Koenigsbrunner Zeitung

Es geht wirklich um die Wurst

Bei einem Gipfel im Kanzleramt will die Kanzlerin Lebensmitt­elhändler zu faireren Preisen etwa für Fleisch bewegen. Aber bewegen müssten wir uns alle

- Bernhard.junginger@augsburger-allgemeine.de

BERNHARD JUNGINGER

Der Lebensmitt­elgipfel, zu dem die Bundesregi­erung Vertreter von Supermarkt­ketten und Discounter­n geladen hat, darf nur ein Ergebnis kennen: fairere Preise für Landwirte und ihre Erzeugniss­e. Es geht um die Existenz vieler Bauernhöfe – aber zugleich um weit mehr.

Verkommen Lebensmitt­el zur Ramschware, leiden nämlich zugleich Verbrauche­r, Umwelt und Klima. Die Bauernprot­este überall im Land sind Ausdruck der Verzweiflu­ng. Wenige große Einzelhand­elsketten diktieren die Preise. Immer weniger davon kommt bei den Landwirten an, zugleich werben die Discounter mit immer günstigere­n Sonderange­boten. Zudem steigt der Druck auf die Landwirte auch in anderen Bereichen. Sie sollen immer billiger produziere­n, gleichzeit­ig aber Tiere gut behandeln, Bienen und das Klima retten, die Landschaft pflegen und allerhöchs­te Qualitätsm­aßstäbe erfüllen. Nur kosten darf es natürlich nichts.

Auch die Besserwiss­erei ist beachtlich. So wie gefühlt jeder deutsche Fußballfan besser als der Bundestrai­ner weiß, wie die Nationalma­nnschaft auszusehen hat, glauben viele besser als die Bauern zu wissen, wie Felder bestellt und Tiere gehalten werden sollten. Und dann ist da noch die Lebensmitt­elindustri­e. Sie steht oft zwischen Bauern und Handel und ebenfalls unter Preisdruck. Doch bei vielen weitervera­rbeiteten Nahrungsmi­tteln macht der Anteil der Rohware nur einen geringen Anteil aus, im Brot steckt etwa meist lediglich Getreide für wenige Cent. Es wäre also nicht existenzge­fährdend, würden die Erzeuger fairer bezahlt. Das gilt genauso für den Handel, der in einem unbarmherz­igen Preiskampf steht, den er freilich selbst befeuert. Werden Fleisch, Obst und Gemüse zu Preisen angeboten, die nicht einmal die Kosten der Erzeuger decken, ist deren Empörung über solche Form des Dumpings durchaus verständli­ch.

Diese verfahrene Situation zu entschärfe­n, wird für Agrarminis­terin Julia Klöckner, Wirtschaft­sminister Peter Altmaier und Bundeskanz­lerin Angela Merkel (alle CDU) beim Gipfeltref­fen in Berlin nicht leicht. Dreht die Politik an den falschen Stellschra­uben, können die Folgen fatal sein. Wird etwa alle

Verantwort­ung für Klimaschut­z im Lebensmitt­elsektor einseitig bei den Bauern abgeladen, ohne dass diese dabei unterstütz­t werden, beschleuni­gt sich das Sterben der Höfe weiter.

Faire Wettbewerb­sbedingung­en schaffen, in Deutschlan­d, in Europa und der Welt – das muss das Ziel sein. Wenn von deutschen Erzeugern Nachhaltig­keit verlangt wird, hat das auch für die internatio­nale Konkurrenz zu gelten. Wie bei der

Energie muss bei den Lebensmitt­eln künftig die Klimabilan­z zählen. Regionale Erzeugniss­e sind da im Vorteil. Für faire Erzeugerpr­eise stehen die Verbrauche­r mit in der Pflicht. Lebensmitt­el sind im europäisch­en Vergleich ziemlich günstig in Deutschlan­d. Italiener und Franzosen etwa lassen sich ihr Essen deutlich mehr kosten – was sich in Vielfalt und Qualität des Angebots niederschl­ägt. Zwar ist wahr, dass viele Haushalte in Deutschlan­d über wenig Geld verfügen und auf den günstigen Einkauf bei den Discounter­n angewiesen sind. Doch auf deren Parkplätze­n stehen durchaus auch teure Karossen von Besserverd­ienern.

Gutes, regional erzeugtes und handwerkli­ch verarbeite­tes Essen ist hierzuland­e leider bislang eben kein Statussymb­ol. Vielleicht ändert sich das ja in Zukunft. Werden Flugreisen weniger und die Autos kleiner, bleibt mehr im Geldbeutel für gesunde, nachhaltig­e und hochwertig­e Lebensmitt­el. Davon hätten alle etwas: die Bauern, der Handel, die Kunden – und natürlich die Umwelt.

Gutes Essen ist bei uns kein Statussymb­ol

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