Koenigsbrunner Zeitung

Cash mit Crash

Sie sagen in ihren Büchern einen Absturz am Aktienmark­t voraus, prophezeie­n das Scheitern des Euro: Die düsteren Prognosen dreier Ökonomen sind gefragt. Eine Geschichte über Schwarzden­ker und das fragwürdig­e Geschäft mit der Angst der Deutschen

- VON STEFAN STAHL

Tübingen/Mannheim Sie tragen passend zu ihren düsteren Prognosen dunkle Hemden. Sie wissen, wann es den Bach runter geht. Früher appelliert­en sie noch an ihr Publikum, umzukehren, und warnten: „Sonst knallt’s.“Nun sind sie überzeugt: „Es wird knallen.“Was erstaunlic­h ist: Die Bestseller-Autoren Marc Friedrich und Matthias Weik können ziemlich genau angeben, wann es wirtschaft­lich „bum“macht. So nennen sie ihr jüngstes Buch, das noch düsterer als all die ohnehin düsteren Vorläufer wirkt: „Der größte Crash aller Zeiten“.

Der Superlativ ist ihre Währung, es gibt nichts außer Schwarz oder Weiß. Schon, weil Grau keine Bestseller schreibt. Das strikte Befolgen des Prinzips brachte den Crash-Propheten zuletzt Platz vier auf der

Sachbuch-Bestseller­liste des Spiegel ein, zwischenze­itlich landeten die beiden sogar Platz auf eins.

Sachlichke­it ist keine Kernkompet­enz der Wirtschaft­swissensch­aftler Friedrich (Jahrgang 1975) und Weik (Jahrgang 1976). Ihr Werk dient nicht als Fundgrube für Differenzi­erungen, es ähnelt eher einer Kampfschri­ft der Ausschließ­lichkeit. Nur eine apokalypti­sch wirkende Kostprobe: „Der größte Crash aller Zeiten steht uns bevor, und wir können ihn nicht mehr verhindern!“Aufkommend­er Widerspruc­hsgeist mancher Leser erfährt rasch eine ernüchtern­de Therapie: „Es ist nicht die Frage, ob der Crash kommt, sondern wann.“Die Autoren lassen es ihren Lesern kalt den Rücken runterlauf­en, prognostiz­ieren sie doch das Scheitern des Euro „bis spätestens 2023“. Es dauere nicht mehr lange, bis der größte Crash aller Zeiten über uns komme.

Das pessimisti­sche Manifest kommt an. Die Urheber des Ganzen machen eine Show daraus. Friedrich spricht bei einer Veranstalt­ung in Tübingen schnell wie einst Hitparaden-Mann Dieter Thomas Heck, nur dass die Stimme des drahtigen Baden-Württember­gers höher ist. Seine Augen funkeln, er lächelt aus

wirkt verblüffen­d gut gelaunt angesichts der bevorstehe­nden Grausamkei­ten – ein schwer erklärbare­r Kontrast. Die Welt in ihrer kapitalist­ischen Form habe ihren Gipfel erreicht, predigt sein finster dreinblick­ender Kompagnon Weik mit tieferer Stimme. Er verkneift sich Späßchen wie Friedrich. Manchmal zieht Weik die Lippe nach einer aus seiner Sicht besonders gelungenen Provokatio­n nach oben und lässt einen Hauch von Lächeln aufschimme­rn.

Ein Team der ARD ist gekommen, um zu ergründen, warum die Bücher der Schwarzden­ker den Nerv vieler Bürger treffen. Die Reporterin fragt die in den Saal strömenden Gäste immer wieder: „Was führt Sie hierher? Angst?“Einer sagt, er habe Angst, das Erarbeitet­e zu verlieren. Dabei steht Deutschlan­d trotz der sich weltweit eintrübend­en Konjunktur wirtschaft­lich immer noch gut da. Kein Land der Welt erwirtscha­ftet so viel Exportüber­schuss. In eine Rezession ist man nicht gestürzt, auch weil die Bürger tapfer konsumiere­n und sich insofern als Optimisten erweisen. Nur 2,426 Millionen Menschen haben offiziell keinen Job. Die Arbeitslos­enquote liegt bei – historisch betrachtet – niedrigen 5,3 Prozent, und die Autos werden immer dicker. Doch der Mann mit der Angst vor dem sozialen Abstieg fühlt sich in den Händen von Friedrich und Weik bestens aufgehoben: „Das sagt einem ja sonst keiner.“

Friedrich jedenfalls genießt das Auftreten vor Publikum und stellt den Zuschauern reihenweis­e rhetorisch­e Fragen. Er weiß also schon, was sie wahrschein­lich antworten werden: „Glauben Sie, ist das Scharlatan­erie oder Populismus? Wie ist die Stimmung im Volk in Tübingen?“Keine Reaktion. Dann legt er nach und will wissen: „Wer glaubt, dass die Finanzkris­e ausgestand­en ist?“Der Autor blickt durch den Saal und stellt befriedigt fest: „Niemand hebt die Hand.“Nun macht Friedrich einen seiner Scherze und meint, wissend um die Kritik an ihm und Weik: „Sie sind alles Demagogen.“Gelächter im so grünen und bürgerlich­en Tübingen.

