Eine Partie Schach entspannt vom Trubel im Festzelt
Wie für das Gersthofer Festwirtsehepaar Angelika und Rainer Kempter der Stein ins Rollen kam und was sich seitdem auf dem Plärrer und den Volksfesten in Gersthofen und Neusäß verändert hat. Heimat und Familie haben eine große Bedeutung
Gersthofen Heimat steht auf dem Fußabstreifer vor der Tür. Das hat irgendwie eine symbolische Bedeutung. Denn die Wohnung des Festwirt-Ehepaares Kempter liegt im ersten Stock über dem ehemaligen Ladengeschäft in der Augsburger Straße. Dort wo 1967 alles begann, als Metzgermeister Alois Binswanger von Zöschlingsweiler (Landkreis Dillingen) nach Gersthofen kam, um sich hier eine Existenz aufzubauen.
„Gersthofen ist für uns einfach Heimat“, sagt Angelika Kempter. Sie ist hier aufgewachsen, hat hier ihren Mann kennengelernt, der als Sohn eines Weldener Viehhändlers immer Schweine und Rinder zur Binswangerschen Metzgerei nach Gersthofen gefahren hat, wo die Tiere dann geschlachtet wurden. „Seit ich den Führerschein hatte“, sagt Kempter. Auch Tochter Monika, 34, wohnt mit ihrem Ehemann und den zwei Kindern im selben Haus. Sohn Thomas, 30, baut gerade in Gersthofen ein Haus für seine Familie. Beide Kinder sind im Familienunternehmen eingebunden und sollen es in absehbarer Zeit einmal übernehmen. Im Rückgebäude wohnt Urgroßmutter Margarete Binswanger, im vergangenen Jahr 80 geworden. „Aber immer noch eine gefragte Kindsmagd für die Urenkel“, berichtet Angelika Kempter.
Seit 1983 sind die Kempters verheiratet. Im gleichen Jahr hat sich Alois Binswanger als Festwirt für die Gersthofer Kirchweih beworben. Treibende Kraft dafür war sein Schwiegersohn. „Mein Mann war ein starker Initiator“, bestätigt Angelika Kempter. Aus gutem Grund. „Mein Vater hat das vorher schon gemacht, hat die ganzen Vereinsfeste in Welden, Holzheim und Umgebung mit gegrillten Göckeln versorgt“, sagt Rainer Kempter, der sich fortan mit um den Festzeltbetrieb kümmert, während seine Ehefrau im Laden zugange war.
Mittlerweile gibt es die Metzgerei nicht mehr. Erst wurde das Geschäft in der Augsburger Straße geschlossen, dann der Betrieb in der Senefelderstraße und die Filiale im City Center. Etwas Wehmut befällt Angelika Kempter schon: „Ich habe das immer gerne gemacht, hätte nie etwas anders machen wollen. Vor allem der tägliche Kontakt fehlt. Das merke ich besonders, wenn ich alte Stammkunden treffe. Die Läden waren schon ein gewisses Kommunikationszentrum.“Zwei Betriebe nebeneinander zu führen, sei aber sehr arbeitsintensiv und irgendwann nicht mehr möglich gewesen, zumal es gerade im Verkauf an Personal fehlte.
Heimat ist auch Familie. Im sonnendurchfluteten und geschmackvoll eingerichteten Wohnzimmer der Kempters findet man auch einen Kinderstuhl, einen kleinen Einkaufswagen mit Spielsachen sowie verschiedene Gesellschaftsspiele. Deutliche Anzeichen, das hier neben erfolgreichen Geschäftsleuten auch glückliche und stolze Großeltern leben. „Kinder werden erzogen, Enkel werden verzogen“, sagt Rainer Kempter mit einem Lächeln im Gesicht. Im kommenden Jahr werden die Kempters am Aschermittwoch erstmals mit allen vier Enkelinnen im Alter von neun bis zwei Jahren in den gemeinsamen Opa-und-Oma-Urlaub ins Allgäu starten. Ein letztes Kräfte sammeln, bevor mit dem Gögginger Frühlingsfest wieder die Festsaison beginnt.
