Eine Partei am Abgrund
Wer wissen will, wie schlecht es der SPD wirklich geht, kann sich den Blick auf die Umfragen der Meinungsforschungsinstitute getrost sparen. Es reicht, die Reaktionen auf die Auftritte von Sigmar Gabriel zu beobachten, um zu wissen: Die SPD taumelt am Abgrund. Ausgerechnet der frühere Vorsitzende wird als Hoffnungsfigur gefeiert. Ausgerechnet der Mann, der mit seiner bisweilen aufbrausenden Art für tiefe Verletzungen in der eigenen Partei gesorgt hat. Als die SPD nach der Bundestagswahl die Losung ausgab, die Partei müsse endlich wieder als Team auftreten, war das vor allem auf den sprunghaften Niedersachsen gemünzt. Doch Gabriel ist eben auch einer, der mitreißen kann, dessen Stimme aus gutem Grund Gewicht hat. Das politische Geschäft ist brutal – das muss Gabriel keiner erzählen.
Er taktiert ganz bewusst. Doch dass ihn der Niedergang der Sozialdemokratie umtreibt, darf man ihm abnehmen. Deshalb versucht er den Spagat: im Gespräch bleiben, ohne in die Überheblichkeit abzudriften. Wenn die nächsten Wahlen dann mit Nahles die 14. SPD-Vorsitzende seit dem Mauerfall wegspülen, muss Gabriel Farbe bekennen: Wagt er sogar die Kanzlerkandidatur für seine Partei? Oder bleibt er auf ewig der Unvollendete?