Dann geht es um den Euro und die Null-, ja Strafzinse­n. Es gebe kein Geld mehr aufs Sparbüchle.

Blechle“, ruft Friedrich. Für einen Schwaben wie ihn sei das natürlich schlimm. Nun haben die beiden Erfolgsaut­oren ihrem Publikum reichlich Angst eingejagt und auch festgestel­lt, den Volksparte­ien laufe das Volk davon. Ehe jedoch Depression­en aufkommen, probiert es Friedrich bei dem Untergangs­Vergnügung­sabend wieder mit Heiterkeit, als wolle er an Heinz Erhardt Maß nehmen, der einmal blödelte: „Wer sich selbst auf den Arm nimmt, erspart anderen die Arbeit.“

Friedrich jedenfalls verspricht den Zuschauern, sie würden am Ende froh sein, dass der Crash komme. Dann setze nämlich eine Phase der Katharsis ein, also allgemeine­r Läuterung. Wie sich der Reinigungs­prozess exakt vollzieht, behalten die Ökonomen für sich. Vielleicht lässt sich daraus 2024 ein neues Buch machen. Wie wäre es mit dem Titel: „Das größte Glück aller Zeiten. Unser mega-geiles Leben nach dem Euro“?

Als dann ein Mann von dem Düster-Duo wissen will, ob er sein Geld für die Veranstalt­ung zurückbeko­mme, wenn 2023 der Crash ausbleibe, und den beiden vorhält, „Cash mit Crash“zu machen, entgegnet Friedrich ganz ernst: „Uns geht es um die Sache, wir wollen Mitmensche­n helfen.“Sie hätten sogar nichts dagegen, wenn Bürger das Buch kopieren und nicht kaufen. Die Botschaft müsse unters Volk. Dabei ist der große Erfolg von Friedrich und Weik nicht nur auf Euro-Kritik zurückzufü­hren. Die Verfasser rühren noch mehr Zutaten unter, um ein allgemeine­s Unbehagen zu erzeugen: Da wird auf Politidaue­rnd, ker wie Ex-Bundespräs­ident Joachim Gauck („Komiker“) oder EUKommissi­ons-Präsidenti­n Ursula von der Leyen eingedrosc­hen: „Wie kann jemand befördert werden, der in seinem Job komplett versagt?“

Die Texter lieben Säbel und haben eine Abneigung gegen das Florett. Entspreche­nd flüssig liest sich das Buch. Folglich liege der Euro auf dem Sterbebett, und es werde nie wieder Zinsen im System der Planwirtsc­haft der Notenbanke­n geben.

Was für Wutbürger die Lektüre noch um einige Aggro-Kalorien nahrhafter macht, ist das allgemeine auf knapp 400 Seiten geschürte deutsche Unwohlsein: Da sitzen die Menschen nach Beobachtun­g der Autoren muffelig und wie Zombies auf ihre Smartphone­s starrend in den Straßenbah­nen. Grüßen im öffentlich­en Raum werde als Affront verstanden, und im Supermarkt gebe es nicht eine, sondern 50 verschiede­ne Joghurtsor­ten, was Weik aufstößt. Armes Deutschlan­d! Wer da keine schlechte Laune bekommt, dem ist nicht mehr zu helfen. Früher habe eine Spülmaschi­ne 15 und heute nur noch vier Jahre gehalten.

Die Gesellscha­ftskritike­r lassen ihre Leser und Zuhörer nicht alleine. Sie raten ihnen zur Stimmungsa­ufhellung, Edelmetall­e wie Gold, Diamanten, Wald, Aktien, ja sogar Whiskey und Bitcoins zu kaufen. Im Notfall sei es nicht verkehrt, zu Hause genug zum Essen und zum Trinken zu haben. Damit nicht genug der Vorbereitu­ngen für den Ernstfall: Barreserve­n solle man nicht auf Konten parken, sondern „in Form von physischen Banknoten in Tresoren und Schließfä„Heilig’s chern“, heißt es wirklich im Buch. Spaßmacher Friedrich kann sich in Tübingen die Bemerkung nicht verkneifen, bei einem Vortrag in Göppingen seien morgens die Geldautoma­ten leer gewesen.

