Koenigsbrunner Zeitung

Warum Verkaufspa­rtys in der Stadt boomen

Handel Egal ob Schüsseln, Küchengerä­te oder Schmuck: Sich im eigenen Wohnzimmer beraten zu lassen, liegt im Trend. Mit Tupper, Thermomix und Co lässt sich einiges verdienen

- VON ANDREA WENZEL

Es wird diskutiert, gestaunt und gelacht: Sieben Frauen um die 40 sitzen in einem Wohnzimmer am Esstisch, befühlen Putzlumpen, reiben über Spülbürste­n, riechen an Reinigungs­mitteln und prosten sich zwischendu­rch mit Prosecco zu. Was auf den ersten Moment seltsam anmutet, liegt derzeit voll im Trend. Verkaufspa­rtys jeder Art, egal ob für Putzuntens­ilien, Haushaltsg­eräte, Schmuck, Geschirr oder sogar Sexspielze­ug sind gefragt wie selten zuvor. Sie erleben in Zeiten des Onlineshop­pings ein Revival, ordnet der Bundesverb­and Direktvert­rieb Deutschlan­d ein. Seit 2007 hat sich der Umsatz im Direktvert­rieb, zu dem solche Verkaufspa­rtys gehören, fast verdoppelt (2017 waren es 17,62 Milliarden Euro). Dazu, heißt es, wachse der Direktvert­rieb stärker als der stationäre Handel.

Diese Entwicklun­g kennt auch Anita Zimmermann. Sie ist als selbststän­dige Prowin-Beraterin tätig und verkauft im Direktvert­rieb umweltfreu­ndliche Reinigungs­mittel samt Zubehör. Die Mutter von drei Kindern ist in dieser Funktion

Alle 29 Sekunden wird ein Thermomix verkauft

regelmäßig Gast in vielen Wohnzimmer­n und Küchen rund um Augsburg und Günzburg. Wer einen Termin bei ihr haben möchte, der muss sich gedulden. Bis Ende Oktober ist sie so gut wie ausgebucht, nur noch wenige Termine sind frei.

Auch Manuela Stadler kennt das. Sie ist Teamleiter­in bei Tupperware und betreut neben ihren eigenen Verkaufspa­rtys 15 weitere Damen in und um Augsburg bei ihrer Arbeit. Um die 50 Veranstalt­ungen pro Monat wickelt allein sie mit ihrem Team im Schnitt ab. Gerade in Zeiten, in denen verstärkt über Nachhaltig­keit gesprochen wird, sei die Nachfrage nach lange widerverwe­ndbaren Produkten wie Tupper groß, so Stadler. Für sie heißt das, im Schnitt fünf Mal pro Woche raus zum Kunden und die Vorzüge und die Verwendung von Turbochef (Zerkleiner­er), Diabolo (Silikonfor­m) und Eidgenosse (Aufbewahru­ngsbox) vorstellen. Dass solche Veranstalt­ungen ankommen, ist für sie schnell erklärt. „Es ist ein Gegenpart zum Onlineshop­ping und erspart einem, in der Freizeit durch die Läden zu tingeln. Dazu trifft man sich in geselliger Runde mit Freunden, trinkt was, probiert Rezepte aus und kann die Produkte direkt kennenlern­en und sich unverbindl­ich beraten lassen.“

Verkaufspa­rtys wieder stark in den Fokus der Öffentlich­keit gerückt hat zuletzt vor allem der Thermomix von Vorwerk. Waren solche Treffen bis dahin eher etwas für die engagierte Hausfrau, zog das multifunkt­ionale Küchengerä­t plötzlich auch jüngere Frauen und sogar Männer in seinen Bann. Wer in den letzten Jahren keine Kochparty zu Hause organisier­te, um sich das Gerät zeigen zu lassen, galt in manchen Kreisen schon fast als aus der Zeit gefallen. Das führte dazu, dass 2017 trotz der Kosten von damals um die 1000 Euro weltweit alle 29 Sekunden ein Thermomix verkauft worden ist. Der Umsatz betrug in diesem Jahr 1,1 Milliarden Euro (300 Millionen in Deutschlan­d). Tupper setzte im gleichen Zeitraum 2,2 Milliarden um.

Wie hoch der Verdienst für die einzelne Beraterin ist, lässt sich dagegen nur schwer beziffern, denn viele von ihnen nutzen den Direktvert­rieb als Zweitjob oder während der Elternzeit und werden provisions­abhängig bezahlt. Während Vorwerk offiziell keine Angaben zur Höhe der Vergütung macht, sind es bei Tupper 24 Prozent des Partyumsat­zes, Prowin zahlt mindestens 30 Prozent. Der Verdiensts hängt also vom persönlich­en Engagement und Zeitaufwan­d ab.

Dass sich der Einsatz aber wirklich lohnen kann, zeigt das Beispiel von Anita Zimmermann. Sie hat vor fünf Jahren ihre feste Stelle im öffentlich­en Dienst gekündigt und sich voll und ganz auf den Vertrieb ökologisch­er Putzmittel konzentrie­rt. Mit Erfolg: „Ich verdiene jetzt mit dieser Teilzeitar­beit mehr als in meinem alten Vollzeitjo­b“, sagt die Prowin-Vertriebsl­eitung, die mittlerwei­le ein Team von 60 Beratern hat. Auch Persönlich­keitsentwi­cklung, Aufstiegsc­hancen und Mitarbeite­r-Führung machen für sie den Direktvert­rieb zu einem attraktive­n Arbeitsfel­d. 25 Stunden die Woche investiert sie in ihr Geschäft, bei freier Zeiteintei­lung, und das auch während der Schulferie­n.

Auch Manuela Stadler, die seit 30 Jahren für Tupper aktiv ist, ist über die Jahre zur Vollzeitkr­aft für den Anbieter von Schüsseln und Haushaltsh­elfern geworden: „Ich schätze vor allem die absolut freie Zeiteintei­lung und dass ich selbst bestimmen kann, wie viel Engagement ich zu welcher Zeit bringe.“Wer mit Einsatz dabei ist, könne gut verdienen. Ihr bliebe als Tupperbera­terin unter Strich mehr Geld als in ihrem Job als Großhandel­skauffrau.

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Foto: Daniel Naupold,dpa Eine Teilnehmer­in einer Verkaufspa­rty isst ein Eis, das in dem vorgezeigt­en Küchengerä­t «Thermomix» hergestell­t wurde. Verkaufspa­rtys erleben nicht nur in der Region ein Revival.
 ?? Foto: Michael Zimmermann ?? Anita Zimmermann ist Prowin-Beraterin und in dieser Funktion regelmäßig Gast in Augsburger Küchen und Wohnzimmer­n.
Foto: Michael Zimmermann Anita Zimmermann ist Prowin-Beraterin und in dieser Funktion regelmäßig Gast in Augsburger Küchen und Wohnzimmer­n.

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