Der Mann, der für mehr Bildung kämpft
Christian Dierig warnt, dass zu wenig in Schulen investiert wird. „Kinder sind keine Wähler, Rentner schon“, lautet seine provokante Erklärung. Seine Amtszeit bei der Industrie- und Handelskammer endet zwar bald. Davor setzt er aber in Dillingen nochmals
Christian Dierig kennt man als feinsinnigen Unternehmer, dessen Betrieb Bettwäsche herstellt. Häufig reist er auch nach Afrika und vertreibt dort bunte, hochwertige Stoffe, aus denen dort traditionelle Trachtengewänder entstehen. Was weniger bekannt ist: Seit Jahren ist der 61-Jährige einer der stärksten Kämpfer unserer Region für das Thema Aus- und Weiterbildung und die Anliegen junger Menschen. „In einem Land, in dem es kaum Rohstoffe gibt, muss man sich die Frage stellen, was unsere Zukunft ist, was unsere Ressourcen sind“, sagt Dierig. „Es sind unsere Kinder und deren Ausbildung – sie sind das, was für andere Länder Öl ist.“
Wer sich mit Christian Dierig unterhält, merkt schnell, dass er viel über das Thema nachgedacht hat. Auch wenn das Bekenntnis zu Bildung zum Standardrepertoire vieler Parteien gehört, ist der 61-Jährige überzeugt, dass unser Land zu wenig für seine Schüler ausgibt. Als stellvertretender Präsident der Industrieund Handelskammer Schwaben kämpft Christian Dierig ehrenamtlich seit gut zehn Jahren für Aus- und Weiterbildung. Bei den anstehenden Wahlen will er zwar nicht mehr für dieses Amt antreten. Zuvor aber setzt er noch einen Meilenstein: Am kommenden Montag, 5. November, wird in Dillingen symbolisch der Grundstein für das Haus der Wirtschaft gelegt. Einziehen wird dort auch die IHKAkademie, ein wichtiges Zentrum für die Weiterbildung in der Region. Rund 900 Menschen pro Jahr sollen sich dort fortbilden.
Dass in Schulen noch immer der Putz bröckelt oder Unterrichtsstunden ausfallen, ist für Christian Dierig eines der drängendsten Probleme unserer Zeit. „Wir müssen deutlich mehr in Schulen investieren“, sagt er. Dass der Staat nicht mehr Geld bereitstellt, erklärt er sich so: „Kinder sind keine Wähler, Rentner schon.“
Dierig weiß, dass er damit provoziert. Was ihn aber umtreibt: „Warum geben wir so viel mehr Geld für Sozialleistungen oder für die Energiewende aus als für Schüler?“Im Jahr 2016 haben Bund, Länder und Gemeinden zum Beispiel 128,4 Milliarden Euro für Bildung ausgegeben, die Kosten der Energiewende werden bis zum Jahr 2025 auf ganze 520 Milliarden Euro geschätzt, argumentiert Dierig. „Passt das zum Land von Goethe, Humboldt und Einstein?“, fragt er.
Drei Dinge liegen ihm am Herzen. Erstens: „Die Förderung der dualen Ausbildung und der beruflichen Weiterbildung“, wie er sagt. Deutschland hat aus seiner Sicht eine „vollkommen fehlgeleitete Akademisierungspolitik“, wenn ein Drittel der Studenten ihr Studium abbrechen. Viele Bachelor-Absolventen würden ohne eine Qualifizierung im Betrieb keine feste Stelle bekommen. Eine duale Ausbildung biete eine bessere Alternative. Genauso wichtig ist für ihn die Weiterbildung im Beruf. Ein Ort dafür sind die IHK-Akademien. „Dort gibt es Meisterkurse und Zertifikatslehrgänge, zum Beispiel zum Bilanzbuchhalter“, berichtet Dierig. Was wenige wüssten: „Die IHK-Akademie Schwaben ist die größte in Deutschland“, erklärt er stolz.
Zweitens will Christian Dierig Schüler für die Wirtschaft begeistern: „Wir Unternehmer müssen hinein in die Schulen“, ist er überzeugt. So sind in der Region in den vergangenen Jahren rund 250 Schulpatenschaften zwischen Firmen und Schulen entstanden. Schüler des Fugger-Gymnasiums Augsburg lädt Dierig jedes Jahr auf die Hauptversammlung seines Unternehmens ein.
Und drittens macht sich der Unternehmer stark für die Integration von Flüchtlingen: „Integration kann nur über Ausbildung und Arbeit gelingen“, findet Dierig. Das Modell, wonach Flüchtlinge nach einer dreijährigen Ausbildung ein Recht haben sollen, zwei Jahre hier zu arbeiten, sei in Augsburg entwickelt worden. 1200 Migranten habe die IHK Schwaben derzeit in Lehrstellen vermittelt.
In seinen gut zehn Jahren als stellvertretender Präsident der IHK ist Christian Dierig in einer Grundüberzeugung bestärkt worden: „Die Basis unserer Demokratie ist Bildung“, sagt er. „Warum gibt es in Afrika beispielsweise so viel Korruption? Eben weil die Bildung der Bevölkerung fehlt.“
Für Christian Dierig ist eines klar: Bildung – wie auch Aus- und Weiterbildung – muss für alle zugänglich und auch bezahlbar sein.