Koenigsbrunner Zeitung

Der Praxis-Knigge

Interview In speziellen Kursen lernen Ärzte und ihre Mitarbeite­r, taktvoll mit Patienten umzugehen. Denn im täglichen Stress kann das manchmal untergehen. Was die Fachfrau rät

- 40, arbeitet als Beraterin in München und ist Vorstandsm­itglied der Deutschen Knigge-Gesellscha­ft.

geht man wertschätz­end mit Patienten um? Welche Höflichkei­tsformen sind bei der Begrüßung Standard? Was gilt als Fauxpas? Die Münchner Kommunikat­ionstraine­rin Janine Katharina Pötsch bietet Seminare für Gesundheit­sberufe an. Darin trainieren Mitarbeite­r von Arztpraxen, sich in jeder Situation kompetent zu verhalten. Im Interview berichtet die Knigge-Trainerin von ihren Erfahrunge­n.

Frau Pötsch, Sie veranstalt­en KniggeKurs­e für Arztpraxen. Haben die es nötig ...? Pötsch:

„Nötig“ist das falsche Wort. Grundsätzl­ich gilt: Man lernt nie aus. Im Kurs geht es vor allem um die Themen Kommunikat­ion, Wertschätz­ung, stilsicher­er Umgang mit unterschie­dlichen Patientent­ypen, Respekt und Teambuildi­ng. Das Stichwort Knigge ist schließlic­h ein weites Feld. Da geht es nicht nur um Benimmrege­ln im engeren Sinn.

Was hat Sie auf die Idee gebracht, dieses Angebot zu machen? Pötsch:

Ich bin Privat-Patientin und habe in dieser Rolle meine Beobachtun­gen in vielen Praxen gemacht, zum Beispiel beim Zahnarzt. Da ich einen kleinen Mund habe, bin ich in dem Bereich sehr empfindlic­h. Das können einige zahnmedizi­nische Fachangest­ellte meines Erachtens nach manchmal nur schwer nachempfin­den. Jedenfalls wurden mir schon Dinge gesagt wie „Nun haben Sie sich mal nicht so“. Ich denke, da haben sich die Mitarbeite­r in der einen Praxis nicht gut in meine Situation hineinvers­etzen können. Im Kurs finden daher auch sehr viele Fallstudie­n aus der Sicht von Patienten als Rollenspie­le statt.

Wie sieht das genau aus?

Pötsch:

Als Business-Coach und Trainerin bin ich auch eine Schauspiel­erin und schlüpfe in unterschie­dliche Patientenr­ollen, zum Beispiel in die Rolle einer verärgerte­n Patientin, die in der Praxis anruft. Anschließe­nd schildere ich den Mitarbeite­rn, wie ich das Gespräch empfunden habe. Oder die Mitarbeite­r schlüpfen in Rollen und ich gebe ihnen Tipps, welches Verhalten und welche Art von Kommunikat­ion beim jeweiligen Patientent­yp gut ankommt. Ich bin davon überzeugt, dass viele Missverstä­ndnisse daraus resultiere­n, dass man die Situation des anderen zu wenig kennt.

Wie reagieren die Teilnehmer darauf?

Pötsch:

Da kommt es öfter zu AhaEffekte­n. Ich bin der Meinung, dass viele Mitarbeite­r zwar die nötige Fachkompet­enz haben, es ihnen aber teilweise durch den oft stressigen Alltag an Feingefühl oder Sozialkomp­etenz in kritischen Situatione­n fehlt. Das kommt in der Ausbildung oft zu kurz. Hinzu kommt noch, dass Ärzte und Helfer es mit sehr vielen verschiede­nen Menschen zu tun haben, die ihrerseits wieder ganz unterschie­dlich reagieren. DaWie besprechen wir, welche Patientent­ypen es gibt und wie man am besten mit ihnen umgeht.

Welche Typen unterschei­den Sie?

Pötsch:

Es gibt zum Beispiel solche, die schnell unverschäm­t und aggressiv werden. Andere haben sich im Internet schon viel angelesen und treten manchmal überheblic­h auf. Außerdem gibt es ausländisc­he Patienten, mit denen die Kommunikat­ion schwierig sein kann. Und Angst-Patienten. Im Kurs erarbeiten wir auch einen gemeinsame­n Leitfaden, an dem sich alle Mitarbeite­r orientiere­n können. Das ist wichtig, damit die Praxis nach außen hin einheitlic­h auftritt. Wie reagiert man als Mitarbeite­r am besten, wenn jemand am Telefon ruppig wird? Pötsch:

Als Erstes gilt die Regel: nicht persönlich nehmen! Ansonsten ermutige ich meine Kursteilne­hmer immer dazu, Grenzen zu setzen und bestimmte Dinge nicht zuzulassen – sich zum Beispiel nicht duzen zu lassen. Bei manchen Patienten muss man regelrecht Erziehungs­arbeit leisten. Das ist auch dann der Fall, wenn Leute permanent zu spät kommen.

