Flüchtlinge und Grünen-Politiker verunglimpft
Amtsgericht verurteilt Reichsbürger wegen mehrerer Delikte zu einer neunmonatigen Freiheitsstrafe
Kann man mit etwas drohen, das nicht existiert – aber an das dennoch nicht wenige Menschen in Deutschland fest zu glauben scheinen? Gemeint ist in diesem Fall die vermeintliche Existenz einer „russischen Militärstaatsanwaltschaft in Berlin“. Die oben erwähnte Frage hat jetzt das Amtsgericht mit „Ja“beantwortet. Richterin Susanne Scheiwiller verurteilte einen Reichsbürger wegen versuchter Nötigung und versuchter Erpressung.
Das Gericht sah daneben auch den Tatbestand der Volksverhetzung als erfüllt. Es verhängte eine neunmonatige Freiheitsstrafe auf Bewährung. Der Angeklagte hatte sich auf Facebook rassistisch und beleidigend über Flüchtlinge geäußert. Der 60-Jährige äußerte sich im Prozess nicht zur Anklage.
Sein Verteidiger Hermann Kühn forderte dennoch, seinen Mandanten freizusprechen. „Man kann nicht mit einem Übel drohen, das es nicht gibt. Genauso gut kann ich drohen, dann lass ich den Osterhasen erschießen. Das ist absurd.“Auch mit seinem Vorwurf, die Polizei habe nicht vernünftig ermittelt, fand der Anwalt bei Gericht kein Gehör. Die Ermittler sollen es versäumt haben, nach der IP-Adresse des Computers zu suchen, von dem die Hetze versendet wurde. Der Mann war in die Mühlen der Justiz geraten, weil er sich standhaft weigerte, Rundfunkgebühren zu zahlen. Der BR leitete daraufhin gegen ihn die Zwangsvollstreckung ein. Was der Betroffene mit dem Vorwurf konterte, die Justiz begehe kriminelle Handlungen. Er schrieb dies auch so Landgerichtspräsident Herbert Veh und einer Gerichtsvollzieherin, drohte beiden, eben jene „russische Militärstaatsanwaltschaft“einzuschalten, sofern nicht binnen einer Woche das Verfahren eingestellt werde. Die Gerichtsvollzieherin identifizierte vor Gericht den ihr persönlich bekannten Angeklagten als den Briefeschreiber.
Schwieriger war für das Gericht die Frage zu klären, ob der Angeklagte tatsächlich Autor der rassistischen Beiträge auf Facebook ist. Nach mehreren Verhandlungstagen und der Anhörung von Zeugen war Richterin Scheiwiller davon überzeugt. 2015 hatte ein Mann unter einem Pseudonym geschrieben, Flüchtlinge seien „krankes Geschmeiß“, „Abfall“und „Bodensatz der Welt“. Nur vier Monate später verunglimpfte derselbe Autor den Grünen-Politiker Cem Özdemir im Internet. Der Politiker erstattete Strafanzeige.
Die Kripo Aalen fand heraus, dass in Augsburg bereits eine Strafanzeige vorlag. Hier hatte ein Kunde einer Saturn-Filiale, der den gleichen Namen angab wie der FacebookNutzer, für Aufsehen gesorgt, weil er sich lauthals über die angebotene „orientalische Musik“beschwert hatte. Unter seiner Adresse in Augsburg traf die Polizei zwar nicht diesen Mann, sondern einen Mann, der wusste, wer sich hinter dem Pseudonym verbarg.