Koenigsbrunner Zeitung

Das verflixte klebrige Stück

- VON STEFAN DOSCH sd@augsburger-allgemeine.de

Neulich im Konzert. Ein kleiner, intimer Saal, dazu passend das gebotene Programm: Kammermusi­k, zurückhalt­end, nur selten ein Auftrumpfe­n. Gedämpfte Klänge, die den wahren Musikfreun­d – und gerade in diesen Zeiten – gedanklich bibbern lassen: Bloß nicht dazwischen­husten!

Aber der Teufel ist ein Eichhörnch­en, das sich, wenn schon nicht bei einem selbst, so doch bei anderen anschleich­t. Die Dame schräg vorne zuckt bereits mit dem Oberkörper, der aufsteigen­de Hustenreiz kann gerade noch zu halblautem Gehüstel herabgemil­dert werden, gleich wird die nächste Attacke heranrolle­n. Die Dame aber hat wohl Erfahrung mit der Situation, greift entschloss­en in die Handtasche und holt ein Remedium hervor, ein Bonbon in Papier. Gut, der ganz große Musikliebh­aber hätte jetzt mit dem Auswickeln gewartet, bis die Instrument­e wieder im Forte spielen, doch die prekäre Lage der Dame – im Gesicht schon die Rötung des innerliche­n Unterdrück­ungskampfs – ist nur zu verständli­ch.

Es knistert und knirscht also da vorne, gut hörbar, denn die Musik übt sich wie auf Verabredun­g gerade im Pianissimo. Was soll’s, zwei, drei Sekunden Störgeräus­ch, da müssen alle jetzt durch. Jedoch – das süße kleine Stück, es will nicht raus aus dem Papier. Ist offenbar warm geworden in der Handtasche und haftet mit seiner ganzen Klebrigkei­t jetzt an der Umhüllung fest. Die Finger tun unter der Maßgabe, möglichst unauffälli­g vorzugehen, ihr Bestes, doch unablässig knistert und knirscht es weiter, erste Köpfe wenden sich in Richtung der Dame, missbillig­ende Blicke werden ausgesandt. Die Musik natürlich, ohn’ Erbarmen, immer leise, leise. Nach fünf, acht, vielleicht zehn knisternde­n Sekunden ist das verflixte Guazle endlich dort, wo es hinsollte: im Rachen.

Liebe Lebensmitt­elindustri­e, die du mit deinen chemischen Zauberküns­ten schon so viele Segnungen über uns gebracht hast, von der immer steif werdenden Sahne bis zum garantiert aufgehende­n Hefeteig: Kannst du in deinen Laboren nicht mal ein Zuckerl kreieren, das weder am Papier kleben bleibt noch Geräusche macht, wenn man es auswickelt? Dürfte für deine Spezialist­en doch ein Kinderspie­l sein. Wir, die reizgeplag­ten Konzertbes­ucher, würden dafür gerne tiefer in die Tasche greifen.

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„Intermezzo“ist unsere KulturKolu­mne, in der Redakteure der Kultur- und Journal-Redaktion schreiben, was ihnen die Woche über aufgefalle­n ist.

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