Damit Hochhäuser nicht wackeln
Die Firma Bauer aus Schrobenhausen baut Wolkenkratzer mit Pfählen, die weit in die Tiefe reichen. In der ganzen Welt sind die Bayern unterwegs und fertigen sogar ihre enormen Maschinen selbst
Schrobenhausen Ehe es hoch hinausgeht, muss tief nach unten gebohrt werden. Wenn neue Wolkenkratzer dem Himmel entgegenstreben, inzwischen sogar die 1000-MeterMarke hinter sich lassen sollen, sind meist Technik und Mitarbeiter eines bodenständigen oberbayerischen Unternehmens mit von der Partie. Die Beschäftigten der Schrobenhausener Bau-, Maschinenbau- und Umweltfirma Bauer haben sich als Experten für Spezialeinsätze rund um den Globus, sozusagen als James Bonds der Branche, einen Namen gemacht. Für die Bauer Gruppe arbeiten in 70 Ländern etwa 12000 Mitarbeiter, darunter 2000 in der Region Schrobenhausen.
Fast immer, wenn es um Hochhäuser geht, werden die Bauer-Spezialisten gerufen, so auch im russischen Sankt Petersburg, als dort der Lakhta Tower entstand. Mit 462 Metern ist es Europas höchstes Gebäude der Art. An dem GoliathHaus wird deutlich, welcher Aufwand betrieben werden muss, um ein Gebäude derart weit nach oben ragen zu lassen, steht es doch auf 264 Bohrpfählen mit zwei Metern Durchmesser, die bis in 85 Meter Tiefe reichen. Spezialisten sprechen von der Gründung eines Hauses, was sich in dem Fall als kompliziert erwies, schließlich sind die Bodenverhältnisse direkt am Wasser problematisch. Doch es klappte wieder. Oder wie der Aufsichtsrats-Chef des Unternehmens, Professor Thomas Bauer, in seinem gepflegten Bayerisch mit einer Prise Understatement zu sagen pflegt: „Es hoad hing’haut.“Hinhauen tut es auch immer wieder bei den höchsten Gebäuden der Welt, wo die Bauer AG häufig tief im Geschäft ist.
Natürlich steht der Burj Khalifa in Dubai mit seinen rund 828 Metern Höhe auf Bauer-Pfählen. Es geht aber immer noch tiefer und höher. Auch der Jeddah Tower in Saudi-Arabien, der mit einmal wohl 1007 Metern das höchste Bauwerk der Welt sein soll, fußt auf Technologie aus dem Freistaat. Dafür wurden 270 Bauer-Pfähle bis in 110 Meter Tiefe in den Boden gebohrt.
Dabei ist es praktisch für die polyglotten Bayern, dass der nach wie vor mittelständisch geprägte Konzern auf mehreren Beinen steht. Selbst die Maschinen, um derart tief in die Erde einzudringen und Pfähle zu setzen, entstehen in Eigenproduktion und werden auch an Konkurrenten verkauft. Die BauerBautrupps können also mit selbst entwickelter Technologie bei Auftraggebern punkten. Wenn bei Bauvorhaben Altlasten zu beseitigen sind oder Brunnen gebohrt werden müssen, stehen Experten eines dritten Unternehmensfeldes zur Verfügung. Das Geschäftsmodell hat sich über Jahrzehnte bewährt und sei in der Form „einzigartig, wenn auch kompliziert zu verstehen“, wie Thomas Bauer sagt. Auf alle Fälle behauptet sich das Unternehmen aus dem Spargelland in einer schwierigen Branche mit knappen Margen, spät zahlenden Baukunden und Auftraggebern, die riesige Baumaschinen am liebsten nur einige Wochen nach dem Kauf geliefert haben wollen.
All das kann Unternehmer nervös machen und mal in Rage bringen. Nicht so den 64-jährigen Thomas Bauer, obwohl er es auch immer wieder mit Finanzanalysten zu tun bekommt, denen die Firma einfach zu bunt ist und sie damit zu Kritik provoziert, was sich letztlich am teilweise unruhig hin- und herpendelnden Aktienkurs ablesen lässt.
Doch Thomas Bauer lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Irgendwo muss der Unternehmer tief in sich drin ganz ohne die Kraft von Pfählen ruhen.
Selbst wenn es mal wieder in einigen Ländern wegen politischer Unwägbarkeiten unrund gelaufen ist, behält er das große Ganze im Auge und sieht das Unternehmen auf lange Sicht auf der Gewinnerstraße, was wiederum einige Analysten die nur die kleine Gegenwart im Blick haben.
Doch derlei Widrigkeiten des Unternehmerseins begegnet Thomas Bauer mit oberbayerischem Charme und Humor. Mit einem Lächeln meint er nur: „Die Börse zieht uns nauf und nunter.“Natürlich mache ihn das nicht glücklich. Ja, das sei manchmal „schon etwas frustig“. Dann meinte er aber: „Das musst du stoisch ertragen.“Jedenfalls dürfte es wenige Unternehmer geben, denen es gelingt, suboptimale Bilanzergebnisse Journalisten derart intensiv und optimistisch nach vorne gerichtet im oberbayerischen Dialekt zu erläutern, bis auch sie der Meinung sind: Des passt scho. Am Ende hat es auch immer für die bis auf das Jahr 1790 zurückreichende Firma gepasst.
