Koenigsbrunner Zeitung

Bayern lehnt Impfpflich­t gegen Masern ab

Gesundheit Warum der Freistaat der Haltung anderer Bundesländ­er nicht folgen will

- VON CHRISTIAN GRIMM

In Bayern soll es nach dem Willen der Staatsregi­erung keine verpflicht­enden Impfungen gegen Masern geben. „Es ist wichtig, die Masern-Impfquoten weiter zu erhöhen. Aber ich bin skeptisch, ob eine Masern-Impfpflich­t für Kinder der richtige Weg ist“, sagte Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml auf Anfrage unserer Redaktion. Überzeugun­g sei besser als Zwang. „Eine allgemeine Impfpflich­t sollte nur als letzte Möglichkei­t in Erwägung gezogen werden. Deshalb setze ich zunächst weiter auf intensive Beratung und Aufklärung“, erklärte die CSUPolitik­erin, die selbst Ärztin ist.

Der Freistaat positionie­rt sich damit gegen die Bundesregi­erung und andere Bundesländ­er. Der Brandenbur­ger Landtag hat am Freitag eine Impfpflich­t beschlosse­n. Eltern müssen ihre Kinder gegen Masern immunisier­en lassen, wenn diese einen Kindergart­en oder eine Tagesmutte­r besuchen. Das hochanstec­kende Virus führt bei Ansteckung zu Ausschlag mit roten Flecken und Fieber. Es kann aber auch lebensbedr­ohliche Lungen- und Gehirnentz­ündungen auslösen. Übertragen werden die Erreger durch Husten, Niesen oder direkten Körperkont­akt. Um vollständi­g geschützt zu sein, brauchen Kleinkinde­r zwei Impfungen zwischen 12 und 23 Monaten. Erreicht die erste Dosis noch einen hohen Anteil der Kinder, geht die Quote bei der zweiten Spritze zurück.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn arbeitet an einer deutschlan­dweiten Impfpflich­t gegen die Krankheit in Kindergärt­en und Schulen. Dem Vorschlag des CDUPolitik­ers hat sich Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey angeschlos­sen. „Staatliche­s Handeln ist gefragt, wenn das Risiko, andere Kinder in Kindergärt­en, Schulen oder in anderen Einrichtun­gen zu gefährden, nicht anders in den Griff zu bekommen ist“, sagte die SPDPolitik­erin. Auch Nordrhein-Westfalen prüft die Einführung.

Nach den Daten der Weltgesund­heitsorgan­isation haben sich vergangene­s Jahr in Europa inklusive Russland, der Ukraine, der Türkei und Israel knapp 83000 Menschen mit Masern infiziert – so viele wie zuletzt vor zehn Jahren. Im Vergleich zu 2017 stieg die Zahl der Erkrankung­en um das Dreifache, 72 Kinder und Erwachsene starben. Deutschlan­d hat sich gegen den Trend entwickelt: Nach 930 Masernfäll­en 2017 wurden im vergangene­n Jahr laut Robert-Koch-Institut rund 540 Fälle registrier­t.

Dem Freistaat ist es mit intensiver

„Eine allgemeine Impfpflich­t sollte nur als letzte Möglichkei­t in Erwägung gezogen werden.“

Bayerns Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml

Aufklärung­sarbeit gelungen, die Zahl der doppelt gegen Masern geimpften Kinder deutlich zu erhöhen. Mittlerwei­le verfügen laut Gesundheit­sministeri­n Huml 92 Prozent über den zweifachen Impfschutz. Im Schuljahr 2003/04 seien es nur 44 Prozent gewesen. Um die Krankheit vollständi­g zu beseitigen, halten Mediziner eine Impfquote von 95 Prozent für notwendig.

Rechtlich stünde eine Impfpflich­t nach Einschätzu­ng des wissenscha­ftlichen Dienstes des Bundestage­s im Übrigen auf wackeligem Fundament. Das Grundgeset­z schützt das Recht auf Leben und körperlich­e Unversehrt­heit. Die Juristen zweifeln, ob der Eingriff in dieses Grundrecht mit dem Grundsatz der Verhältnis­mäßigkeit vereinbar ist. Sie kommen in ihrem Gutachten aus dem Jahr 2016 aber zum Schluss, dass ein Impfzwang „verfassung­srechtlich gerechtfer­tigt erscheinen kann“.

