Wenn der Schluss nicht das Ende ist
Sonntags im Kino. Das Publikum ist eher älter und durchaus zahlreich. Der Filmtitel klingt dröge: „Die Frau des Nobelpreisträgers.“Doch für die Hauptrolle hat die 71-jährige amerikanische Schauspielerin Glenn Close soeben den Golden Globe erhalten. Das lockt auch den Zögerlichen.
Auf der Leinwand entwickelt sich ein Kammerspiel, das mit nur wenigen Schauplätzen, überschaubarem Personal und vielen ähnlichen Kameraeinstellungen auskommt. Eigentlich eine Garantie, dass mir an einem so trüben Nachmittag die Augen zufallen. Doch keine Spur davon! Je näher die Kamera dem Nobelpreisträger in Literatur und seiner Ehefrau an den Fersen klebt, desto spannender wird die Erzählung. Dann genügt es, wenn Glenn Close kurz die Augen verdreht oder die gefältelten Lippen zu einem ironischen Lächeln spitzt. Die leider ziemlich simplen Dialoge („O mein Gott!“, „Ich liebe dich!“) aus der amerikanischen Floskelkiste überhöre ich mehr und mehr.
Das Spannendste passiert jedoch erst nach dem Film. Längst aus dem Kino nach Hause zurückgekehrt, will das Gespräch über den Film mit meiner Frau kein Ende nehmen. Immer noch ein Detail, ein Wink aus der Handlung, ein Mienenspiel, ein scheinbar lässig hingeworfenes Wort, ein symbolträchtiges Bild fallen uns auf und bereichern die Interpretation des Films. Wir erzählen uns das Leben dieses Paares nach rückwärts und vorwärts. Wir ermessen ihr symbiotisches, beiden nützliches Verhältnis zueinander, das zunächst wie die pure Ausbeutung der Frau durch den Mann aussieht. Wir ergründen, was zu ihrem scheinbar überraschenden emotionalen Ausbruch geführt haben könnte. Der Sonntagabend wird lang, uns ist eine Geschichte geschenkt worden, die nicht auf der Leinwand endet, sondern mit eigenen Lebenserfahrungen abgeglichen werden will.