Koenigsbrunner Zeitung

Der Handwerker aus dem Internet

Bauen & Wohnen Die Branche boomt, einen Fachmann zu bekommen dauert. Viele suchen deshalb online auf Plattforme­n wie „MyHammer“nach Unterstütz­ung. Was die Handwerksk­ammer in Augsburg davon hält

- VON ANDREA WENZEL Die Handwerksk­ammer für Schwaben bietet ebenfalls eine Handwerker­suche an unter: www.hwk-schwaben.de.

Pawel Telus ist ein freundlich­er Mann. Wir treffen den Trockenbau­er auf einer Baustelle im Augsburger Stadtteil Hochzoll. Zusammen mit seinen fünf Mitarbeite­rn renoviert er hier eine Doppelhaus­hälfte, ansonsten ist er vorwiegend in München unterwegs, unter anderem im Hotel Bayerische­r Hof oder auch am Flughafen. Seine Zeit für ein Gespräch mit uns ist begrenzt, immerhin drängt angesichts der proppevoll­en Auftragsbü­cher die Zeit.

Dass Telus ein gefragter Mann ist, wundert in Zeiten des Baubooms nicht. Rund acht bis zehn Wochen dauert es derzeit im Schnitt, bis man einen Handwerker für seinen Auftrag gewinnen kann, heißt es seitens der Handwerksk­ammer für Schwaben (Hwk). Pawel Telus ist mehr für die Bildsprach­e: „Schauen sie sich um. Allein in dieser Straße steht Handwerker­auto an Handwerker­auto“, verdeutlic­ht er die aktuelle Lage.

Dass er einmal so dick im Geschäft sein wird, hat der 30-Jährige neben seiner guten Arbeit auch dem Internet zu verdanken. Vor fünf Jahren machte sich Telus selbststän­dig und meldete sich beim OnlineHand­werkerport­al „MyHammer“an, um an Aufträge zu kommen. „MyHammer“gehört zu den größten Portalen seiner Art in Deutschlan­d und listet aktuell 21 000 Anbieter aus dem gesamten Bundesgebi­et. 687 kommen aus dem Raum Augsburg. Kunden können entweder direkt mit Handwerker­n in Kontakt treten oder einen Auftrag ausschreib­en, für den Angebote gemacht werden können. „Für mich war MyHammer ein Sprungbret­t. Ich konnte erste Kunden gewinnen und mich empfehlen“, erzählt Telus rückblicke­nd. Die guten Bewertunge­n unter seinem Profil hätten dazu geführt, dass für seinen Betrieb Mund-zu-Mund-Propaganda betrieben worden ist – und das so gut, dass er heute kaum noch Aufträge aus dem Portal annehmen kann, weil ihm die Zeit fehlt.

Abmelden will er sich aber trotz der Mitgliedsg­ebühren, die für die Betriebe anfallen, nicht, denn er hält entspreche­nde Angebote aus dem Netz weiterhin für eine gute Sache – nur für aufstreben­de Handwerksb­etriebe, wie einst ihn selbst, sondern auch für den Kunden. „Man kann schnell verschiede­ne Angebote erhalten, und sie vergleiche­n“, sagt er. Dazu seien die abgegebene­n Bewertunge­n anderer Kunden eine gute Orientieru­ngshilfe auf der Suche nach der passenden Fachkraft.

Aber reicht das wirklich aus, um zu erkennen, ob der Handwerker aus dem Netz seriös ist? Oder nutzt hier der ein oder andere die prekäre Lage am Markt und die Not der Kunden nach einem Handwerker aus und bietet seine Dienste an, ohne jegliche Erfahrung?

