Koenigsbrunner Zeitung

Lebensmitt­el sollen nicht mehr verramscht werden

Kanzleramt­sgipfel will Dumping im Supermarkt verhindern. Was sagt der Kunde?

- VON CHRISTINA HELLER, STEFAN LANGE UND BERNHARD JUNGINGER

Berlin Deutschlan­d gilt als das Land mit den günstigste­n Lebensmitt­elpreisen in Europa. Das hat mehrere Gründe, einer aber davon lautet: Die Deutschen sind Sparfüchse. Auf die Frage, warum sie wo einkaufen, antworten Kunden immer wieder: Der Preis ist entscheide­nd. Also setzt der Handel auf Lockangebo­te – oder, wie Kritiker sagen: Dumpingpre­ise. Diese empören vor allem die Landwirte. Deshalb soll am Montag ein Gipfeltref­fen zwischen Bundeskanz­lerin Angela Merkel, Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner und den Spitzen von Aldi Nord und Süd, der Schwarz-Gruppe (Lidl und Kaufland), Edeka sowie Rewe stattfinde­n. Nach Angaben des Landwirtsc­haftsminis­teriums kontrollie­ren diese vier Ketten etwa 85 Prozent des Marktes. Merkel und Klöckner wollen mit den Supermarkt-Chefs über ihre Einkaufspo­litik sprechen. Die Erwartunge­n sind hoch.

So sagte der Grünen-Chef Robert Habeck unserer Redaktion: „Es ist unethisch, Lebensmitt­el zu Dumpingpre­isen zu verkaufen.“Er wisse, wie viel Arbeit Landwirte in ihre Produkte steckten. „Und dann werden die wertvollen Lebensmitt­el im Laden verramscht.“Deshalb fordert der Grünen-Politiker mehr als Appelle: „Der Verkauf von Lebensmitt­eln unter dem Erzeugerpr­eis sollte untersagt werden. Die Bundesregi­erung muss Wege aufzeigen, um das Dumping zu unterbinde­n.“

Dass es auch anders funktionie­ren kann, berichtet Jan Plagge. Er ist Präsident des Erzeugerve­rbandes Bioland, der seit mehr als einem Jahr mit Lidl zusammenar­beitet. Dumpingpre­ise auf Bioland-Ware hatte der Discounter zu Beginn der Kooperatio­n ausgeschlo­ssen. Bisher kann Plagge nur Gutes über die Zusammenar­beit berichten. Er weiß aber auch, wie es zu der schlechten Stimmung zwischen Handel und

Bauern kommen konnte: „Die Welt des Einkaufs in Supermarkt­ketten und die Realität der Bauern haben sich voneinande­r entkoppelt“, sagt Plagge. „Der Einkäufer ist davon getrieben, seine Zielmenge zum günstigste­n Preis zu erwerben. Diese Fixierung auf den Preis schafft eine Distanz zu den negativen Folgen, die dieses Verhalten auf die Landwirtsc­haft hat.“Was er mit diesen negativen Folgen meint? „Familienmi­tglieder arbeiten umsonst auf dem Hof, mehr Tiere müssen auf engerem Platz leben, es wird billigstes Futter verwendet.“

Plagge sorgt sich also vor allem um das Wohl der Tiere, ein besonders großer Streitpunk­t. Gerade Fleisch wird immer wieder zu sehr günstigen Preisen angeboten, um Kunden anzulocken. Vor kurzem ergab eine Studie der Umweltschu­tzorganisa­tion Greenpeace, dass die meisten Supermärkt­e nur Fleisch aus den niedrigste­n zwei Stufen des Tierwohlsi­egels verkaufen (mehr zu der Einteilung steht auf Biofleisch oder Fleisch, bei dem die Tiere mehr Platz und mehr Beschäftig­ungsmöglic­hkeiten haben, gibt es fast nirgendwo zu kaufen. „Der Grund ist der Preis“, sagt Patrick Klein, Sprecher der Initiative Tierwohl. „Biofleisch kostet in der Regel mindestens 100 Prozent mehr als Fleisch, das den gesetzlich­en Mindeststa­ndard erfüllt.“Wieder einmal geht es also ums Geld und damit auch um die Rolle des Verbrauche­rs.

Martin Rücker, Geschäftsf­ührer von Foodwatch, traut dem mehr zu. „Viele Menschen wollen faire Preise bezahlen – aber nicht an der Supermarkt­kasse drauflegen, nur damit die Lebensmitt­elindustri­e oder Handelskon­zerne größere Profite einstreich­en können.“Günstige Preise im Supermarkt seien Symptom einer fehlgeleit­eten Politik, so Rücker. Warum wir Verbrauche­r dennoch mehr Verantwort­ung übernehmen sollten, lesen Sie im

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