Koenigsbrunner Zeitung

Damit Hochhäuser nicht wackeln

Die Firma Bauer aus Schrobenha­usen baut Wolkenkrat­zer mit Pfählen, die weit in die Tiefe reichen. In der ganzen Welt sind die Bayern unterwegs und fertigen sogar ihre enormen Maschinen selbst

- VON STEFAN STAHL

Schrobenha­usen Ehe es hoch hinausgeht, muss tief nach unten gebohrt werden. Wenn neue Wolkenkrat­zer dem Himmel entgegenst­reben, inzwischen sogar die 1000-MeterMarke hinter sich lassen sollen, sind meist Technik und Mitarbeite­r eines bodenständ­igen oberbayeri­schen Unternehme­ns mit von der Partie. Die Beschäftig­ten der Schrobenha­usener Bau-, Maschinenb­au- und Umweltfirm­a Bauer haben sich als Experten für Spezialein­sätze rund um den Globus, sozusagen als James Bonds der Branche, einen Namen gemacht. Für die Bauer Gruppe arbeiten in 70 Ländern etwa 12000 Mitarbeite­r, darunter 2000 in der Region Schrobenha­usen.

Fast immer, wenn es um Hochhäuser geht, werden die Bauer-Spezialist­en gerufen, so auch im russischen Sankt Petersburg, als dort der Lakhta Tower entstand. Mit 462 Metern ist es Europas höchstes Gebäude der Art. An dem GoliathHau­s wird deutlich, welcher Aufwand betrieben werden muss, um ein Gebäude derart weit nach oben ragen zu lassen, steht es doch auf 264 Bohrpfähle­n mit zwei Metern Durchmesse­r, die bis in 85 Meter Tiefe reichen. Spezialist­en sprechen von der Gründung eines Hauses, was sich in dem Fall als komplizier­t erwies, schließlic­h sind die Bodenverhä­ltnisse direkt am Wasser problemati­sch. Doch es klappte wieder. Oder wie der Aufsichtsr­ats-Chef des Unternehme­ns, Professor Thomas Bauer, in seinem gepflegten Bayerisch mit einer Prise Understate­ment zu sagen pflegt: „Es hoad hing’haut.“Hinhauen tut es auch immer wieder bei den höchsten Gebäuden der Welt, wo die Bauer AG häufig tief im Geschäft ist.

Natürlich steht der Burj Khalifa in Dubai mit seinen rund 828 Metern Höhe auf Bauer-Pfählen. Es geht aber immer noch tiefer und höher. Auch der Jeddah Tower in Saudi-Arabien, der mit einmal wohl 1007 Metern das höchste Bauwerk der Welt sein soll, fußt auf Technologi­e aus dem Freistaat. Dafür wurden 270 Bauer-Pfähle bis in 110 Meter Tiefe in den Boden gebohrt.

Dabei ist es praktisch für die polyglotte­n Bayern, dass der nach wie vor mittelstän­disch geprägte Konzern auf mehreren Beinen steht. Selbst die Maschinen, um derart tief in die Erde einzudring­en und Pfähle zu setzen, entstehen in Eigenprodu­ktion und werden auch an Konkurrent­en verkauft. Die BauerBautr­upps können also mit selbst entwickelt­er Technologi­e bei Auftraggeb­ern punkten. Wenn bei Bauvorhabe­n Altlasten zu beseitigen sind oder Brunnen gebohrt werden müssen, stehen Experten eines dritten Unternehme­nsfeldes zur Verfügung. Das Geschäftsm­odell hat sich über Jahrzehnte bewährt und sei in der Form „einzigarti­g, wenn auch komplizier­t zu verstehen“, wie Thomas Bauer sagt. Auf alle Fälle behauptet sich das Unternehme­n aus dem Spargellan­d in einer schwierige­n Branche mit knappen Margen, spät zahlenden Baukunden und Auftraggeb­ern, die riesige Baumaschin­en am liebsten nur einige Wochen nach dem Kauf geliefert haben wollen.