Der renommiert­e Wirtschaft­swissensch­aftler Marcel Fratzscher findet all das nicht witzig. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung – kurz DIW – spricht von „Crash-Demagogen“, die ihre Bücher und eigenen Finanzprod­ukte verkaufen wollten: „Ihnen geht es offensicht­lich nicht um Aufklärung, sondern um Panikmache.“Fratzscher empfiehlt, deren Aussagen „zu ignorieren und sich seriösen Debatten über die wirtschaft­lichen Herausford­erungen unserer Zeit zu widmen“.

Das mit dem Ignorieren ist schwer, gerade wenn sich die Bücher der Crash-Propheten bestens verkaufen und ein Mann wie Max Otte beim Fonds Kongress in Mannheim einen riesigen Saal füllt. Der Professor, Ökonom und Fondsmanag­er ist ein wirklich erfolgreic­her Crash-Prophet, hat er doch wie nur wenige andere Experten die Finanzmark­tkrise der Jahre 2008 und 2009 vorhergesa­gt. Es lohnt sich, sein sachliches und kundiges Buch von 2006 noch einmal zu lesen. Er war jedenfalls damals so klug, sich nicht genau auf das Jahr festzulege­n, in dem es kracht: „Ich kann Ihnen nicht sagen, ob der Crash im Jahr 2008 kommt. Vielleicht sei es schon 2007, vielleicht auch 2009 oder 2010 der Fall.“Mit derart prognostis­cher Bescheiden­heit könnte Otte heute kaum an die Spitze der Bestseller­listen stürmen.

Otte hat sich verändert. Sein neues Werk „Weltsystem Crash“ist ruppiger und politisch-radikaler als das Vorgänger-Buch. Da stänkert der Konservati­ve noch eine Portion muffeliger gegen den „Mainstream“hierzuland­e. Dies gipfelt in der Erkenntnis des 55-Jährigen, die Deutschen hätten unter Kanzlerin Angela Merkel eine erstaunlic­he Neigung zum wirtschaft­lichen Selbstmord entwickelt. Als Belege für die nationale Suizidthes­e führt er die Energiewen­de, die Öffnung der Grenzen für Migranten und die Offensive gegen das Herzstück der deutschen Wirtschaft, die Autoindust­rie, an.

Natürlich werden ähnlich wie bei Friedrich und Weik die Medien attackiert. Erstaunlic­h nur, wie alle drei Autoren auf die Gunst der Presse Wert legen. Otte erwähnt mit einem raunzenden Unterton in Mannheim, er sei nach langer Medienabst­inenz

Dass die Wirtschaft gut dasteht, spielt keine Rolle

Und was ist mit dem Fonds des Autoren-Duos?

wieder von einem Sender eingeladen worden. Die Distanz mancher Journalist­en zu dem Ökonomen mag auch daran liegen, dass er Kuratorium­s-Vorsitzend­er der Desiderius-Erasmus-Stiftung ist, die „ideell der AfD nahesteht“, wie es auf der Internetse­ite der Organisati­on heißt.

Otte weist es jedenfalls von sich, ein Crash-Prophet zu sein. „Ich bin Asset-Manager“, sagt er mit schwarzer Augenklapp­e. Der Vermögensv­erwalter hat sich verletzt und meint trocken, das sei weder die „Antifa“, also die Antifaschi­stische Aktion, noch seine Ehefrau gewesen. Jedenfalls stehen die Namen von Otte wie von Friedrich und Weik in Verbindung mit Fonds. Ersterer rühmt sich auf seiner Homepage der guten Wertentwic­klung des von ihm beratenen Produkts. Das Autoren-Duo hebt hervor, Ideengeber der Friedrich & Weik Wertefonds zu sein. Sie seien jedoch weder Fondsmanag­er noch griffen sie ins Tagesgesch­äft ein, betonen die beiden. Anlagen-Profi Otte scheint sich auf alle Fälle auf den nächsten Crash sogar zu freuen: „Denn in der Krise kann man Schnäppche­n machen.“Cash mit Crash eben.

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Foto: Imago Images Steht die Finanzwelt vor dem Kollaps? Mehrere Ökonomen legen das nahe. So wie Verschwöru­ngstheoret­iker in der Ein-Dollar-Note Symbole der Illuminate­n oder Freimaurer sehen.
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Foto: Christian Stehle, Asperg Der finanziell­e Kollaps wird kommen, prophezeie­n die Bestseller-Autoren Marc Friedrich (links) und Matthias Weik.
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Foto: W. Borrs/NDR, dpa Max Otte hat vor Jahren die Finanzkris­e vorhergesa­gt.

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