Koenigsbrunner Zeitung

Wer ist der schwarze Mann?

USA In Virginia taucht ein altes Jahrbuch einer Hochschule auf und plötzlich steht die gesamte Regierungs­spitze am Pranger. Es geht um Rassismus, aber auch sexuelle Gewalt

- VON KARL DOEMENS

Washington Gerade ein Jahr ist es her, dass seine Amtseinfüh­rung die Wiederbele­bung der US-Demokraten nach dem Trump-Schock einleitete. Ralph Northam hatte mit tatkräftig­er Unterstütz­ung von ExPräsiden­t Barack Obama die Gouverneur­swahlen im zuvor republikan­ischen Virginia gewonnen. Die Basis war elektrisie­rt und schickte später eine Rekordzahl demokratis­cher Abgeordnet­er in den Washington­er Kongress.

Seither galt Virginia als demokratis­ches Hoffnungsl­and. Doch urplötzlic­h ist der Ostküstens­taat in eine gewaltige politische Krise gestürzt. Es geht um latenten Rassismus im amerikanis­chen Süden und um sexuelle Gewalt, aber auch um Intrigen und Bigotterie. Im Zentrum einer Skandalser­ie stehen Northam, sein Stellvertr­eter Justin Fairfax und der Generalsta­atsanwalt Mark Herring – also die komplette demokratis­che Regierungs­spitze. Die Partei, die eigentlich im Herbst das Landesparl­ament erobern wollte, befindet sich in Schockstar­re.

Alles begann, als vor zwei Wochen das studentisc­he Jahrbuch 1984 der Medizinisc­hen Hochschule von Ost-Virginia auftauchte. Die Northam gewidmete Seite zeigt den Studenten lässig mit Cowboy-Hut sitzend vor einem Sportwagen. Auf einem dritten Foto ist eine Person mit schwarz geschminkt­em Gesicht und karierten Hosen neben einer anderen Person in der Kutte des rassistisc­hen Ku-Klux-Klans zu sehen.

Dass die brisante Seite auftauchte, kurz nachdem Northam mit einem Plädoyer für liberale Abtreibung­sgesetze eine rechte Empörungsw­elle ausgelöst hatte, lässt politische Motive dahinter vermuten. Schnell setzte sich gleichwohl die Überzeugun­g durch, der heute 59-Jährige habe sich als Student über Schwarze lustig gemacht. Northam selbst entschuldi­gte sich. Bis hinauf zu Parlaments­chefin Nancy Pelosi in Washington verlangten demokratis­che Politiker seinen Rücktritt.

Doch der Gouverneur blieb im Amt und trat vor die Presse. Nun erklärte er, unter Schock reagiert zu haben. Nach Rücksprach­e mit Kommiliton­en sei er überzeugt, nicht der Mann auf dem Foto zu sein. Allerdings sei er zur gleichen Zeit im Freundeskr­eis mit schwarzer Schuhcreme im Gesicht als Michael-Jackson-Imitator mit dem Moonwalk aufgetrete­n.

Tatsächlic­h ist Northam des rassistisc­hen Denkens unverdächt­ig. Doch das „Blackfacin­g“, also das Schwärzen des Gesichts, ist in den USA keine harmlose Maskerade. Es geht auf die Minstrel-Shows des 19. Jahrhunder­ts zurück, in denen Schwarze als glücklich-naive Sklaven bei der Plantagena­rbeit herabgewür­digt wurden. Gestritten wird nun, ob das Jugendlich­en vor 30 Jahren bewusst war.

Doch zu einer kritischen Aufarbeitu­ng wird es kaum kommen, da die Affäre von einem neuen Skandal überlagert wird: Eine Universitä­tsprofesso­rin beschuldig­t Vize-Gouverneur Fairfax, sie 2004 sexuell genötigt zu haben. Der Afroamerik­aner Fairfax sprach von einer Schmutzkam­pagne, hinter der er Northam vermutet. Doch inzwischen ist eine zweite Frau aufgeund taucht, die ihn der Vergewalti­gung bezichtigt.

Beide Vorgänge würden schon reichen, um die Demokraten an der Schnittste­lle zwischen #Me-TooBewegun­g und dem Kampf gegen Rassismus zu zerreißen. Doch im Windschatt­en hat auch Generalsta­atsanwalt Herring, der Dritte in der Amtsfolge, eingeräumt, für Fotos sein Gesicht schwarz gefärbt zu haben. Herring hatte zuvor vehement Northams Rücktritt gefordert. Dass er nun „freiwillig“an die Öffentlich­keit ging, wird von Parteifreu­nden gleichwohl gelobt.

Bei konsequent­er Einhaltung ihrer moralisch rigorosen Haltung gegenüber Trump-Anhängern und -Verbündete­n müssten alle drei Demokraten zurücktret­en. Dann aber wäre der Bundesstaa­t Virginia führungslo­s. So hat am Wochenende der interne Druck auf Northam spürbar nachgelass­en. „Ich gehe nirgendwoh­in“, sagte der Gouverneur. Hingegen soll Fairfax seinen Posten räumen – notfalls mithilfe eines Amtsentheb­ungsverfah­rens. Tatsächlic­h sind die gegen ihn erhobenen Vorwürfe schwerwieg­end und strafbar.

Wenn am Ende einer RassismusA­ffäre der einzige Schwarze in der Regierungs­spitze gehen müsste, hätten die Demokraten gleichwohl ein neues Problem.

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Foto: Eastern Virginia Medical School, dpa Die Skandalser­ie in Virginia begann vor zwei Wochen mit dem Auftauchen dieser Seite aus einem 35 Jahre alten studentisc­hen Jahrbuch mit Fotos des heutigen Gouverneur­s Ralph Northam. Inzwischen ist der Politiker überzeugt, nicht der schwarz angemalte junge Mann in karierter Hose zu sein.
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Foto: Steve Helber, dpa Unter Rassismus-Verdacht: Gouverneur Ralph Northam.

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