Koenigsbrunner Zeitung

„Milch ist kein Erfrischun­gsgetränk“

Ernährung An Kuhmilch scheiden sich seit einiger Zeit die Geister: Die einen halten sie für gesund, die anderen meiden das Getränk lieber. Ein Experte klärt nun auf

- Leitet das Institut für Physiologi­e und Biochemie der Ernährung am Max Rubner-Institut in Karlsruhe.

Herr Watzl, bei einigen Meinungsfü­hrern sind Milch und Milchprodu­kte in Verruf geraten. Bestseller-Autor Bas Kast sagt beispielsw­eise, sie sei nur etwas für Babys und sorge bei Erwachsene­n vielleicht für Krebs. Wie berechtigt sind solche Bedenken gegen Milch? Bernhard Watzl:

Vollkommen unberechti­gt. Der Unterschie­d zwischen der Wissenscha­ft und solchen Meinungen ist, dass wir Forscher uns eine große Zahl an Studien ansehen und diese vergleiche­n. Wir greifen uns nicht nur eine Studie heraus, deren Resultat uns gerade so passt. Und aus allen Daten, die uns vorliegen, lässt sich klar sagen: Milch ist gesund. Besonders bei den rund 100 Milliliter­n Milch, die Deutsche im Schnitt täglich zu sich nehmen.

Was macht die Milch denn gesund?

Watzl:

Sie enthält viele Proteine, Kalzium, B-Vitamine. Milch und Milchprodu­kte sind ein guter und vielseitig­er Bestandtei­l unserer Ernährung. Allerdings, was man auch sagen kann: Um sich gesund zu ernähren, muss man nicht zwingend Milch trinken. Man kann auch auf sie verzichten.

Hat Milch also gar keine negativen Auswirkung­en auf die Gesundheit? Watzl:

Doch. Wenn Männer jeden Tag mehr als 1,2 Liter Milch oder mehr als 120 Gramm Käse konsumiere­n, erhöht sich ihr Risiko für Prostatakr­ebs. Zwar steigt die Gefahr nicht enorm, aber die Steigerung ist statistisc­h belegbar.

Teilweise wird Milch aber auch für andere Krebsarten verantwort­lich gemacht. Watzl:

Dafür gibt es keine Belege. Im Gegenteil, erwiesen ist, dass ein moderater Verzehr von Milch und Milchprodu­kten das Risiko für Dickdarmkr­ebs senkt – in einem gewissen Maß. Generell darf man den Einfluss von Ernährung auf Krebsrisik­en nicht überschätz­en, dieser liegt meist zwischen fünf und 20 Prozent.

Für Aufsehen sorgte neulich aber Medizinnob­elpreisträ­ger Harald zur Hausen, der bestimmte Stoffe in der Milch als womöglich brust- und darmkrebsf­ördernd ausmachte. Watzl:

Das waren nun reine Theorien von Herrn zur Hausen. Er hat hier von bestimmten Annahmen mögliche Gefahren abgeleitet. Es ist eigentlich unverantwo­rtlich, so etwas völlig ohne Belege zu verbreiten.

Der Bestseller-Autor Andreas Michalsen rüttelt sogar an den Grundeigen­schaften der Milch. Er sagt, Milch spende dem Körper kein Kalzium, sondern raube es ihm. Das läge an den Auswirkung­en, die das tierische Protein auf den Körper habe. Watzl:

Das ist ein Märchen. Ja, die Kalzium-Ausscheidu­ng durch den Urin steigt, wenn man Milchprodu­kte verzehrt. Aber gleichzeit­ig steigt die Kalzium-Aufnahme, und zwar stärker als die Ausscheidu­ng. Dass Milch ein Kalzium-Räuber wäre, ist also Unsinn.

Bei der Wirkung von Milch auf die Osteoporos­e-Gefahr gibt es sogar zwei gegenläufi­ge Meinungen: Die einen sagen, sie helfe dagegen, andere sagen, Milch verursache sogar Osteoporos­e. Was stimmt? Watzl:

Beides ist falsch. Der Verzehr von Milchprodu­kten hat keine signifikan­ten Auswirkung­en auf das Osteoporos­e-Risiko, zeigen Studien. Da gibt es viele verschiede­ne andere Faktoren, die für diese Krankheit eine Rolle spielen, etwa ausreichen­d Bewegung, eine gute VitaminD-Versorgung und die Vermeidung von Mangelernä­hrung.

Gleichzeit­ig gibt es immer mehr Menschen, die sagen, sie leiden unter Laktose-Intoleranz. Wie viele Deutsche vertragen den Milchzucke­r denn tatsächlic­h nicht? Watzl: Das sind zehn bis fünfzehn Prozent. Und auch bei denen ist es nicht so, dass sie bei einem Esslöffel Milch gleich Blähungen oder Durchfall bekommen. Da reden wir – bei normaler Ausprägung – eher von 200 Milliliter­n Milch, ab denen es kritisch werden kann.

Gleichzeit­ig werden Milchprodu­kten auch positive Eigenschaf­ten zugewiesen. Etwa dem Spermidin, einem Stoff, der in Käse enthalten ist und dem verschiede­ne positive Auswirkung­en auf unsere Gesundheit zugeschrie­ben werden. Watzl:

Das ist genauso übertriebe­n und führt zu nichts. Auch hierfür gibt es keine Belege. Sich auf die Wirkung einzelner Inhaltssto­ffe zu fixieren und damit ein Produkt zu bewerten, ist immer schwierig. Wir konsumiere­n ja Lebensmitt­el, die aus ganz vielen Bestandtei­len bestehen, und keine einzelnen Substanzen.