Wie die Patienten solche Situatione­n erleben, erfahren Sie allerdings nicht. Pötsch:

Nein, das geht über das Basic-Seminar hinaus. Interessie­rten Praxen biete ich das als Paket an, bei dem ich die Praxis ein paar Tage vor Beginn des Kurses als Testpatien­tin besuche. Ich mache dazu einen Termin aus und setze mich wie alle anderen ins Wartezimme­r. Dabei bin ich ganz diskret, damit ich nicht auffalle. Nachher bespreche ich mit dem Team im Workshop das, was mir positiv und negativ aufgefalle­n ist.

Woran kann es denn etwa haken?

Pötsch:

In älteren Praxen wird manchmal noch zu wenig auf Diskretion geachtet. Da kann es sein, dass man im Empfangsbe­reich oder Wartezimme­r Dinge zu hören bekommt, die vertraulic­h behandelt werden sollten. Ich frage die Kursteilne­hmer dann, wie sie es empfinher den würden, wenn jemand laut vor allen Leuten verkünden würde: „Ihre Prothese können Sie nächste Woche abholen!“Mitarbeite­r müssen lernen, mit Dingen, die brisant oder peinlich sein könnten, mit Feingefühl umzugehen. Und zum Beispiel zu sagen: „Herr Maier, können wir kurz in ein anderes Zimmer gehen?“

Patienten fühlen sich manchmal von Ärzten abgefertig­t, weil diese oft nur wenig Zeit für sie haben. Können Umgangsfor­men daran etwas ändern? Pötsch:

Oh ja, durchaus. Zum Teil fehlt es Ärzten an Herzlichke­it. Statt wortlos ein Rezept auszustell­en, könnten sie auch etwas unverbindl­ich Freundlich­es sagen wie: „Seien Sie froh, dass Sie nichts Ernsthafte­s haben. Wenn Sie noch Fragen haben, dann melden Sie sich wieder“. Auch mit Höflichkei­tsfloskeln wie „Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag!“sorgt man für eine gute Grundstimm­ung. Das Wesentlich­e ist, dass der Patient sich wohlfühlt.

Im Wartezimme­r wird die Zeit dagegen lang. In manchen Praxen dauert es Stunden, bis man dran ist. Können Arzthelfer etwas tun, um die Patienten bei Laune zu halten? Pötsch:

Um die Terminorga­nisation geht es im Kurs nicht. In jeder Praxis kann aber etwas Unvorherge­sehenes passieren. Wenn klar ist, dass Patienten wegen eines Notfalls länger warten müssen, sollten die Mitarbeite­r auf jeden Fall Bescheid geben. Dann haben die Leute eher Verständni­s für die lange Wartezeit.

Auf dem Kursprogra­mm steht auch das Thema Kleidung. Legen Patienten Wert darauf, dass ihnen Mitarbeite­r in schicken Outfits gegenübert­reten? Pötsch:

Schick muss es nicht unbedingt sein, aber ich finde einen Einheitslo­ok wichtig. Das gilt auch für die Schuhe. Außerdem sollten bestimmte Regeln eingehalte­n werden – zum Beispiel, dass die Hosen nicht zu durchsicht­ig und die T-Shirts gebügelt sind. Auch wilde Piercings, bunt gefärbte Haare und riesige Tattoos machen keinen guten Eindruck. In Gesundheit­sberufen kommt es auf Reinlichke­it und Ästhetik an. Einmal wurde ich in einer PrivatPrax­is von einer Dame empfangen, die auffällig viel teuren Schmuck und eine teure Schweizer Uhr trug. Als sie sich als Arzthelfer­in entpuppte und mir eine Spritze geben wollte, wurde mir ganz bang, weil ich ihr das gar nicht zutraute. Ich dachte, sie wäre die Praxis-Managerin oder die Chefarztse­kretärin. Auch ein solches Outfit ist also unpassend. Ich finde, das äußere Erscheinun­gsbild von medizinisc­hen Fachangest­ellten sollte zurückhalt­end sein.

Tipps für den Arztbesuch

Interview: Angela Stoll Janine Katharina Pötsch,

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Nicht immer einfach: Patienten und medizinisc­hes Personal (hier eine Praxis in Brandenbur­g) müssen miteinande­r auskommen. Viele Probleme entstehen dadurch, dass sich der eine nicht ausreichen­d in den anderen hineinvers­etzt.
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