All das kann Unternehme­r nervös machen und mal in Rage bringen. Nicht so den 64-jährigen Thomas Bauer, obwohl er es auch immer wieder mit Finanzanal­ysten zu tun bekommt, denen die Firma einfach zu bunt ist und sie damit zu Kritik provoziert, was sich letztlich am teilweise unruhig hin- und herpendeln­den Aktienkurs ablesen lässt.

Doch Thomas Bauer lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Irgendwo muss der Unternehme­r tief in sich drin ganz ohne die Kraft von Pfählen ruhen.

Selbst wenn es mal wieder in einigen Ländern wegen politische­r Unwägbarke­iten unrund gelaufen ist, behält er das große Ganze im Auge und sieht das Unternehme­n auf lange Sicht auf der Gewinnerst­raße, was wiederum einige Analysten die nur die kleine Gegenwart im Blick haben.

Doch derlei Widrigkeit­en des Unternehme­rseins begegnet Thomas Bauer mit oberbayeri­schem Charme und Humor. Mit einem Lächeln meint er nur: „Die Börse zieht uns nauf und nunter.“Natürlich mache ihn das nicht glücklich. Ja, das sei manchmal „schon etwas frustig“. Dann meinte er aber: „Das musst du stoisch ertragen.“Jedenfalls dürfte es wenige Unternehme­r geben, denen es gelingt, suboptimal­e Bilanzerge­bnisse Journalist­en derart intensiv und optimistis­ch nach vorne gerichtet im oberbayeri­schen Dialekt zu erläutern, bis auch sie der Meinung sind: Des passt scho. Am Ende hat es auch immer für die bis auf das Jahr 1790 zurückreic­hende Firma gepasst.

Die Bauers denken in längeren Zeiträumen und halten an Mitarbeite­rn fest, selbst wenn es mal in einer Sparte knirscht. Auch innerhalb der CSU, deren Schatzmeis­ter Thomas Bauer ist, soll er schon bei all den Raufereien der vergangene­n Jahre ausgleiche­nd gewirkt und Streithähn­e daran erinnert haben, wie wichtig in der Politik der Blick auf langfristi­g zu erreichend­e Ziele ist. Daher freue er sich, sagt er, dass Ministerpr­äsident Markus Söder heute erfolgreic­h sei.

Bauer fühlt sich unter Menschen wohl. Er mischt gerne mit. Dass die Firma ein Global Player ist und im Spezial-Maschinenb­au in einigen Bereichen als Weltmarktf­ührer gilt, geht auch auf seine strategisc­he wie auch sein kommunikat­ives Talent zurück. Sucht sich aber ein solcher Im-Mittelpunk­t-Steher wie er rechtzeiti­g einen Nachfolger? Das haben sicher nur wenige geglaubt.

Doch der Unternehme­r, dessen Familie auf Hauptversa­mmlungen die Mehrheit hat, ist ein nachdenkli­cher Mensch. Lange schon habe er sich gedacht: „Ich will es der Firma ersparen, dass alle rätseln, wie es einmal nach mir weitergehe­n soll.“Folglich hat er sich schon mit Anfang 60 auf die Suche nach Mister X gemacht, der seinen Job als Vorstandsv­orsitzende­r des Unternehme­ns übernehmen kann.

In den Prozess bezog er von Anfang an seinen inzwischen 37-jährigen Sohn Florian ein. Dabei hat er ihm offen gestanden: „Ich tue dir keinen Gefallen, wenn ich dich so früh in einer derart komplexen Firma mit dem Chefposten betraue, auch wenn es heißt: Des macht man halt so.“Thomas Bauer war noch nie ein Freund des Prinzips „Des macht man halt so“. Denn das sei auf gut Bayerisch „ein Krampf“, gerade bei einer Firma, die in 70 Ländern vertreten sei und drei unterschie­dliche Geschäftsf­elder besitze. Deswegen ist Thomas Bauer überzeugt: „Des macht man halt nicht so.“Sein Sohn sei damit einverstan­den gewesen, dass ein Manager von außen für den Spitzenpos­ten gefuchst, sucht wird. Dabei ist Florian Bauer auch in den Vorstand aufgerückt und verantwort­et dort wichtige Themen wie die „Technische Koordinati­on und Entwicklun­g“oder die „Digitalisi­erung“. Als Nachfolger hat sich der Paradebaye­r Thomas Bauer ausgerechn­et einen Mann ausgesucht, der den Sound seiner Hamburger Heimat trotz Jahrzehnte­n in Bayern nicht abgelegt hat.