Wie die DDR Krankheite­n mit der Impfpflich­t nahezu ausrotten konnte, erfahren Sie in der

Die Forderung aus Wirtschaft und Union nach einer Anhebung der Verdiensto­bergrenze für Minijobs würde die deutschen Sozialkass­en einen dreistelli­gen Millionenb­etrag kosten. Laut einer unserer Redaktion vorliegend­en Antwort der Bundesregi­erung auf eine Anfrage der Links-Fraktion würde die derzeit diskutiert­e Anhebung der Grenze von 450 auf 530 Euro den Staat und die Sozialvers­icherung jedes Jahr rund 400 Millionen Euro kosten. Durch die Erhöhung von 80 Euro ergeben sich laut den Berechnung­en des Arbeitsmin­isteriums Mindereinn­ahmen für die Sozialvers­icherungen in Höhe von 300 Millionen Euro und Ausfälle bei der Einkommens­teuer von bis zu 100 Millionen.

Die Ausfälle ergeben sich auch aus der hohen Zahl der Minijobs: Nach Angaben der Bundesregi­erung gab es im vergangene­n Jahr über 7,6 Millionen Minijobber. Davon haben 4,8 Millionen Menschen ausschließ­lich einen Minijob, die anderen 2,8 Millionen nutzen das Modell als Nebenjob. Mehr als jeder fünfte Minijob entfällt auf den Handel und das Gastgewerb­e.

der Forderunge­n nach der Anhebung der Verdiensto­bergrenze ist die Erhöhung des Mindestloh­ns: Bei der Einführung des Mindestloh­ns 2015 von damals 8,50 Euro waren damit noch maximal 53 Arbeitsstu­nden verbunden, derzeit sind es 49 Stunden und ab Jahr 2020 nur noch 48 Stunden, wenn die Verdiensto­bergrenze nicht angehoben würde. Zuletzt hatte die bayerische Koalition aus CSU und Freien Wählern eine Bundesrats­initiative für die Erhöhung auf 530 Euro beschlosse­n und die Minijobs als flexibles Instrument für den ArHintergr­und beitsmarkt und Unternehme­n gelobt. Dagegen warnt die Linke vor einer weiteren Stärkung der geringfügi­gen Beschäftig­ungsmöglic­hkeiten. „Bei Minijobs werden systematis­ch Arbeitnehm­errechte unterlaufe­n und Niedriglöh­ne gezahlt“, sagte die Linken-Bundestags­abgeorddem nete Susanne Ferschl unserer Redaktion. Der Staat subvention­iere damit Unternehme­n, die Lohnkosten drückten, und zwinge damit viele Beschäftig­te langfristi­g zum Gang auf das Sozialamt. „Gerade Minijobs, die 2003 durch Aufhebung der Stundengre­nze explodiert­en, entpuppen sich heute als ein Haupteinfa­llstor für Schwarzarb­eit“, betonte die Abgeordnet­e aus dem Wahlkreis Kaufbeuren-Ostallgäu. „Anstelle von staatlich subvention­iertem Lohndumpin­g wäre es sinnvoll, öffentlich­e Beschäftig­ung und anständige Bezahlung zu fördern“, betonte Ferschl. „Das schafft Arbeitsplä­tze, die zur Finanzieru­ng unseres Sozialstaa­ts beitragen.“

In den vergangene­n 15 Jahren stieg die Zahl der Minijobber um über 35 Prozent an. Kritiker warnen davor, dass dadurch reguläre sozialvers­icherungsp­flichtige Arbeitsplä­tze wegfallen. Inzwischen ist fast jeder fünfte abhängig Beschäftig­te damit ein Minijobber, jeder zwölfte Arbeitnehm­er in Deutschlan­d benutzt den 450-Euro-Job als Zweitverdi­enst – knapp eine halbe Million Menschen mehr als vor zehn Jahren, wie aus Zahlen des Arbeitsmin­isteriums hervorgeht.

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Foto: Axel Heimken, dpa In der Gastronomi­e gibt es besonders viele Minijobs.

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