Der Handwerker aus dem Internet
Bauen & Wohnen Die Branche boomt, einen Fachmann zu bekommen dauert. Viele suchen deshalb online auf Plattformen wie „MyHammer“nach Unterstützung. Was die Handwerkskammer in Augsburg davon hält
Pawel Telus ist ein freundlicher Mann. Wir treffen den Trockenbauer auf einer Baustelle im Augsburger Stadtteil Hochzoll. Zusammen mit seinen fünf Mitarbeitern renoviert er hier eine Doppelhaushälfte, ansonsten ist er vorwiegend in München unterwegs, unter anderem im Hotel Bayerischer Hof oder auch am Flughafen. Seine Zeit für ein Gespräch mit uns ist begrenzt, immerhin drängt angesichts der proppevollen Auftragsbücher die Zeit.
Dass Telus ein gefragter Mann ist, wundert in Zeiten des Baubooms nicht. Rund acht bis zehn Wochen dauert es derzeit im Schnitt, bis man einen Handwerker für seinen Auftrag gewinnen kann, heißt es seitens der Handwerkskammer für Schwaben (Hwk). Pawel Telus ist mehr für die Bildsprache: „Schauen sie sich um. Allein in dieser Straße steht Handwerkerauto an Handwerkerauto“, verdeutlicht er die aktuelle Lage.
Dass er einmal so dick im Geschäft sein wird, hat der 30-Jährige neben seiner guten Arbeit auch dem Internet zu verdanken. Vor fünf Jahren machte sich Telus selbstständig und meldete sich beim OnlineHandwerkerportal „MyHammer“an, um an Aufträge zu kommen. „MyHammer“gehört zu den größten Portalen seiner Art in Deutschland und listet aktuell 21 000 Anbieter aus dem gesamten Bundesgebiet. 687 kommen aus dem Raum Augsburg. Kunden können entweder direkt mit Handwerkern in Kontakt treten oder einen Auftrag ausschreiben, für den Angebote gemacht werden können. „Für mich war MyHammer ein Sprungbrett. Ich konnte erste Kunden gewinnen und mich empfehlen“, erzählt Telus rückblickend. Die guten Bewertungen unter seinem Profil hätten dazu geführt, dass für seinen Betrieb Mund-zu-Mund-Propaganda betrieben worden ist – und das so gut, dass er heute kaum noch Aufträge aus dem Portal annehmen kann, weil ihm die Zeit fehlt.
Abmelden will er sich aber trotz der Mitgliedsgebühren, die für die Betriebe anfallen, nicht, denn er hält entsprechende Angebote aus dem Netz weiterhin für eine gute Sache – nur für aufstrebende Handwerksbetriebe, wie einst ihn selbst, sondern auch für den Kunden. „Man kann schnell verschiedene Angebote erhalten, und sie vergleichen“, sagt er. Dazu seien die abgegebenen Bewertungen anderer Kunden eine gute Orientierungshilfe auf der Suche nach der passenden Fachkraft.
Aber reicht das wirklich aus, um zu erkennen, ob der Handwerker aus dem Netz seriös ist? Oder nutzt hier der ein oder andere die prekäre Lage am Markt und die Not der Kunden nach einem Handwerker aus und bietet seine Dienste an, ohne jegliche Erfahrung?
Fragen, mit denen sich auch die Handwerkskammer für Schwaben beschäftigt hat. Immerhin gilt es, die Qualität im Handwerk zu verteidigen und für seriöse Betriebe und Preise zu werben. Deshalb ist man mit diesem Anliegen vor längerer Zeit auch an Portale wie „handwerker-123“, „blauarbeit.de“oder eben „MyHammer“herangetreten – mit Erfolg:. „Zu Beginn dieser Onlineangebote vor einigen Jahren konnte sich praktisch jeder, der in irgendeiner Form handwerklich begabt war, anmelden und seine Leistungen anbieten. Das hat das deutsche Handwerk angeprangert und Verbesserungen erreicht. Die Auflagen, wer sich und seine Arbeit anbieten darf, sind strenger geworden“, erzählt Markus Prophet, stellvertretender Geschäftsbereichsleiter Beratung und Recht bei der Hwk. Eine „MyHammer“-Sprenicht cherin sagt: „Vor der Freischaltung müssen Betriebe alle gemäß der geltenden Handwerks- und Gewerbeordnung notwendigen Qualifikationsnachweise erbringen. Zusätzlich sind technische Schranken gesetzt, in deren Rahmen zulassungspflichtige Tätigkeiten nur von Unternehmen mit entsprechenden Qualifikationen ausgeführt werden dürfen.“
Eine Vorauswahl für Qualität ist demnach bereits erfolgt, Handwerkerportale im Internet auch grundsätzlich nicht verwerflich, so Markus Prophet. Dennoch rät der Experte, sich genau zu informieren. „Am besten ist es, man schaut sich das Profil des Anbieters auf dem Onlineportal genau an. Oft sind Qualifikationen oder die Mitgliedschaft bei der Handwerkskammer genannt oder Bilder anderer Projekte als Referenzen eingestellt“, sagt er. So ein Check des Betriebs lohne sich im Übrigen auch, wenn man offline nach dem passenden Handwerker sucht. Dazu könne ein persönliches Gespräch einen Eindruck davon vermitteln, wie zuverlässig einem der Anbieter erscheint. Zu guter Letzt warnt Prophet davor, sich nur auf den Preis als einziges Kriterium der Entscheidung zu verlassen. „Ein billiges Angebot schließt Qualität nicht prinzipiell aus. Aber man sollte genau prüfen, warum der Preis ist, wie er ist“, warnt er.
Eine Regel, der Trockenbauer Pawel Telus uneingeschränkt zustimmt. Denn auch er hat bei seinen Online-Angeboten gemerkt: „Viele Kunden schauen nur auf den Preis. Aber das ist falsch“, warnt er. Kollegen, die andere Angebote stark unterbieten, sparen oft am Material. „Natürlich können sie zweifach statt dreifach verglaste Fenster nehmen. Und auch beim Wände- oder Deckenbau gibt es immer auch sehr günstige Materialien. Die Frage ist aber immer, wie langlebig sind diese, und sind sie für den Einsatzzweck auch geeignet“, erklärt der 30-Jährige. Kunden rät er daher, die Angebote genau zu kontrollieren und gegebenenfalls beim Handwerker nachzuhaken. Er selbst listet alle Materialien und Arbeitsstunden einzeln auf. Am Ende steht ein Festpreis. Dazu gibt es nach Abschluss der Arbeit sogar die Rechnung für die einzelnen Materialien dazu. „Ich muss dem Kunden gegenüber transparent arbeiten. Ich will ja auch vorher wissen, was mein neues Auto kostet und am Ende nicht erschrecken, weil viertausend Euro mehr auf der Rechnung stehen“, sagt er.
Auch bei seinen Mitarbeitern legt er Wert auf Qualität. „Wenn ich hier nur ungelernte Kräfte biete und einmal etwas schief geht, ist es mit der guten Werbung und den guten Kundenbewertungen vorbei – und dann auch mit den guten Geschäften“, sagt er.
Über solche kann sich Telus derzeit nicht beklagen: Während über den Winter etwa 20 bis 30 Anfragen pro Monat bei ihm eingingen, sind es ab dem Frühjahr bis zu zehn pro Tag. Auch hier wird sich der ein oder andere gedulden müssen, bis Pawel Telus Zeit hat.
Nicht nur der günstigste Preis sollte entscheidend sein
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