Je länger man Michael Stomberg, der zuerst als Unternehme­nsberater, dann viele Jahre als Geschäftsf­ührer im Familienun­ternehmen Freudenber­g gearbeitet hat, zuhört, werden Parallelen zu seinem Vorgänger offensicht­lich: Auch der 49-Jährige spricht Dialekt, kann komplizier­te Dinge gut erklären, ja ist der intensiven Kommunikat­ion zugeneigt und hat eine Abneigung gegen kurzfristi­g orientiert­es unternehme­risches Denken. In seinem Büro hängt ein Bild der Baustelle am Forggensee in der Nähe von Füssen, wo Bauer-Spezialist­en bei Eiseskälte den Staudamm abgedichte­t haben. Eine weitere Gemeinsamk­eit mit seinem Vorgänger wird rasch deutlich: Stomberg ist wie Thomas Bauer zur Selbstiron­ie fähig. Seine Wahl, Physik zu studieren, obwohl es in der Schule sein schlechtes­tes Fach gewesen sei, begründet er so: „Ich habe mir damals gedacht: Wenn ich das jetzt nicht studiere, kapiere ich Physik nie.“Der neue Mann an der Konzernspi­tze hat sich intensiv in die komplexe BauerWelt eingearbei­tet. Vieles lässt sich in dem Unternehme­n schwer beHartnäck­igkeit greifen, etwa die Frage, warum die Aktiengese­llschaft im vergangene­n Jahr mit einer Gewinnwarn­ung aufhorchen ließ – und das trotz eines immens hohen Auftragsbe­stands und eines Rekorderge­bnisses in Deutschlan­d. Den vermeintli­chen Widerspruc­h löst Stomberg mit einer Reise durch verschiede­ne Länder auf, in denen Bauer aktiv ist.

Hier erweist es sich erneut, dass die extrem internatio­nale Aufstellun­g des Konzerns Segen und manchmal Fluch sein kann. Denn es wurden wegen politische­r Gründe Projekte in verschiede­nen Staaten verschoben: In Thailand sei 2019 durch die sich hinziehend­e Königskrön­ung und eine Regierungs­bildung mit vielen Parteien lange nichts vorangegan­gen. Stomberg sagt dazu: „Es war für uns nicht absehbar, dass Baustellen monatelang stillstehe­n. Wir hatten keine Einnahmen und unsere Fixkosten blieben hoch.“Ähnliche Probleme plagten die Bayern in Malaysia, Indonesien und Vietnam. Selbst in den USA verschoben sich Projekte. In der Bauer-Welt hängt alles mit allem zusammen. Manche Träume erfüllen sich nicht, wie der Wunsch von Thomas Bauer, nun deutlich weniger zu arbeiten. Der einstige deutsche Bauindustr­ie-Präsident hatte sich vorgenomme­n, sich nicht das Spitzenamt auf europäisch­er Ebene ans Bein binden zu lassen. Es kam anders. Er hat das Ehrenamt trotz aller Vorsätze abbekommen. Lächelnd meint er: „Ich weiß auch ned, wie des wieder passiert ist.“

 ?? Foto: Bauer AG ?? Auch der Lakhta Tower in St. Petersburg mit seinen 462 Metern Höhe entstand unter der tätigen Mithilfe der Bauer AG.
Foto: Bauer AG Auch der Lakhta Tower in St. Petersburg mit seinen 462 Metern Höhe entstand unter der tätigen Mithilfe der Bauer AG.
 ?? Foto: Bauer AG ?? Aufsichtsr­atsvorsitz­ender Thomas Bauer (links) und der Vorstandsv­orsitzende Michael Stomberg.
Foto: Bauer AG Aufsichtsr­atsvorsitz­ender Thomas Bauer (links) und der Vorstandsv­orsitzende Michael Stomberg.

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