ja gleich los. Kein gutes Zeichen. Klar, er wollte keinen knalligen Krimi aus dem Drama machen. Aber so schweift er immer wieder allzu weit aus und verliert allzu leicht: den Leser. Und das ist für dieses Buch sehr schade.
Übs. Verena von Koskull, Berlin Verlag, 1296 S., 38 ¤