Nachbarn klagen über Bauschutt der Bahn
Der alte Verladebahnhof in Bobingen ist nach langer Pause wieder stark genutzt. Anwohner leiden, weil Berge aufgetürmt, Steine zertrümmert und Lastwagen statt Züge zum Transport genutzt werden
Bobingen An die nachts vorbeiratternden Güterzügen oder den täglichen Schienenverkehr haben sich die Anwohner der Straße am Wasserturm in Bobingen ja längst gewöhnt. Immerhin hatte sie von ihrer Haustüre aus freie Sicht über die weiten Anlagen im südlichen Teil des Bahnhofs von Bobingen. Rangierund Gütergleise aus älterer Zeit scheinen den Anwohnern nun zu einer neuen Belastung zu werden. Vor allem die ehemals freien Flächen, die zuletzt von Park-andride-Kunden genutzt wurden. Die Bahn nutzt ihre Fläche entlang der Gleisanlagen nun als Lagergelände und Bauhof. Momentan ist zwar winterliche Ruhe eingekehrt, doch Anwohner Klaus Philipp erfuhr bei seinen Nachfragen, dass die Bahn nur wenige Flächen dieser Art habe, wo sie legal lärmen und Bauschutt lagern darf. „Das kann uns ewig bleiben“, fürchtet er.
Noch kurz vor Weihnachten sei es besonders schlimm gewesen. Schon morgens um 6.30 Uhr habe Lärm die Anwohner von Am Wasserturm geweckt. Dieser kam vom auf der anderen Straßenseite gelegenen Verladebahnhof. Der war lange verwaist. Dort befindet sich laut Deutscher Bahn jedoch ein „eisenbahnrechtlich genehmigtes Ladegleis mit einer etwa 3500 Quadratmeter großen Lagerfläche“. Hier wurde seit vergangenem Herbst verstärkt Bauschutt abgeladen, lautstark zerkleinert und dann wieder aufgeladen und abtransportiert. Alles übrigens per Lkw, obwohl das Gleis doch eine „Schnittstelle zwischen Schiene und Straße“sein soll, wie Anwohner beobachten.
Aber von Schienenverkehr sei beim Abraumtransport keine Spur zu sehen. Und genau das ist schon das zweite Ärgernis, mit dem sich Anwohner herumschlagen.
Klaus und Resi Philipp erzählen: „Die Straße ist ja recht schmal. Wenn auf der anderen Straßenseite ein Auto parkt, dann fahren die Lkw auch über den Fußweg. Und der ist für solche Belastungen nicht ausgelegt.“Manuela Ostenda, ebenfalls eine Anwohnerin, macht sich dann Sorgen um ihre Kinder. „Die laufen dort zur Schule. Mit Lkw-Verkehr auf dem Fußweg rechnen sie nicht.“Wie schnell sei so ein Kind überse- Auch sie stört die „extreme Lärmbelästigung, die eigentlich nicht aufhört. Sogar am Samstag wird gearbeitet“. Was Manuela Ostenda ebenfalls beklagt: „Wir Anwohner werden überhaupt nicht informiert: Wir wissen nicht, was dort für Schutt abgeladen wird, ob der irgendwie kontaminiert ist und wann die Arbeiten vielleicht abgeschlossen werden sollen.“Man sei immer völlig ahnungslos und überrumpelt. „Die Lautstärke macht uns mittlerweile wirklich krank“, sagt Ostenda zur Lage vor dem Jahreswechsel. „Tagsüber konnte man vor der Haustüre gar nicht mehr sein.“
Das bestätigen auch Nachbar Peter Beer, sowie Klaus und Resi Philipp. „Und das ist ja noch nicht alles“, meint Klaus Philipp, der ebenfalls über gesundheitliche Beeinträchtigungen aufgrund des Lärms klagt. „Teilweise wurde auch nachts gearbeitet. Da sind wir vor Schreck fast aus dem Bett gefallen.“
Durch die vielen schweren Fahrzeuge sei zudem die Straße stark verschmutzt. „Für diesen Schmutz sehen wir uns nicht zuständig“, meinen die Anwohner und werfen die Frage auf, wer im Fall eines Schadens zum Beispiel durch Glätte jetzt im Winter aufkommen würde. „Straße und Fußweg sind durch den Matsch bei Frost eine einzige Rutschpartie“, meint Klaus Philipp.
Zusammen mit Tochter Heike haben die Philipps mehrere Anfragen an die Bahn, die Stadt Bobingen, den Landtag und diverse Abgeordnete gestellt. Jüngst auch an die Polizei Bobingen, eben wegen jener Haftungsfrage.
„Aber bisher wurden wir entweder mit einer kurzen nichtssagenden Antwort abgespeist oder haben gar nichts gehört“, bedauert Philipp. Einzig die Nachfrage der Landtagsabgeordneten Carolina Trautner sei mit einem längeren Schreiben beantwortet worden. Leider ohne Erfolg, was Lärm und Schmutz betrifft.
Auf eine Anfrage unserer Zeitung teilt ein Bahnsprecher mit: „Bei dem Material müsste es sich um Aushub beziehungsweise Bodenmahen. terial für den Neubau des Bahnsteigs F in Augsburg-Hauptbahnhof handeln. Dieser wird hier fachgerecht entsorgt und entsprechend den Umweltrichtlinien behandelt. Für die Arbeiten liegt ein rechtsgültiger Planfeststellungsbeschluss durch das Eisenbahnbundesamt vor.“
Dabei herrschten für ein Wohngebiet doch eigentlich strenge Lärmschutzauflagen, wundern sich die Anwohner. Und von diesen seien die gemessenen 90 Dezibel bei Meiselbaggereinsatz weit entfernt. Für die Anwohner sei der Lärm zu einer psychischen und physischen Belastung geworden.
Heike Philipp fasst es zusammen: „Zuhause ist kein Zuhause mehr. Ich würde abends schon am liebsten weiterfahren, statt zu meinem Haus abzubiegen.“
Die Ängste vor der weiteren Entwicklung ist durch die momentane Ruhe nicht gemildert. Eine Menge des aufbereiteten Bauschutts ist zwar wieder verschwunden. Nur noch einige Hügel ragen empor und einiges an neuwertigem Baumaterial wie Schienenschwellen und anderen Betonfertigteilen. Die Anwohner fürchten, dass alles von Neuem beginnt, sobald die Bahn das nächste Bauprojekt angeht – und seien es nur die weiteren Unterführungen, die sie derzeit erneuert. „So ein Verladebahnhof gehört einfach nicht mehr innerhalb einer Ortschaft“, finden die Nachbarn. Ihre Forderung ist klar: „Lärm und Schutt müssen weg, alles andere ist nicht tragbar.“
Als Anwohner werfen sie in die Waagschale, dass die Straße Am Wasserturm ein Zubringer zum Park-and-ride-Platz am Bobinger Bahnhof sei und seit Monaten schon kaum mehr von Pendlern nutzbar sei. Außerdem seien die ausgewiesenen Parkplätze ohnehin zu wenig. Für die Gewinnung von Pendlern, also Bahnkunden sei es sicherlich sinnvoller, auf dem Gelände Parkplätze zu schaffen und die lärmintensiven Arbeiten mit Erdaushub und Bauschutt nach außerorts zu verlegen.