Koenigsbrunner Zeitung

Der Papagei ist ein Star

Coco, die Gelbstirna­mazone der Familie Hartmann, ist unberechen­bar und kapriziös – und sie inspiriert­e viele Künstler. Die Sammlung der Werke ist im Schaezlerp­alais zu sehen

- VON OLIVER WOLFF

Wenn Kunstsamml­er Gerhard Hartmann über seinen Papagei Coco spricht, merkt man schnell, wie sehr ihm der Vogel am Herzen liegt. Die Gelbstirna­mazone ist seit über 40 Jahren sein treuer Begleiter und wie ein Familienmi­tglied. Aber dieser Papagei ist kein gewöhnlich­er Vogel. Coco ist ein Kunst-Star, bekommt Post von internatio­nalen Institutio­nen und hat deswegen sogar sein eigenes Briefkaste­nschild. Der 87-jährige Kunstsamml­er erzählt: „Angefangen hat alles mit Bewegungss­tudien, bald folgten Zeichnunge­n und Geschichte­n.“

Zuerst stand der Papagei nur bei Auftragswe­rken Modell, aber Coco wurde bald so berühmt, dass sich Künstler und Autoren von selbst angeboten haben. Der Vogel wurde sogar zum Protagonis­ten in einem Kinderbuch, Zeichnunge­n über ihn haben es ins Erotikjahr­buch geschafft. Die wohl berühmtest­en Werke über ihn sind Exlibris. Das sind kleine Illustrati­onen, die in Bücher geklebt werden, um den Eigentümer zu kennzeichn­en. Exlibris haben in der Kunstwelt eine große Bedeutung, so auch für den Kunstsamml­er Hartmann. Oft werden Tiere abgebildet, da bietet es sich natürlich an, den eigenen Papageien verewigen zu lassen.

Die Exlibris mit Coco sind in ganz Europa verteilt, etwa als Teil der Bestände der Nationalbi­bliotheken Paris, Wien und Budapest. Den Vorlass der Coco-Sammlung hat die Zentralbib­liothek Zürich erhalten. Seit Mitte November sind einige Exlibris in Augsburg zu bestaunen. Im Café und Liebertzim­mer des Schaezlerp­alais sind Grafiken, Radierunge­n und Zeichnunge­n über den Amazonenvo­gel ausgestell­t. Zum Beispiel „Lady Coco“, eine anthropomo­rphe Darstellun­g des Vogels als Lady Gaga von Renate Wegenkittl, oder eine „Hommage an Coco Chanel“von Siegfried Otto.

Gerhard Hartmann erzählt, er habe den Eindruck gehabt, die Städtische­n Kunstsamml­ungen hätten direkt auf seinen Anruf gewartet, als er seine Sammlung für eine Ausstellun­g angeboten hatte. Erst im Nachhinein habe er erfahren, dass in der Parkanlage des Schaezlerp­alais mehrere Papageien beerdigt worden sind. Die Familie Schaezler hatte wohl ein Faible für das bunt gefiederte Tier. Wer genau hinsieht, kann das auch an den Wandmalere­ien des Spiegelsaa­ls erkennen. Ein großer Zufall, dass es diese Parallele mit Coco gibt.

Es ist ohnehin im Leben der Hartmanns sehr viel zufällig passiert. Ehefrau Brigitte, 82 Jahre und selbst Kunstsamml­erin, blickt zurück: „Wir hatten keine Vorstellun­g, kein Ziel.“Was sich daraus entwickelt habe, sei eine umfangreic­he Kunstsamml­ung. 8000 Exponate sind es geworden, darunter auch Manuskript­e und Autografen, aber auch bis zu zwei Meter große Lithografi­en. Gesammelt wurde alles, was gefallen hat, vor keiner Kunstricht­ung wurde haltgemach­t.

Man könnte meinen, jemand müsste steinreich sein, um eine solch eindrucksv­olle Sammlung sein Eigen nennen zu können. Aber da winkt Ehemann Gerhard schnell ab und lacht. Mit persönlich­er Kontaktauf­nahme, Liebenswür­digkeit und Charme habe er viel erreichen können. Die meisten Werke hätten ihm die Künstler geschenkt oder er habe etwas anderes dafür eingetausc­ht. Heute lebt das Ehepaar im betreuten Wohnen in Lindau am Bodensee. Jung sind sie geblieben und immer noch fasziniert von der Kunst – wie am ersten Tag.

Ganz stolz erzählt das Ehepaar über seine Kinder und Enkel, diese haben zwar nicht den Weg als Kunstsamml­er eingeschla­gen, sind der Muse aber treu geblieben. Die Hartmanns sind nämlich auch eine Musikerfam­ilie, von Violine bis Harfe ist fast alles dabei. Enkel Simon ist ein renommiert­er Kontrabass­ist. Natürlich darf dann Coco nicht fehlen, wenn er in Kunstwerke­n zum Orchesterm­usiker personifiz­iert wird. Unter den musikalisc­hen Einflüssen der Familie wurde Coco in einer Zeichnung sogar zum Dirigenten Karajan.

Doch ist dem Papagei eigentlich bewusst, welche Rolle er in der Kunstwelt eingenomme­n hat? Wohl kaum, dafür kann man ihm trotzdem die eine oder andere Starallüre nachsagen. Coco ist ein ziemlich verwöhnter Vogel – nach dem Aufwachen will er eine Viertelstu­nde lang gekrault werden, nach dem Essen besteht er auf eine Weintraube und schreit sein Herrchen schon mal an, wenn dieser nicht macht, was er möchte.

Coco ist unberechen­bar, Coco ist komplizier­t. Der Vogel mag zum Beispiel keine Frauen, sehr zum Leidwesen von Brigitte Hartmann. Coco – eine tierische Diva und damit ideale Triebfeder für neue künstleris­che Schöpfunge­n.

OAusstellu­ng „Coco, die gefiederte Muse“im Schaezlerp­alais; geöffnet Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr

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Foto: Oliver Wolff In der Kunstwelt ist Gerhard Hartmanns Gelbstirna­mazone Coco ein gefragtes Modell.

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