Von Wahlen und Wildschweinen
Den französischen Republikanern droht die absolute Bedeutungslosigkeit. Der Landwirt Christian Jacob will die Partei von Chirac und Sarkozy retten
Wer diesen Job anvisiert, dem kann man nicht mangelnden Mut vorwerfen: Chef einer Partei im Dauer-Abschwung zu werden, die zuletzt dramatisch an Wählern, Mitgliedern und Aufmerksamkeit eingebüßt hat, ist ein schweres Unterfangen. Und doch hat sich ein Mann gefunden, der den französischen Republikanern wieder politisches Gewicht verleihen will: Christian Jacob. Bei der Präsidentschaftswahl 2017 hat Frankreichs einst stärkste Volkspartei die Stichwahl verpasst, bei den Europawahlen im Juni landete sie mit 8,5 Prozent an einem historischen Tiefpunkt. Daraufhin trat der bisherige Vorsitzende Laurent Wauquiez zurück. Bei der Wahl zu dessen Nachfolger am Wochenende setzte sich Jacob mit 63 Prozent klar gegen zwei Rivalen durch.
Als Landwirt, der seit seiner Jugend im elterlichen Betrieb mitarbeitete und deshalb kein Abitur hat, stellt er ein Gegenmodell zur politischen Elite dar, die oft abgehoben wirkt. Zugleich ist Jacob seit 30 Jahren in der Politik und in der konservativen Partei, deren Name mehrmals wechselte. Er wolle Türen und Fenster des „großen Hauses“öffnen, das die Republikaner seien, hat der 59-Jährige angekündigt. Eine Kandidatur bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2022 plane er nicht – das sei „eine Hypothese, an die niemand auch nur gedacht hätte“, schrieb die Zeitung Le Monde. Immerhin wisse man von dem zweifachen Vater, spöttelte sie weiter, dass er die WildschweinJagd und Italowestern liebe. Jacob, der aus dem Departement Seine-etMarne östlich von Paris kommt, gehörte nie zu den charismatischen Schwergewichten oder Visionären der französischen Konservativen, gilt aber als pragmatisch, loyal und erfahren. Er war EU-Parlamentarier, mehrmals Minister, Abgeordneter und sitzt seit 2010 der Fraktion seiner Partei in der Nationalversammlung vor. Als sein Mentor galt der kürzlich verstorbene Ex-Präsident Jacques Chirac. Jacob vertritt dessen moderate Linie, auch wenn er zeitweise innenpolitische Hardliner wie Nicolas Sarkozy unterstützte – je nachdem, wer gerade an der Macht war.
Die heikle Aufgabe des neuen Parteichefs wird darin bestehen, den Republikanern wieder eine hörbare Stimme als Oppositionskraft zu verleihen. Zugleich droht die Spaltung, nachdem sich der rechte Flügel der Partei zumindest in seinen Positionen jenen der Rechtspopulistin Marine Le Pen annähert.
Hauptproblem der Republikaner ist aber Präsident Emmanuel Macron, der ihnen nicht nur Personal wie Wirtschaftsminister Bruno Le Maire oder Premierminister Édouard Philippe abspenstig gemacht hat. Macron fuhr mit seinen Wirtschaftsreformen sowie mit seiner Sicherheitsund Einwanderungspolitik einen ähnlichen Kurs wie die Bürgerlich-Rechten. So drängte er sie erfolgreich ab. Der Mut allein, eine vor sich hin darbende Partei zu übernehmen, dürfte nicht ausreichen, um sie zu alter Stärke zurückzuführen.