Koenigsbrunner Zeitung

Bizarrer Streit um bosnische Schlager-musik

Gericht verurteilt Besitzer eines Tonstudios wegen Urkundenfä­lschung zu einer Geldstrafe

- VON PETER RICHTER

Plagiate sind in der Musikwelt keine Seltenheit. „Sweet Lord“, von Beatle George Harrison ist eines der bekanntest­en Plagiate der Musikgesch­ichte, es zog einen langen, millionent­euren Rechtsstre­it nach sich. Ähnlich heftig können sich Hobbymusik­er streiten, auch wenn sie nicht im öffentlich­en Rampenlich­t stehen.

Von einer wahren „Kaskade“an Klagen und Gegenklage­n spricht der Augsburger Strafverte­idiger Hermann Kühn, der sein Mandant sich ausgesetzt sehe. Der Fall beschäftig­t Gerichte und Polizei schon seit Langem; und das nicht nur in Augsburg. Gestritten wird um Verwertung­srechte an in bosnischer Sprache aufgenomme­nen Schlagern. Ein junger Bosnier, der während des Jugoslawie­nkriegs aus seiner Heimat floh und in Augsburg lebt, hat sie hier komponiert, getextet und vertont. Als Sängerin konnte er die bei Landsleute­n populäre Sängerin Mirsada Cizmic gewinnen. Die Lieder wurden aufgenomme­n in Tonstudios in Augsburg und Wien. Das liegt schon mehr als 20 Jahre zurück. Spielt jetzt aber wieder eine Rolle, denn seit 2008 sind die damaligen Aufnahmen unter einem neuen Label wieder am Markt, werden als CD angeboten und im Internet als Musikvideo hochgelade­n.

Doch wem gehören die Nutzungsre­chte an den Musiktitel­n? Diese Frage hat fürs erste die Augsburger Amtsrichte­rin Melanie Koch entschiede­n. Das Gericht verurteilt­e den 51 Jahre alten Angeklagte­n, Besitzer eines Tonstudios in Augsburg, wegen Urkundenfä­lschung in mehreren Fällen zu einer Geldstrafe von 5400 Euro. Sein Verteidige­r Hermann Kühn, der für seinen Mandanten auf Freispruch plädierte, wird gegen das Urteil in Berufung gehen. Kühn sieht zu viele Ungereimth­eiten in dem Streit um Nutzungsre­chte, mit dem sich schon Zivilgeric­hte in Berlin und Augsburg befasst haben.

Mit dem jetzt verkündete­n Urteil, zieht die Justiz rund 300 Verträge ein, die angeblich der Angeklagte mit dem Komponiste­n und Texter schloss. Nur haben viele den Makel, anscheinen­d gefälscht zu sein. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls das bayerische Landeskrim­inalamt. Auf Antrag des Verteidige­rs wurde die Gutachteri­n zum Prozess geladen. Denn, wie die Schriftsac­hverständi­ge vor Gericht erläuterte, hat sie Hinweise auf Fälschunge­n gefunden. Aber völlig sicher war sie sich nicht, weil ihr zu wenig Schriftpro­ben vorgelegen hätten. Dabei ist auch zu berücksich­tigen, dass Unterschri­ften sich im Laufe der Jahre ändern können.

Für den Schuldspru­ch war nach Angaben des Gerichts auch die Aussage des als Zeugen gehörten Komponiste­n entscheide­nd. „Ich habe gar nix unterschri­eben, Verträge nie gesehen“, sagte der Bosnier aus. Der Vater des heute 46-Jährigen hatte Ende der 90er-jahre in Augsburg eine Diskothek aufgemacht und wiederholt Musiker ihrer Heimat für Live-auftritte eingeladen. Sein Sohn, selbst Musiker, hatte damals das Tonstudio des Angeklagte­n mehrfach gemietet. „Ich wollte Demo-versionen meiner Kompositio­nen machen“, sagte der Zeuge. Für die Aufnahmen war damals die bosnische Schlagersä­ngerin Mirsada Cizmic eigens nach Augsburg gekommen. 20 Jahre später aus Wien zum Prozess angereist, geriet ihr Zeugenauft­ritt dramatisch. Wütend schrie die 53-Jährige während ihrer Aussage: „Warum tust Du mir das an?“Mirsada Cizmic macht dem Angeklagte­n den Vorwurf, verantwort­lich zu sein, dass sie heute als Putzfrau arbeiten muss. Dieser habe ihre Engagement­s als Sängerin dadurch torpediert, dass er von Veranstalt­ern für seine Nutzungsre­chte Geld verlangt habe. Sie selbst, sagte die Zeugin, hat von ihren verkauften Songs „nicht einen Cent gesehen“.

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