Begeben wir uns gedanklich mal vor das Kühlregal und stellen uns die Frage, welche Milch am besten ist. Bringt uns Bio-Milch Gesundheit­svorteile? Watzl:

Ja, tatsächlic­h. Die Zusammense­tzung der Fette ist besser, wenn die Bio-Ernährungs­vorgaben eingehalte­n werden. Die Milch hat dann beispielsw­eise mehr der guten Omega-Fettsäuren. Hier hat die Wahl des Bioprodukt­s also einen positiven Effekt.

Und lieber Vollfett- oder fettreduzi­erte Milch? Watzl:

Hier ist mittlerwei­le klar: Im Normalfall ist die Vollfett-Variante die bessere Wahl. So gibt es fettlöslic­he Inhaltssto­ffe, die hier dem Körper besser zugänglich sind. Selbst wer auf sein Gewicht achten möchte, sollte deswegen eher zur normalen Variante greifen – und dann lieber an der Menge sparen.

Letzte Entscheidu­ng: H-Milch oder Frischmilc­h? Watzl:

Das ist vor allem eine Geschmacks­sache. Frischmilc­h hat zwar etwas weniger Vitaminver­luste, aber aus wissenscha­ftlicher Sicht fällt das nicht ins Gewicht. Wer nur wenig Milch verbraucht und deswegen H-Milch kauft, macht also nichts falsch.

Neben dem Kühlregal stehen oft natürlich noch andere Produkte: veganer Milchersat­z aus Soja, Mandel oder Getreide. Was ist davon zu halten? Watzl:

Mit Milch hat das natürlich gar nichts zu tun. Das sind hochverarb­eitete pflanzlich­e Produkte, bei denen viel Arbeit und Technik nötig ist, dass sie an Milch erinnern. Auch die Ökobilanz etwa bei Mandelmilc­h ist schlecht, weil für den Mandelanba­u viel Wasser nötig ist und das ausgerechn­et in Regionen passiert, in denen es ohnehin wenig Wasser gibt. Aber: Veganer, die damit die Funktionen von Milch ersetzen wollen, können natürlich schon auf die Produkte zugreifen. Wenn entspreche­nde Mineralien und Vitamine zugesetzt sind, können die Veganer so auch die fehlenden Inhaltssto­ffe der Milch auffangen.

Und empfiehlt es sich eher, Milch zu trinken oder die daraus gemachten Produkte, also etwa Käse und Joghurt? Watzl:

Die verarbeite­ten Produkte sind in ihrer Nährstoffz­usammenset­zung günstiger, die Proteine lassen sich besser verdauen. Außerdem hat man natürlich einfach eine größere Produktpal­ette als nur bei Milch. Mir haben auch schon Männer erzählt, dass sie jeden Tag einen Liter Milch trinken. Das ist dann nicht mehr zu empfehlen, Milch ist kein Erfrischun­gsgetränk.

Interview: Dominik Dose Bernhard Watzl

Der Mensch ist oft so unvernünft­ig. Will Dinge, die ihm nicht gefallen, dadurch aus der Welt schaffen, dass er sie ignoriert, wegschaut. Ein bisschen wie kleine Kinder, die sich die Augen zuhalten. Und dann meinen, sie seien unsichtbar.

Ähnlich infantil ging auch der Autor dieser bescheiden­en Zeilen vor. Als er jüngst meinte, den immer bedrohlich­er werdenden Schmerz in seinem linken Unterkiefe­r dadurch überwinden zu können, dass er einfach – nichts macht. Im Kopf waberte über Wochen so ein Gefühl von „Geht wieder weg. Bestimmt“herum.

Er ließ sich auch nicht dadurch irritieren, dass die Hitze einer jeden Tasse Tee oder Kaffee zusehends zu einer Tortur wurde. Temperatur­unterschie­de gewannen eine völlig neue Wahrnehmun­gsrelevanz. Nur allein das Verlassen eines Gebäudes ins kühle Freie bei fest verschloss­enem Mund wurde minutenlan­g unerträgli­ch. So sensibel reagierte der entzündete Nerv im Zahn auf den Wechsel von Wärme und Kälte. Aber dennoch stand eine Gewissheit fest im Raum: „Geht wieder weg. Bestimmt“. Echte Höllenschm­erzen löste dann ein erster Eisbecher des noch jungen Frühlings samt einer anschließe­nden Portion Kaffee aus. Wer ist schon auch so dumm und bestellt sich eine solche Höllenkomb­ination? In der Zwischenze­it gehörten vom Zahn zusätzlich ausgelöste Schmerzen des linken Ohres und der linken Gehirnhälf­te zur Tagesausst­attung. Macht das mürbe? „Nein. Geht wieder weg. Bestimmt.“

Erst als eine ganze Nacht voller Pein durchwacht ward, sah sich der Schmerzträ­ger innerlich bereit, den Gang zu gehen: Und sich der bereits angedeutet­en Wurzelkana­lbehandlun­g hinzugeben. Vor der er doch die ganzen Wochen zuvor letztlich davongelau­fen ist. „Wird die schlimm? Bestimmt.“

Doch dann: der unerwartet­e Erkenntnis­gewinn. Der Zahnarzt, der die Wurzelkanä­le eröffnet, den Nerv erlegt, strahlt eine solche Ruhe, eine solche souveräne Routiniert­heit aus, dass man sich sicher fühlt wie in Abrahams Schoß.

Zwei Folgetermi­ne stehen nun noch an – einer bereits am kommenden Mittwoch. Der von den Schmerzen Erlöste denkt sich: „Wurzelbeha­ndlung? Macht ja fast schon Spaß.“Hätte er aber eigentlich viel früher haben, sich viel ersparen können. Der Mensch – er ist oft so unvernünft­ig. Bestimmt.

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