Koenigsbrunner Zeitung

Nach dem Betrug noch ein Betrug?

Daimler Konzernche­f Zetsche und sein Nachfolger Källenius müssen sich schwerer Vorwürfe erwehren

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Stuttgart

In der Affäre um Manipulati­onen bei der Abgasreini­gung von Dieselauto­s geraten Daimler-Chef Dieter Zetsche und sein designiert­er Nachfolger, der Schwede Ola Källenius, unter massiven Druck. So steht eine Mercedes-Baureihe unter neuem Betrugsver­dacht. Nur mit einem Trick soll der Grenzwert für Stickoxide bei der Prüfung eingehalte­n worden sein. Konkret geht es um den Verdacht der Manipulati­on von Abgaswerte­n bei Dieselauto­s.

Bei etwa 60000 Sportgelän­dewagen (SUV) von Daimler sollen die Werte mit Hilfe eines Computerpr­ogramms gesenkt worden sein – aber nur auf dem Prüfstand und nicht im täglichen Verkehr. Die Zeitung berichtete über die Vorwürfe. Das Kraftfahrt­Bundesamt (KBA) habe ein formelles Anhörungsv­erfahren gegen Daimler wegen Verdachts auf eine weitere „unzulässig­e Abschaltvo­rrichtung“eingeleite­t.

Die Manipulati­on soll bei dem Modell Mercedes-Benz GLK 220 CDI mit der Abgasnorm Euro 5 vorgenomme­n worden sein. Ein Daimler-Sprecher bestätigte am Sonntag, dass bei dem Sachverhal­t diese Fahrzeuge aus den Produktion­sjahren 2012 bis 2015 untersucht würden. Zunächst nicht bestätigen konnte er die Zahl von rund 60000 Fahrzeugen. Der Konzern enthielt sich erst einmal einer Bewertung des Vorgangs. Die Behörde ist bereits im Herbst 2018 auf die verdächtig­e Software-Funktion bei dem Motor OM 651 gestoßen, wie es hieß. Weitere Emissionsm­essungen bei einem GLK-Modell hätten den Verdacht erhärtet.

In welcher Weise soll manipulier­t worden sein? Die beanstande­te Software-Funktion aktiviert offenkundi­g eine spezielle Temperatur­regeBild am Sonntag lung. Diese hält nach den Recherchen den Kühlmittel­kreislauf künstlich kälter und verzögert die Aufwärmung des Motoröls. Die Folge: Die Stickoxid-Werte blieben auf dem Prüfstand auf einem niedrigere­n Niveau unterhalb des gesetzlich­en Grenzwerts. Im Straßenbet­rieb werde die Funktion dagegen deaktivier­t und der Grenzwert von 180 Milligramm pro Kilometer werde deutlich überschrit­ten.

Ein Daimler-Sprecher bestätigte am Sonntag, dass es eine Anhörung in dieser Sache gebe, man prüfe den beschriebe­nen Sachverhal­t. Mit dem KBA liefen dazu bereits seit Monaten Gespräche. Das Unternehme­n habe die in dem Verfahren verlangte Stellungna­hme noch nicht abgegeben, das solle aber noch im April geschehen. Daimler betonte, man kooperiere „vollumfäng­lich“mit dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). Zugleich widersprac­h der Konzern Behauptung­en, wonach das KBA herausgefu­nden habe, dass Daimler die Programmie­rung der Kühlmittel-Funktion bei laufenden Software-Updates unbemerkt bei Werkstattb­esuchen entferne. Laut Daimler gehören diese Updates zu einem früher angekündig­ten Maßnahmenp­aket für mehr als drei Millionen Mercedes-Benz-Fahrzeuge. Dabei halte sich das Unternehme­n an den mit dem Verkehrsmi­nisterium und dem KBA vereinbart­en Genehmigun­gsprozess. „Die Behauptung, dass wir mit der freiwillig­en Service-Maßnahme etwas verbergen wollen, ist unzutreffe­nd“, unterstric­h Daimler.

Daimler hatte im September 2018 mit den Software-Updates für seine Fahrzeuge begonnen, um so die Abgaswerte zu verringern. Zuvor hatte das KBA für rund 700 000 DaimlerDie­sel wegen einer illegalen Abschaltei­nrichtung bei der Abgasreini­gung einen Rückruf angeordnet. Darunter fiel nach damaligen Angaben des Konzerns aber nur ein Teil der Wagen, die als erste die neue Software bekamen. Die übrigen seien Teil einer freiwillig­en Aktion.

Daimler hatte zunächst Nachbesser­ungen an knapp 300000 Dieseln in Europa angekündig­t, um den Stickoxid-Ausstoß per SoftwareUp­date zu verringern. Die Zahl wurde dann im Sommer 2017 auf etwa drei Millionen aufgestock­t.

Unabhängig vom aktuellen Fall bei Daimler sind die deutschen Autoherste­ller bei der Nachrüstun­g mit Abgas-Software für Diesel noch immer im Verzug. Derzeit sei rund eine Million der betroffene­n etwa 5,3 Millionen Fahrzeuge bei der Software noch nicht auf dem neuesten Stand, teilte das Bundesverk­ehrsminist­erium mit. Es handelt sich um jene Diesel-Pkw, für die deutsche Hersteller im Jahr 2017 ein Software-Update zugesagt hatten und dies bis Ende 2018 verwirklic­hen wollten. Außerdem gibt es laut Ministeriu­m noch eine weitere Million Dieselauto­s, die von in- und ausländisc­hen Hersteller­n später gemeldet worden seien und nun möglichst schnell ebenfalls umgerüstet würden. Darunter seien auch „verpflicht­ende Rückrufe der vergangene­n Monate von Fahrzeugen deutscher Hersteller“.

Das Umweltbund­esamt dringt darauf, über schärfere Grenzwerte für Feinstaub nachzudenk­en. Eine Diskussion darüber sei „erforderli­ch“, sagte Amtspräsid­entin Maria Krautzberg­er. Die Weltgesund­heitsorgan­isation empfehle deutlich strengere Grenzwerte als derzeit gültig. „Auch wir im Umweltbund­esamt sehen die Risiken durch zu hohe Feinstaubk­onzentrati­onen.“

Experten der Nationalen Akademie der Wissenscha­ften hatten der Regierung „nachdrückl­ich“empfohlen, die Belastung der Menschen zu reduzieren und eine Verschärfu­ng der Grenzwerte zu prüfen. Feinstaub sei gefährlich­er als Stickoxide, die derzeit für Fahrverbot­e sorgten, hieß es in einer Stellungna­hme. Die Partikel könnten Erkrankung­en der Atemwege, des Herz-Kreislauf-Systems oder auch Lungenkreb­s verursache­n. Feinstaub stammt etwa aus Dieselruß, vom Reifenabri­eb oder aus Abgasen von Industrie, Kraftwerke­n, Heizungen und Holzöfen.

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