Die Eheleute Kempter sind noch vom alten Schlag. Rainer spielt leidenschaftlich gern Schafkopf und liest am liebsten die gedruckte Zeitung, Angelika Kempter bedauert, dass man die Bestellungen aus dem Zelt an die Bäcker und andere Lieferanten nicht mehr per Fax abschicken kann. In Zeiten des Internets habe sich aber auch ein ganz neues Verhalten der Gäste entwickelt. Vor einigen Jahren war man mit einer außergewöhnlichen Situation konfrontiert. „Als wir bei der Eröffnung in Göggingen vom Umzug ins Zelt kamen, war es dort bombenvoll. So etwas habe ich noch nie erlebt. Wir sind sowohl am Ausschank als auch in der Küche total abgeschwommen“, plaudert Rainer Kempter aus dem Nähkästchen. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die vielen Besucher von einem Facebook-Aufruf herrührten. „Im Holbein-Gymnasium waren die Schülerinnen und Schüler schon vormittags in Tracht im Unterricht“, schmunzelt der 64-Jährige.
Apropos Tracht. „Wer nicht in Tracht kommt, fällt auf“, verweist Rainer Kempter auf eine der gravierendsten Veränderungen der letzten Jahre. Traditionelle Blasmusik, mit der früher die komplette Gersthofer Kirchweih bestritten wurde, bevor sich Showkapellen wie Winfried Stark und seine Steigerwälder, German Hofmann und seine Ochsenfurter oder Ambros Seelos durchsetzten, wurde inzwischen fast komplett von Partymusik à la Dolce Vita abgelöst. „Schon ab 18 Uhr wird auf den Bänken getanzt.“Auch Security am Eingang hat es früher nicht gegeben. „Wenn sich einer daneben benommen hat, hat ihn unser Schankkellner, der Ostermann Franz, am Kragen gepackt und vor die Tür gesetzt“, lacht Kempter.
Was sich die Eheleute nicht hätten träumen lassen – selbst nach 36 Jahren im Festwirtsgeschäft wird man noch mit neuen Herausforderungen konfrontiert. In Gersthofen gilt seit sieben Wochen ein Abkochgebot für Trinkwasser. Seit Tagen wird deshalb im Festzelt an der Schubertstraße schon Wasser abgekocht und im Kühlhaus für die Kirchweih bereitgestellt. „Zum Abschrecken der selbst hergestellten Spätzle und zum Waschen von Salat brauchen wir kaltes Wasser“, erklärt Angelika Kempter. Rainer Kempter, der den Ausschank unter seinen Fittichen hat, steht vor ganz anderen Problemen: „In den normalen Spülmaschinen wird das Wasser erhitzt. Da ist es kein Problem. Aber für die Krugwaschanlage muss es unbedingt kaltes Wasser sein. Ansonsten werden die Krüge warm und einen warmen Krug kann man nicht füllen“, erklärt er. „Außerdem wird das Bier lack.“Deshalb hat man im Zelt in Gersthofen jetzt einen Filter vorgebaut. „Das ist schon ein Mehraufwand. Aber chloren geht gar nicht!“
Auch, dass auf dem Festplatz bald Schluss mit Kirchweih sein wird, weil dort künftig das Gersthofer Gymnasium stehen soll, beunruhigt die Wirtsleute beim Blick in die Zukunft. „Das bereitet uns schon ein bisschen Bauchweh, dass es nur noch heuer und nächstes Jahr dort die Kirchweih geben wird“, sagt Angelika Kempter. „Es sollte schon langsam einen Plan geben, da ja auch die Infrastruktur geschaffen werden muss“, fügt Rainer Kempter hinzu. Ideal wäre seiner Meinung nach das Areal neben dem Feuerwehrhaus. „Der Rathausplatz ist viel zu klein. Außerdem würde das schon aufgrund der Anwohner nicht gehen.“
Trotz all dieser Widrigkeiten freuen sich die Kempters auf die Gersthofer Kirchweih. „Gersthofen ist unsere Heimat. Hier hat alles begonnen, das ist das Fest der kurzen Wege“, so Angelika Kempter. „Gersthofen ist aber auch das Ende der Saison. Da ist jeder froh, dass jetzt mal eine Pause kommt und man es ruhiger angehen lassen kann.“Gelegenheit für sie, ihren Hobbys nachzugehen. Sport und Fitness sowie Yoga stehen da ganz oben. Und das Reisen. „Ich will immer weg, mein Mann immer zu Hause bleiben. Aber wenn ich dann eine Reise geplant habe, kommt er schon mit. Und bisher hat es ihm auch immer gefallen“, lacht Angelika Kempter und freut sich schon auf den nächsten Urlaub. Traditionell geht es im Winter auf die Kanaren. „Ich brauche die Wärme“, sagt sie. Zunächst wird es aber erst einmal noch auf der Gersthofer Kirchweih heiß hergehen.
Neue Herausforderungen und Bauchweh beim Blick in die Zukunft