Kleiner Vogel braucht Schutz
Im südlichen Königsbrunn ziehen seltene und bedrohte Arten ihren Nachwuchs auf. Naturschützer Martin Wendler beobachtet Kiebitze und Neuntöter und sieht einige Gefahren
Neuntöter. Bei vielen Menschen mag dieses Wort Assoziationen von Gewalt und Grusel hervorrufen. Doch zum einen ist der Neuntöter zurzeit auf seinem langen Flug nach Südafrika und zum anderen brauchen Menschen vor dem 16 Zentimeter kleinen Vogel sowieso keine Angst zu haben – auch wenn er zur Gattung der mitteleuropäischen Würger-Art gehört. Das hat aber nur mit der Verdauung zu tun.
Naturfotograf und Naturschützer Martin Wendler hat ein besonderes Faible für den kleinen Langstreckenflieger. Der Neuntöter ist jedes Jahr nur für drei Monate in Europa, um seine Brut aufzuziehen. Die längste Zeit des Jahres ist er unterwegs. Wenn bei uns Winter ist, hält sich der Neuntöter auf der südlichen Hälfte der Erdkugel auf. Sommer rund ums Jahr sozusagen.
„Wenn er die lange Reise mit gefährlichen Hindernissen überlebt, trifft er bei uns im Frühjahr wieder astgenau ein,“hebt der Vogelschützer die Standorttreue der Tiere hervor. Solche Standorte des Neuntöters hat Wendler im Süden von Königsbrunn ausgemacht, denn hier findet der Neuntöter in den vielen Hecken und Ausgleichsflächen gute Bedingungen.
Doch man könne in Sachen Naturraum noch einen Schritt weiter gehen. Wendler verweist auf die Kommune Stadtbergen. Dort wolle man die Biodiversität, also die biologische Vielfalt, mit einem Pilotprojekt im kommunalen Leben verankern. Und Wendler sieht in dem Neuntöter einen „Seismografen“. „Wenn der Neuntöter da ist, sind auch alle anderen da.“
Während der Naturschutz-Aktivist an einem Feldweg auf die Verstecke der Tiere zeigt, kommen zwei Frauen dazu. Beide sind sichtlich empört über vergiftete Raubvögel, die sie kürzlich in der Nähe ihrer landwirtschaftlichen Anwesen gefunden haben. Sie hätten die Tierkadaver untersuchen lassen und das Laborergebnis hätte bestätigt, dass diese vorsätzlich vergiftet wurden. „Wir haben wirklich Angst um die Tiere“, sagt eine der Frauen.
Das Gebiet zwischen Lech und Landsberger Straße sollte eine besondere Friedens- und Ruhezone für die Wildvögel sein, so der Wunsch der drei. Bei einer der Landwirtinnen hat ein Turmfalke im Gebälk Unterschlupf gefunden und die andere hat auf ihrem Bauernhof einen Bussard mit der Hand aufgezogen. Der war noch nicht flügge, als er aus dem Nest fiel.
die Frage, warum sie die zusätzliche Arbeit und den Dreck mit den Wildvögeln auf sich nehmen, reagieren die Frauen mit Unverständnis: „Das ist doch nichts Besonderes, die Tiere gehören fast zur Familie, sie gehören zu unserem Leben“. Manchmal sitzen die Vogelliebhaber, zu denen auch Naturfotograf Kevin Lederle gehört, bei einer Tasse Kaffee zusammen und erzählen von ihren Beobachtungen. Dabei gesellte sich im Sommer ein besonderer Gast zu ihnen, ein Neuntöter. Gerade als die Kaffeerunde aufgelöst wurde, setzte er sich unter einen ihrer Stühle.
Sogar einen Uhu haben sie schon gesehen und Kiebitze brüten auf den Feldern. Doch die Idylle sei durchaus getrübt, erzählt Wendler. So habe er beobachtet, dass ein Landwirt achtlos über Kiebitz-Gelege gefahren sei. Die kleinen Vögel mit der markanten Haube wurden 2015 auf die Internationale Rote Liste gefährdeter Vogelarten gesetzt.
Kiebitze brüten in offenen Landschaften in Gewässernähe, gerne auf beackerten Feldern und das kann für die Boden- und Wiesenbrüter gefährlich werden. Die Paare brüten im Frühjahr, wenn Landwirte anfangen auszusäen, da stören die Tiere den Ablauf und bringen finanzielle Einbußen. Wendler macht sich deshalb dafür stark, dass Landwirte, die Gelege schützen und einen Bogen mit dem Traktor fahren, dafür eine Ausgleichszahlung erhalten.
Das Landratsamt bestätigt hierzu, dass Landwirte eine Entschädigung vom Bayerische Naturschutzfonds erhalten können – wenn das Gebiet als Wiesenbrüterbereich offiziell festgelegte wird.
Aber: „Das Gebiet südlich von Königsbrunn war bisher nicht offiAuf zielles Wiesenbrütergebiet und ist das auch bis dato nicht,“so die Mitteilung des Landratsamtes.
Allerdings soll ein Konzept zur „Informationspolitik“noch vor der nächsten Brutsaison erarbeitet werden und der Gebietsbetreuer werde mit einzelnen betroffenen Landwirten, Kiesabbauern und den Gemeinden Kontakt aufnehmen.
Bleibt noch die Frage, wie ein so kleiner Vogel wie der Neuntöter zu so einem martialischen Namen kommt. Das hänge mit der Vorratshaltung zusammen, die diese Vogelart betreibt. Dabei spießt sie ihre Beutetiere auf – ursprünglich auf Dornen, der moderne Neuntöter nutzt aber auch Stacheldrahtzäune als persönliche Vorratskammer. Nach einem alten Volksglaube würde der Neuntöter erst neun Beutetiere aufspießen, bevor er beginnt, sie zu verspeisen.