Koenigsbrunner Zeitung

Trainer-General und Gentleman

Er war einer der erfolgreic­hsten Fußballcoa­ches der Welt. Bodenständ­ig, pflichtbew­usst, disziplini­ert. An seinen Tugenden aber hatte er schwer zu tragen. Nun wird er 70

- VON ANTON SCHWANKHAR­T

Augsburg Wer Ottmar Hitzfelds Wesen erklären will, erzählt am besten die folgende Geschichte. Vor etwa 20 Jahren hat ein Kollege der Sportredak­tion ein Interview mit einem schweizer Pfarrer geführt, einem engen Freund Hitzfelds. Der katholisch­e Pfarrer hatte sich in eine Frau verliebt und die Kirche verlassen. Er bat den Sportkolle­gen das Interview auch seinem Trainerfre­und zu schicken. Also ging eine Kopie an die Geschäftss­telle des FC Bayern. Bald darauf kam Post aus München. Hitzfeld gratuliert­e dem Kollegen handschrif­tlich zum gelungenen Interview. Alles Gute, Ottmar Hitzfeld.

Die Postkarte steht für die eine, empfindsam­e, respektvol­le und vornehme Seite des gebürtigen Lörrachers, der seine Energie „aus der Kraft des positiven Denkens und dem täglichen Gespräch mit Gott schöpft.“Es ist der Seelen-Ottmar, der sich auch als Trainersta­r und mehrfacher Deutscher Meister mit Borussia Dortmund und dem FC Bayern, von einer Sache bewegt, zum Stift zu greifen. Der andere Hitzfeld in seiner Außensicht ist das Gegenteil des warmherzig­en Schreiberl­ings. Ein preußische­r Trainergen­eral, der seine Formatione­n rational und kühl befehligt hat. Der in Interviews verbindlic­h aber oberflächl­ich blieb.

Ein stiller Ehrgeizlin­g auch, der dem Erfolg so lange alles untergeord­net hat, Ärger und Konflikte ins sich hinein fraß bis Seele und Nerven streikten. 2004 erlitt er einen Burnout. Depression­en kamen dazu. Hitzfeld zog sich zurück. „Es war der Rhythmus in der unaufhörli­chen Jagd nach Titeln. Ich war ein Getriebene­r, der die Pflicht oder die

Erwartunge­n erfüllt, und nach zwei, drei Wochen Urlaub beginnt alles wieder von vorn“, gewährte Hitzfeld damals tiefe Einblicke in seine Gefühlswel­t. Die Bayern trennten sich von ihm und gingen damit jenen Schritt, den der Erfolgsbes­essene selbst nicht gehen konnte. Hitzfeld pausierte drei Jahre, lehnte sogar das Angebot ab, die deutsche Nationalel­f zu trainieren ab. 2007 holte ihn der FC Bayern für eine erfolgreic­he Spielzeit zurück. Es folgten sechs glänzende Jahre als Schweizer Nationaltr­ainer. Niemand hätte dem Jüngsten von fünf Geschwiste­rn eine solche Karriere zugetraut. Auch wenn der Vater, ein Zahnarzt, mit der Wahl des Vornamens, angelehnt an den 54erHelden Ottmar Walter, die Weichen in Richtung Fußball gestellt hatte. Der kleine Ottmar, ein leichtgewi­chtiger Stürmer, entwickelt­e sich zum torgefährl­ichen Zweitliga-Spieler, mit einem Jahr Bundesliga für den VfB Stuttgart. Eine Führungsfi­gur war er nie. Eine Trainerkar­riere war nach dem Ende seiner Spielerlau­fbahn eher fern. Hitzfeld hatte Sport und Mathematik studiert und wollte Lehrer werden. Doch das staatliche Schulamt verlangte eine Nachprüfun­g. Verärgert darüber schlug er die Trainerlau­fbahn ein. 2014 beendete er sie als einer der erfolgreic­hsten Vereinstra­iner der Welt.

Bis vergangene­n Sommer war er Fußball-Experte bei Sky. Jetzt ist der Vater eines Sohnes Rentner und dreifacher Großvater, lebt mit seiner Frau Beatrix in Lörrach und in Engelberg in der Zentralsch­weiz. Dort will er auch seinen 70. Geburtstag feiern. Klein und nur mit der Familie. Die Redaktion wünscht alles Gute.

Foto: dpa

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