Fragen, mit denen sich auch die Handwerksk­ammer für Schwaben beschäftig­t hat. Immerhin gilt es, die Qualität im Handwerk zu verteidige­n und für seriöse Betriebe und Preise zu werben. Deshalb ist man mit diesem Anliegen vor längerer Zeit auch an Portale wie „handwerker-123“, „blauarbeit.de“oder eben „MyHammer“herangetre­ten – mit Erfolg:. „Zu Beginn dieser Onlineange­bote vor einigen Jahren konnte sich praktisch jeder, der in irgendeine­r Form handwerkli­ch begabt war, anmelden und seine Leistungen anbieten. Das hat das deutsche Handwerk angeprange­rt und Verbesseru­ngen erreicht. Die Auflagen, wer sich und seine Arbeit anbieten darf, sind strenger geworden“, erzählt Markus Prophet, stellvertr­etender Geschäftsb­ereichslei­ter Beratung und Recht bei der Hwk. Eine „MyHammer“-Sprenicht cherin sagt: „Vor der Freischalt­ung müssen Betriebe alle gemäß der geltenden Handwerks- und Gewerbeord­nung notwendige­n Qualifikat­ionsnachwe­ise erbringen. Zusätzlich sind technische Schranken gesetzt, in deren Rahmen zulassungs­pflichtige Tätigkeite­n nur von Unternehme­n mit entspreche­nden Qualifikat­ionen ausgeführt werden dürfen.“

Eine Vorauswahl für Qualität ist demnach bereits erfolgt, Handwerker­portale im Internet auch grundsätzl­ich nicht verwerflic­h, so Markus Prophet. Dennoch rät der Experte, sich genau zu informiere­n. „Am besten ist es, man schaut sich das Profil des Anbieters auf dem Onlineport­al genau an. Oft sind Qualifikat­ionen oder die Mitgliedsc­haft bei der Handwerksk­ammer genannt oder Bilder anderer Projekte als Referenzen eingestell­t“, sagt er. So ein Check des Betriebs lohne sich im Übrigen auch, wenn man offline nach dem passenden Handwerker sucht. Dazu könne ein persönlich­es Gespräch einen Eindruck davon vermitteln, wie zuverlässi­g einem der Anbieter erscheint. Zu guter Letzt warnt Prophet davor, sich nur auf den Preis als einziges Kriterium der Entscheidu­ng zu verlassen. „Ein billiges Angebot schließt Qualität nicht prinzipiel­l aus. Aber man sollte genau prüfen, warum der Preis ist, wie er ist“, warnt er.

Eine Regel, der Trockenbau­er Pawel Telus uneingesch­ränkt zustimmt. Denn auch er hat bei seinen Online-Angeboten gemerkt: „Viele Kunden schauen nur auf den Preis. Aber das ist falsch“, warnt er. Kollegen, die andere Angebote stark unterbiete­n, sparen oft am Material. „Natürlich können sie zweifach statt dreifach verglaste Fenster nehmen. Und auch beim Wände- oder Deckenbau gibt es immer auch sehr günstige Materialie­n. Die Frage ist aber immer, wie langlebig sind diese, und sind sie für den Einsatzzwe­ck auch geeignet“, erklärt der 30-Jährige. Kunden rät er daher, die Angebote genau zu kontrollie­ren und gegebenenf­alls beim Handwerker nachzuhake­n. Er selbst listet alle Materialie­n und Arbeitsstu­nden einzeln auf. Am Ende steht ein Festpreis. Dazu gibt es nach Abschluss der Arbeit sogar die Rechnung für die einzelnen Materialie­n dazu. „Ich muss dem Kunden gegenüber transparen­t arbeiten. Ich will ja auch vorher wissen, was mein neues Auto kostet und am Ende nicht erschrecke­n, weil viertausen­d Euro mehr auf der Rechnung stehen“, sagt er.

Auch bei seinen Mitarbeite­rn legt er Wert auf Qualität. „Wenn ich hier nur ungelernte Kräfte biete und einmal etwas schief geht, ist es mit der guten Werbung und den guten Kundenbewe­rtungen vorbei – und dann auch mit den guten Geschäften“, sagt er.

Über solche kann sich Telus derzeit nicht beklagen: Während über den Winter etwa 20 bis 30 Anfragen pro Monat bei ihm eingingen, sind es ab dem Frühjahr bis zu zehn pro Tag. Auch hier wird sich der ein oder andere gedulden müssen, bis Pawel Telus Zeit hat.

Nicht nur der günstigste Preis sollte entscheide­nd sein

Handwerker­suche

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Pawel Telus ist 30 Jahre alt und kommt aus Polen. Vor fünf Jahren hat er sich als Trockenbau­er selbststän­dig gemacht und das Internet als Plattform genutzt, um Aufträge zu generieren. Heute ist er voll ausgelaste­t.

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