Bizarrer Streit um bosnische Schlager-musik
Gericht verurteilt Besitzer eines Tonstudios wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe
Plagiate sind in der Musikwelt keine Seltenheit. „Sweet Lord“, von Beatle George Harrison ist eines der bekanntesten Plagiate der Musikgeschichte, es zog einen langen, millionenteuren Rechtsstreit nach sich. Ähnlich heftig können sich Hobbymusiker streiten, auch wenn sie nicht im öffentlichen Rampenlicht stehen.
Von einer wahren „Kaskade“an Klagen und Gegenklagen spricht der Augsburger Strafverteidiger Hermann Kühn, der sein Mandant sich ausgesetzt sehe. Der Fall beschäftigt Gerichte und Polizei schon seit Langem; und das nicht nur in Augsburg. Gestritten wird um Verwertungsrechte an in bosnischer Sprache aufgenommenen Schlagern. Ein junger Bosnier, der während des Jugoslawienkriegs aus seiner Heimat floh und in Augsburg lebt, hat sie hier komponiert, getextet und vertont. Als Sängerin konnte er die bei Landsleuten populäre Sängerin Mirsada Cizmic gewinnen. Die Lieder wurden aufgenommen in Tonstudios in Augsburg und Wien. Das liegt schon mehr als 20 Jahre zurück. Spielt jetzt aber wieder eine Rolle, denn seit 2008 sind die damaligen Aufnahmen unter einem neuen Label wieder am Markt, werden als CD angeboten und im Internet als Musikvideo hochgeladen.
Doch wem gehören die Nutzungsrechte an den Musiktiteln? Diese Frage hat fürs erste die Augsburger Amtsrichterin Melanie Koch entschieden. Das Gericht verurteilte den 51 Jahre alten Angeklagten, Besitzer eines Tonstudios in Augsburg, wegen Urkundenfälschung in mehreren Fällen zu einer Geldstrafe von 5400 Euro. Sein Verteidiger Hermann Kühn, der für seinen Mandanten auf Freispruch plädierte, wird gegen das Urteil in Berufung gehen. Kühn sieht zu viele Ungereimtheiten in dem Streit um Nutzungsrechte, mit dem sich schon Zivilgerichte in Berlin und Augsburg befasst haben.
Mit dem jetzt verkündeten Urteil, zieht die Justiz rund 300 Verträge ein, die angeblich der Angeklagte mit dem Komponisten und Texter schloss. Nur haben viele den Makel, anscheinend gefälscht zu sein. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls das bayerische Landeskriminalamt. Auf Antrag des Verteidigers wurde die Gutachterin zum Prozess geladen. Denn, wie die Schriftsachverständige vor Gericht erläuterte, hat sie Hinweise auf Fälschungen gefunden. Aber völlig sicher war sie sich nicht, weil ihr zu wenig Schriftproben vorgelegen hätten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Unterschriften sich im Laufe der Jahre ändern können.
Für den Schuldspruch war nach Angaben des Gerichts auch die Aussage des als Zeugen gehörten Komponisten entscheidend. „Ich habe gar nix unterschrieben, Verträge nie gesehen“, sagte der Bosnier aus. Der Vater des heute 46-Jährigen hatte Ende der 90er-jahre in Augsburg eine Diskothek aufgemacht und wiederholt Musiker ihrer Heimat für Live-auftritte eingeladen. Sein Sohn, selbst Musiker, hatte damals das Tonstudio des Angeklagten mehrfach gemietet. „Ich wollte Demo-versionen meiner Kompositionen machen“, sagte der Zeuge. Für die Aufnahmen war damals die bosnische Schlagersängerin Mirsada Cizmic eigens nach Augsburg gekommen. 20 Jahre später aus Wien zum Prozess angereist, geriet ihr Zeugenauftritt dramatisch. Wütend schrie die 53-Jährige während ihrer Aussage: „Warum tust Du mir das an?“Mirsada Cizmic macht dem Angeklagten den Vorwurf, verantwortlich zu sein, dass sie heute als Putzfrau arbeiten muss. Dieser habe ihre Engagements als Sängerin dadurch torpediert, dass er von Veranstaltern für seine Nutzungsrechte Geld verlangt habe. Sie selbst, sagte die Zeugin, hat von ihren verkauften Songs „nicht einen Cent gesehen“.