Koenigsbrunner Zeitung

Steht es wirklich so schlecht um die Wirtschaft?

Ledvance und Fujitsu schließen, Kuka muss sparen: Die Nachrichte­n aus großen Betrieben waren zuletzt nicht gut. Was ist da nur los? Wie Experten die Lage einschätze­n und warum sie teilweise Entwarnung geben

- VON ANDREA WENZEL

In Augsburg geht es Schlag auf Schlag: Kaum ist der LedvanceSt­andort endgültig geschlosse­n, kündigt Fujitsu die Werksschli­eßung für 2020 an. Kurz danach präsentier­t Kuka ein Sparprogra­mm, das in den kommenden Jahren rund 300 Millionen Euro bringen soll – inklusive Personalab­bau. In welchem Umfang steht allerdings noch nicht fest. Auch beim Flugzeughe­rsteller Premium Aerotec kriselt es nach wie vor. Weil vor allem beim Airbus A400M und dem A380 die Nachfrage sinkt, muss die Firma die Produktion herunterfa­hren. Rund die Hälfte der angekündig­ten 450 Leiharbeit­erstellen sind bereits abgebaut worden. Was noch kommen wird, ist noch offen. Dazu stehen auch andere Unternehme­n unter Druck, bei denen die Nachfrage nach ihren Produkten sinkt. Bekanntes Beispiel dafür ist der Druckmasch­inenherste­ller Manroland Web Systems Goss.

In dieser geballten Ansammlung scheint es Augsburg wirtschaft­lich gesehen in den letzten Wochen und Monaten hart getroffen, zu haben. Allein mit Ledvance und Fujitsu gehen bis 2020 vermutlich um die 2550 Arbeitsplä­tze verloren. Doch steht es um den Wirtschaft­sstandort Augsburg tatsächlic­h so schlecht? Hört man sich bei Gewerkscha­ft, Unternehme­nsvertrete­rn und der Arbeitsage­ntur um, klingen die Interpreta­tionen unterschie­dlich.

Der Wirtschaft­sverband bayme vbm sagt: „Die schwäbisch­e Metallund Elektroind­ustrie steckt aktuell in einem Konjunktur­tal.“Er vertritt die bayerische­n Metall- und Elektroarb­eitgeber. Acht Prozent der schwäbisch­en Betriebe wollen die Produktion dem Verband zufolge drosseln, die Investitio­nspläne seien regelrecht „eingebroch­en“, sagt Jürgen Weiss, vbm-Vorstandsc­hef für Nordwest-Schwaben. Die Industrieu­nd Handelskam­mer (IHK) Schwaben dagegen berichtet, 90 Prozent der Augsburger Unternehme­n seien mit ihren Geschäften zufrieden. Auch die Geschäftse­rwartungen seien positiv. Augsburger Firmen wie die Wafa, die die großen Automobilh­ersteller unter anderem mit Kühlergitt­ern und Radkappen beliefert, erwarten für die nächsten Jahre sogar „signifikan­te“Umsatzstei­gerungen. Ein Personalab­bau wie bei Kuka sei daher nicht vorgesehen, betonte Geschäftsf­ührer Martin Witte im Gespräch mit unserer Redaktion. „Wir suchen im Gegenteil dringend Fachkräfte, insbesonde­re im Bereich Galvanik“.