Die Bauers denken in längeren Zeiträumen und halten an Mitarbeitern fest, selbst wenn es mal in einer Sparte knirscht. Auch innerhalb der CSU, deren Schatzmeister Thomas Bauer ist, soll er schon bei all den Raufereien der vergangenen Jahre ausgleichend gewirkt und Streithähne daran erinnert haben, wie wichtig in der Politik der Blick auf langfristig zu erreichende Ziele ist. Daher freue er sich, sagt er, dass Ministerpräsident Markus Söder heute erfolgreich sei.
Bauer fühlt sich unter Menschen wohl. Er mischt gerne mit. Dass die Firma ein Global Player ist und im Spezial-Maschinenbau in einigen Bereichen als Weltmarktführer gilt, geht auch auf seine strategische wie auch sein kommunikatives Talent zurück. Sucht sich aber ein solcher Im-Mittelpunkt-Steher wie er rechtzeitig einen Nachfolger? Das haben sicher nur wenige geglaubt.
Doch der Unternehmer, dessen Familie auf Hauptversammlungen die Mehrheit hat, ist ein nachdenklicher Mensch. Lange schon habe er sich gedacht: „Ich will es der Firma ersparen, dass alle rätseln, wie es einmal nach mir weitergehen soll.“Folglich hat er sich schon mit Anfang 60 auf die Suche nach Mister X gemacht, der seinen Job als Vorstandsvorsitzender des Unternehmens übernehmen kann.
In den Prozess bezog er von Anfang an seinen inzwischen 37-jährigen Sohn Florian ein. Dabei hat er ihm offen gestanden: „Ich tue dir keinen Gefallen, wenn ich dich so früh in einer derart komplexen Firma mit dem Chefposten betraue, auch wenn es heißt: Des macht man halt so.“Thomas Bauer war noch nie ein Freund des Prinzips „Des macht man halt so“. Denn das sei auf gut Bayerisch „ein Krampf“, gerade bei einer Firma, die in 70 Ländern vertreten sei und drei unterschiedliche Geschäftsfelder besitze. Deswegen ist Thomas Bauer überzeugt: „Des macht man halt nicht so.“Sein Sohn sei damit einverstanden gewesen, dass ein Manager von außen für den Spitzenposten gefuchst, sucht wird. Dabei ist Florian Bauer auch in den Vorstand aufgerückt und verantwortet dort wichtige Themen wie die „Technische Koordination und Entwicklung“oder die „Digitalisierung“. Als Nachfolger hat sich der Paradebayer Thomas Bauer ausgerechnet einen Mann ausgesucht, der den Sound seiner Hamburger Heimat trotz Jahrzehnten in Bayern nicht abgelegt hat.
Je länger man Michael Stomberg, der zuerst als Unternehmensberater, dann viele Jahre als Geschäftsführer im Familienunternehmen Freudenberg gearbeitet hat, zuhört, werden Parallelen zu seinem Vorgänger offensichtlich: Auch der 49-Jährige spricht Dialekt, kann komplizierte Dinge gut erklären, ja ist der intensiven Kommunikation zugeneigt und hat eine Abneigung gegen kurzfristig orientiertes unternehmerisches Denken. In seinem Büro hängt ein Bild der Baustelle am Forggensee in der Nähe von Füssen, wo Bauer-Spezialisten bei Eiseskälte den Staudamm abgedichtet haben. Eine weitere Gemeinsamkeit mit seinem Vorgänger wird rasch deutlich: Stomberg ist wie Thomas Bauer zur Selbstironie fähig. Seine Wahl, Physik zu studieren, obwohl es in der Schule sein schlechtestes Fach gewesen sei, begründet er so: „Ich habe mir damals gedacht: Wenn ich das jetzt nicht studiere, kapiere ich Physik nie.“Der neue Mann an der Konzernspitze hat sich intensiv in die komplexe BauerWelt eingearbeitet. Vieles lässt sich in dem Unternehmen schwer beHartnäckigkeit greifen, etwa die Frage, warum die Aktiengesellschaft im vergangenen Jahr mit einer Gewinnwarnung aufhorchen ließ – und das trotz eines immens hohen Auftragsbestands und eines Rekordergebnisses in Deutschland. Den vermeintlichen Widerspruch löst Stomberg mit einer Reise durch verschiedene Länder auf, in denen Bauer aktiv ist.
Hier erweist es sich erneut, dass die extrem internationale Aufstellung des Konzerns Segen und manchmal Fluch sein kann. Denn es wurden wegen politischer Gründe Projekte in verschiedenen Staaten verschoben: In Thailand sei 2019 durch die sich hinziehende Königskrönung und eine Regierungsbildung mit vielen Parteien lange nichts vorangegangen. Stomberg sagt dazu: „Es war für uns nicht absehbar, dass Baustellen monatelang stillstehen. Wir hatten keine Einnahmen und unsere Fixkosten blieben hoch.“Ähnliche Probleme plagten die Bayern in Malaysia, Indonesien und Vietnam. Selbst in den USA verschoben sich Projekte. In der Bauer-Welt hängt alles mit allem zusammen. Manche Träume erfüllen sich nicht, wie der Wunsch von Thomas Bauer, nun deutlich weniger zu arbeiten. Der einstige deutsche Bauindustrie-Präsident hatte sich vorgenommen, sich nicht das Spitzenamt auf europäischer Ebene ans Bein binden zu lassen. Es kam anders. Er hat das Ehrenamt trotz aller Vorsätze abbekommen. Lächelnd meint er: „Ich weiß auch ned, wie des wieder passiert ist.“