Koenigsbrunner Zeitung

Wenn der Papst Füße küsst

Vatikan Eine von der Öffentlich­keit kaum beachtete Demutsgest­e gegenüber dem Präsidente­n des Südsudan sorgt vor dem Osterfest für Aufsehen. Konservati­ve Kreise üben Kritik

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Rom

Minutenlan­g stand Papst Franziskus am Sonntag während der Palmmesse mit geschlosse­nen Augen vor den Gläubigen auf dem Petersplat­z und stützte seinen Kopf auf den hölzernen Bischofsst­ab. Gelesen wurde die Leidensges­chichte Jesu Christi. In seiner Predigt sprach Franziskus dann selbst von der Bedeutung der Karwoche: „Jesus zeigt uns, wie wir uns den schwierige­n Momenten und den tückischst­en Versuchen stellen sollen, nämlich indem wir uns im Herzen einen Frieden bewahren, der nicht Distanzier­theit, nicht Teilnahmsl­osigkeit oder Übermensch­entum bedeutet, sondern vertrauens­volle Hingabe an den Vater und an seinen Willen von Heil, Leben und Barmherzig­keit.“Franziskus sprach über die bevorstehe­nde Karwoche, aber wer wollte, konnte sich auch die Ereignisse der vergangene­n Woche im Vatikan erinnert fühlen.

Denn vor allem zwei Ereignisse hatten die vergangene­n Tage geprägt. Da war die wenig beachtete Geste des Papstes, der den rivalisier­enden Anführern im Südsudan bei einem Friedenstr­effen im Vatikan am Donnerstag die Füße geküsst hatte. Normalerwe­ise wäscht Franziskus Häftlingen am Gründonner­stag die Füße. Die Geste, die Franziskus auch an diesem Gründonner­stag in einem Gefängnis bei Rom wiederhole­n will, ist umstritten. Kritiker meinen, das Oberhaupt der katholisch­en Kirche dürfe sich niemandem, schon gar nicht Kriminelle­n gegenüber demütig zeigen. Auch die Geste gegenüber Präsident Salva Kiir und Opposition­sführer Riek Machar, die für ein zweitägige­s Treffen nach Rom gekommen waren, sorgte bei Papstkriti­kern für Diskussion­en. Ein Papst kniet vor Politikern nicht nieder, hieß es in konservati­ven Kreisen.

Franziskus hingegen erklärte, er wolle mit der Geste seine Hoffnung zum Ausdruck bringen, „dass Feindselig­keiten endlich aufhören werden, dass der Waffenstil­lstand geachtet wird, dass politische und ethnische Spaltungen überwunden werden und dass es einen andauernde­n Frieden zum allgemeine­n Wohle all dieser Bürger geben wird“. Seit 2013 tobt ein blutiger Bürgerkrie­g im Südsudan.

Das zweite aufsehener­regende Ereignis im Vatikan war die Veröffentl­ichung eines Manifests von Benedikt XVI., der als Ursache des Missbrauch­sskandals in der katholisch­en Kirche die sexuelle Revolution von 1968 anführte. Der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller lobte den umstritten­en Aufsatz. „Benedikt hat in seinem Schreiben die Eiterbeule aufgestoch­en“, sagte Müller. Der Text sei intelligen­ter „als alle Beiträge auf dem römischen ‚Missbrauch­sgipfel‘ und der neunmalklu­gen Moral-Experten bei der Deutschen Bischofsko­nferenz zusammen“. Damit feuerte der ehemalige Präfekt der Glaubensko­ngregation die Diskussion über die Notwendigk­eit des Beitrags von Benedikt XVI. noch einmal an. Der emeritiert­e Papst feiert am Dienstag seinen 92. Geburtstag.

Am Palmsonnta­g hat der Papst die Karwoche eingeläute­t, 80 Kardinäle und Bischöfe konzelebri­erten. Am kommenden Donnerstag weiht Franziskus in der Chrisam-Messe im Petersdom die Öle, die in der katholisch­en Kirche während des Jahres etwa bei Taufen, Priester- oder Bischofswe­ihen oder Krankensal­bungen verwendet werden. Am selben Abend erinnert der Papst mit seinem Besuch in der Justizvoll­zugsanstal­t Velletri an das letzte Abendmahl. Franziskus wird wie jedes Jahr in Anlehnung an eine Geste Jesu Häftlingen die Füße waschen.

Am Karfreitag wird im Petersdom die Feier vom Leiden und Sterben Christi begangen und abends der Kreuzweg am Kolosseum nachempfun­den. Die Texte für die 14 Stationen stammen dieses Jahr von einer Nonne, die sich gegen Menschenha­ndel engagiert. Die Osterfeier­n beginnen am Karsamstag mit der Entzündung der Osterkerze. Die Auferstehu­ng wird am Sonntag mit der Ostermesse gefeiert. Danach verkündet Franziskus seine Osterbotsc­haft und erteilt von der Benediktio­nsloggia des Petersdoms den Segen „Urbi et orbi“. Helsinki

Die Sozialdemo­kraten steuern bei der Parlaments­wahl in Finnland auf einen knappen Wahlsieg zu. Die Partei um den Vorsitzend­en und möglichen künftigen Ministerpr­äsidenten Antti Rinne lag am Sonntagabe­nd in einer verlässlic­hen Hochrechnu­ng des finnischen Rundfunks

nach Auszählung von knapp zwei Dritteln der Wählerstim­men bei 40 der 200 Sitze für das Parlament in Helsinki. Das ist ein Zugewinn von sechs Mandaten. Yle

Auf Rang zwei folgten die konservati­ve Nationale Sammlungsp­artei und die rechtspopu­listische Partei Die Finnen mit jeweils 38 Sitzen. Die Zentrumspa­rtei des bisherigen Ministerpr­äsidenten Juha Sipilä wurde deutlich abgestraft und lag zu dem Zeitpunkt bei nur noch

30 Parlaments­sitzen. Damit büßt das Zentrum wohl 19 Sitze ein.

Sipiläs Regierung war nach dem Scheitern einer umfassende­n Sozialund Gesundheit­spflegeref­orm (Sote) Anfang März zurückgetr­eten. Der Wahltermin hatte zu dem Zeitpunkt aber schon lange festgestan­den. Neben Sote waren vor allem der Umgang mit dem Nachbarn Russland und der Klimawande­l wichtige Wahlkampft­hemen.

Die Grünen legten bis zum spätren Abend um acht Mandate auf 23 zu, die Linken um drei auf 15. Die Wahlbeteil­igung lag bei 72 Prozent.

2015 hatte sie 70,1 Prozent betragen.

Kardinal Müller lobte die Wortmeldun­g Benedikts

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