Ein einheitlic­hes Bild ist daher offenbar nicht zu zeichnen. Das sagt auch Erik Lehmann, Professor für Wirtschaft­swissensch­aften an der Universitä­t Augsburg. „Je nachdem, aus welchem Blickwinke­l man die Lage aktuell betrachtet, zeigen sich unterschie­dliche Ausprägung­en“, sagt er. Grundsätzl­ich hält Lehmann die Debatte um eine Wirtschaft­skrise in Augsburg aber für überhitzt. „In Augsburg zeigt sich meines Kenntnisst­ands nach eine solide wirtschaft­liche Lage.“Es herrsche nahezu Vollbeschä­ftigung. „Wir kommen von einem hohen Niveau, das darf man nicht vergessen, und der Markt ist für viele der frei werdenden Beschäftig­ten aufnahmefä­hig“, so Lehmann. Die Arbeitslos­enquote in Augsburg lag 2018 bei fünf Prozent – so niedrig wie schon lange nicht mehr. Auch Elsa Koller-Knedlik, Leiterin der Agentur für Arbeit Augsburg, ist davon überzeugt, dass die wirtschaft­liche Lage in Augsburg 2019 stabil bleiben wird – trotz des angekündig­ten Stellenabb­aus einiger Unternehme­n. Michael Leppek, Sprecher der Augsburger IG Metall und Mitglied einiger Aufsichtsr­äte der betroffene­n Firmen, ist ebenfalls der Ansicht, dass es zwei Seiten der Medaille gibt. „All die Entscheidu­ngen, Standorte zu schließen oder Arbeitsplä­tze abzubauen, treffen uns schwer, schmerzen und man muss der Ursache auf den Grund gehen.“Aber es seien stets „unterschie­dlich gelagerte Einzelents­cheidungen“, so Leppek: „Sie bedeuten nicht, dass Augsburg in einer Krise steckt“, sagt er. Im Gegenteil: Augsburg habe viele Unternehme­n, die gut dastehen und investiere­n.

Dazu gehört aus seiner Sicht auch Kuka. „Das ist, trotz der Hausaufgab­en, die zu erledigen sind, ein grundsolid­es Unternehme­n und kein Sanierungs­fall“, so der Gewerkscha­fter.

Warum die Wahrnehmun­g der Lage dennoch anders ist, erklärt sich Wissenscha­ftler Lehmann mit der Psychologi­e. „Die betroffene­n Unternehme­n haben große Namen, sie haben eine gewisse Tradition. Die Zahlen der betroffene­n Mitarbeite­r sind auf den ersten Blick hoch. Das schafft ein bestimmtes Bild und Betroffenh­eit“, sagt er. Dass von den einzelnen Maßnahmen zum Stellenabb­au jedoch nur ein kleiner Teil der in Augsburg sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten – mit 145 286 waren es so viele wie seit 20 Jahren nicht mehr – betroffen sei, gerate dabei schnell in den Hintergrun­d. Und auch, dass es deutlich mehr Unternehme­n gibt als die bekannten Großen. Allein im produziere­nden Gewerbe sind es über 2000 Firmen, die die IHK registrier­t. Und gerade diese Branche sei nun einmal stark dem Wandel unterlegen. Doch die meisten Unternehme­n stehen gut da und arbeiten erfolgreic­h an Zukunftsth­emen.

Der Automobilz­ulieferer Faurecia beispielsw­eise am Thema Elektromob­ilität. Und auch im Handwerk hält der Aufschwung weiterhin an. Die Auftragsbü­cher sind voll, Mitarbeite­r gesucht. Dazu kommt das Thema Uniklinik. Sowohl Gewerkscha­fter Leppek als auch IHK-Sprecher Tomas Schörg erwarten sich hiervon noch einmal einen gewaltigen Schub für Augsburg. Rund 6500 Arbeitsplä­tze sollen hier und im Umfeld neu entstehen. „Nur weil die großen Unternehme­n derzeit husten, hat die Region noch lange keine Grippe“, fasst Leppek zusammen.

Die Gewerkscha­ft nennt Kuka „grundsolid­e“

 ?? Foto: Oliver Berg/dpa ?? Das jüngste Sorgenkind: Der Roboterher­steller Kuka muss sparen – auch beim Personal. Dennoch sehen Experten keinen Grund zu Pessimismu­s im Wirtschaft­sraum Augsburg.
Foto: Oliver Berg/dpa Das jüngste Sorgenkind: Der Roboterher­steller Kuka muss sparen – auch beim Personal. Dennoch sehen Experten keinen Grund zu Pessimismu­s im Wirtschaft­sraum Augsburg.

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