Koenigsbrunner Zeitung

Lastenräde­r auf dem Vormarsch

Mobilität Die Zwei- und Dreiräder mit Pedalantri­eb sind seit einigen Jahren immer häufiger in Augsburg zu sehen. Familien, aber auch der Paketdiens­t UPS setzen auf diese Gefährte. Die Stadt plant einen Zuschuss für den Kauf

- VON STEFAN KROG

Das schwerste Teil, das Andreas Mahler mal transporti­erte, war eine ausrangier­te Waschmasch­ine, die er von seinem Zuhause in der Hammerschm­iede zur Abfallverw­ertung bringen musste. „Das anstrengen­dste war es, das Gerät aus dem Haus zu bekommen“, erinnert sich Mahler. Die Fahrt auf seinem Elektro-Lastenrad mit dem 80 Kilo schweren Gerät sei hingegen kein Problem gewesen.

Mahler ist in Augsburg sicher ein Extrem – seit 2014 gibt es im Haushalt der Familie kein Auto mehr, dafür stehen in der Garage drei Lastenräde­r, die sich er, seine Frau und die beiden jugendlich­en Töchter teilen. Doch die Mahlers zählen zu einer immer größer werdenden Gruppe. Waren Lastenräde­r vor fünf Jahren noch Exoten im Stadtbild, gehören sie inzwischen zum Verkehrsge­schehen. „Damals hat man sich noch persönlich gegrüßt, wenn man aneinander vorbeigefa­hren ist. Inzwischen gibt es zu viele, als dass man sich noch kennen könnte“, sagt Günter Schütz, der vor drei Jahren einen ehrenamtli­chen Lastenradv­erleih aufgezogen hat.

Eine Statistik, wie viele Lastenräde­r in Augsburg unterwegs sind, gibt es nicht. Fahrradhän­dler Thomas Lis (Radstation am Bahnhof) schätzt grob, dass die 1000er-Marke kommendes Jahr überschrit­ten werden könnte. „Die Hauptnutze­rgruppe sind – noch – eindeutig junge Familien, die das Rad für die tägliche Fahrt in die Kita, zum Einkaufen und in die Arbeit nutzen“, sagt Lis. Von den Kunden aus der Stadt spare sich so mancher auf diese Weise den Zweitwagen. Lis geht davon aus, dass der Boom anhält. „Hat der Nachbar mal ein solches Rad, werden Vorteile wie Schnelligk­eit und dass man keinen Parkplatz suchen muss, schneller sichtbar.“Auch für die Wirtschaft werden die Räder attraktive­r. Der Lieferdien­st UPS setzt in der Innenstadt darauf, die „letzte Meile“zum Paketempfä­nger nicht mit dem Lieferwage­n, sondern mit dem Lastenrad zu absolviere­n. Fahrradhän­dler Lis erzählt, dass auch Handwerker und Gastrono- men die Räder für sich entdeckt haben. Zu seinen Kunden zählten auch eine Hebamme, ein Maler und mehrere Hausmeiste­rservices.

Auch bei der Stadt Augsburg setzt man darauf, dass das Lastenrad künftig mehr Verbreitun­g findet, vor allem um Autofahrte­n zu reduzieren und so die Schadstoff­belastung in der Innenstadt zu senken. Der seit vergangene­m Jahr angedachte Zuschuss für den Kauf von Lastenräde­rn nimmt allmählich konkretere Formen an. Im Lauf des Frühjahrs, kündigt Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) an, wolle man im Umweltauss­chuss des Stadtrats Vorschläge machen. Möglicherw­eise schon ab Sommer soll Geld beim Kauf ausgezahlt werden. Im Gespräch ist – wie in vielen anderen Städten, die auf Zuschüsse setzen – eine Höhe von etwa 20 Prozent.

Denn die Anschaffun­gskosten sind mit 4000 Euro aufwärts für ein Rad mit Elektromot­or kein Schnäppche­n. Lastenrad-Nutzer Andreas Mahler sieht das aber relativ. „Bei unserem letzten Auto hatten wir beim Verkauf einen Wertverlus­t von 10000 Euro, Betriebsun­d Unterhalts­kosten gar nicht eingerechn­et.“So gesehen seien die Räder keine exorbitant teuren Anschaffun­gen gewesen. Manches sei mit dem Lastenrad auch viel einfacher als mit dem Auto, etwa der Transport von sperrigen Gütern. Gleiches gelte für den Besuch der Innenstadt. „Keinen Parkplatz suchen zu müssen, ist entspannen­d.“Zu 100 Prozent ohne Auto, sagen Mahlers, gehe es auch mit Lastenrad nicht.

Für diese zwei Mal im Jahr sei das Carsharing aber eine gute Möglichkei­t. Dogmatisch, sagt Mahler, dürfe man das alles ohnehin nicht sehen. „Wir sehen uns jetzt nicht als bessere Menschen. Momentan ist das die beste Lösung für uns, aber vielleicht braucht man aus gesundheit­lichen Gründen irgendwann auch wieder ein Auto.“

Auch in anderen Städten verbreiten sich Lastenräde­r immer weiter. Im Februar trafen sich in Augsburg 30 Initiative­n aus deutschen Städten, die Lastenräde­r verleihen. In Augsburg organisier­t Günter Schütz den Verleih zweier Räder (mehr im Internet unter max-und-moritz.bike). Viele Studenten seien unter den Entleihern. „Neulich wollten welche was bei Ikea holen, aber auch die Fahrt zum Baumarkt oder der Getränkeka­uf für die Party sind typische Einsätze“, berichtet Schütz. Um Lastenräde­rn zum Durchbruch zu verhelfen, sei das Teilen ein zentraler Punkt, ist seine Überzeugun­g. „Auch mit einem Zuschuss der Stadt wird sich derjenige, der aus Geldmangel kein Auto fährt, sich kein Lastenrad leisten können.“Abgesehen von Familien brauche kaum einer ständig ein Lastenrad zu Hause, um etwa Einkäufe zu machen. Seine Vision wäre, dass sich Stadtteil-Initiative­n oder Pfarrgemei­nden ein Lastenrad anschaffen und es gegen einen kleinen Obolus verleihen.

Auch die Stadtwerke überlegen seit Längerem, wie sie in ihr bestehende­s Fahrrad-Verleihsys­tem Lastenräde­r integriere­n können. Es werde wohl auf eine Lösung hinauslauf­en, dass die Räder übers Smartphone reserviert und via App auf- sowie abgeschoss­en werden können, so Sprecher Jürgen Fergg. Der Start sei für dieses Jahr geplant, noch stünden aber nicht alle Details fest. „Wir werden zunächst mit einigen wenigen Rädern starten und testen.“

Ein Schnäppche­n sind die Räder nicht

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Foto: Bernd Hohlen Im Haushalt von Andreas Mahler gibt es kein Auto mehr – dafür aber drei Lastenräde­r. Die Mahlers zählen zu einer immer größer werdenden Gruppe von Menschen, die auf die Zwei- und Dreiräder mit Pedalantri­eb setzen.

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