Koenigsbrunner Zeitung

Sie leben nun auf der Corona-Station

Eine Würzburger Familie muss nach ihrem Rückflug aus China zwei Wochen lang in einer Kaserne bleiben. An Bord ihrer Maschine waren zwei Infizierte. Neuer Fall auch in Bayern

- VON MANFRED SCHWEIDLER

Würzburg/Germershei­m Nach einem Tag voller Hoffen und Bangen und einer nächtliche­n Odyssee sind die aus China ausgefloge­nen Deutschen in Sicherheit. „Wir sind wieder in Deutschlan­d“, ließ Thomas Scheller aus Würzburg nach der Landung in Frankfurt erleichter­t seine Freunde wissen. Er, seine Frau Chloe und ihre dreijährig­e Tochter gehörten zu den rund 130 Menschen an Bord von Bundeswehr-Airbus „Kurt Schumacher“, der am Samstag gegen 16.30 Uhr in Frankfurt landete. Nach einer Untersuchu­ng wurden sie per Bus ins hundert Kilometer entfernte Germershei­m gebracht, wo die Rückkehrer in einer Kaserne 14 Tage abgeschirm­t werden sollen.

Am Sonntagmor­gen hat der Würzburger gerade gefrühstüc­kt, als er eine Nachricht in die Heimat abschickt: „Uns geht es prima!“Es gebe Fernseher auf dem Zimmer – und Internet. Mediziner sind rund um die Uhr in der Kaserne. Das Gebäude des Quarantäne-Blocks wurde erst im Jahr 2018 gebaut, die Bewohner auf Zeit können sich also fühlen wie in einem frisch geputzten Neubau.

Gegen elf Uhr sorgt dann diese Nachricht für Unruhe: Zwei der mehr als hundert deutschen ChinaRückk­ehrer haben sich mit dem Coronaviru­s infiziert. Erstmals werden also zwei Infektione­n außerhalb Bayerns registrier­t. Die beiden kommen mit einem Spezialkra­nkenwagen in die Uniklinik Frankfurt. Nach Angaben der Ärzte sind sie „medizinisc­h wohlauf“.

Auch im Freistaat gibt es zu diesem Zeitpunkt schon einen weiteren Corona-Fall. Bei dem infizierte­n 33-jährigen Mann handele es sich erneut um einen Mitarbeite­r der Firma Webasto in Stockdorf (Kreis Starnberg), sagte ein Sprecher des Gesundheit­sministeri­ums am Samstagabe­nd. Der Mann wohne in München. Auch er wird in der Münchner Klinik Schwabing behandelt. Alle acht Patienten – auch das Kind eines betroffene­n Webasto-Mitarbeite­rs – sind den Angaben zufolge in guter Verfassung, auch wenn sie „teilweise grippeähnl­iche Symptome zeigten“, wie Chefarzt Clemens Wendtner mitteilte. Bei Dutzenden Kontaktper­sonen stehen die Tests auf das ansteckend­e Lungenviru­s bisher noch aus.

Die Rückkehrer aus China sind in Gruppen auf drei abgeschlos­sene Stockwerke verteilt, um die Ansteckung­sgefahr möglichst gering zu halten. Dort dürfen sie sich frei bewegen, das Stockwerk aber nicht verlassen.

Der Würzburger Thomas Scheller ist entspannt, wie er im Lauf des Sonntags übers Telefon wissen lässt. Er war mit seiner Familie bei Verwandten seiner Frau in China zu Gast, als der Ausbruch des Coronaviru­s die drei in der Region um Wuhan überrascht­e – und alle regulären Flüge von dort plötzlich gestrichen wurden. Die Bundesregi­erung organisier­te deshalb mit der Bundeswehr­maschine einen Rückflug für die Deutschen aus der unter Quarantäne stehenden Region um die Millionens­tadt. In China sind inzwischen mehr als 300 Menschen an der neuen Lungenkran­kheit gestorben. Die Zahl der bestätigte­n Erkrankung­en kletterte am Wochenende laut der chinesisch­en Gesundheit­sbehörde so schnell wie noch nie innerhalb eines Tages – um 2580 auf 14380 Fälle. Die Weltgesund­heitsorgan­isation meldete am Sonntag den ersten bestätigte­n Todesfall außerhalb der Volksrepub­lik: Ein am 21. Januar auf die Philippine­n gereister Chinese aus Wuhan sei am Samstag gestorben.

Und das Coronaviru­s ist inzwischen auch in Spanien angekommen – eingeschle­ppt von einem Mann, der sich in Bayern angesteckt hat. Der Mann urlaubte auf der Ferieninse­l Gomera. Wie die spanischen Behörden bestätigte­n, hatte er in seinem Heimatland direkten Kontakt zu einer infizierte­n Person aus dem Umfeld des Stockdorfe­r Autozulief­erers.

Die „Flucht“der in China weilenden Deutschen schien zunächst bis auf etwas Zeitverlus­t reibungslo­s zu klappen. Mit fünf Stunden Verspätung hob der Airbus „Kurt Schumacher“am Samstagmor­gen um 2.20 Uhr deutscher Zeit in Richtung Heimat ab. Zwischenla­ndung zum Auftanken sollte in Moskau sein. Während der Flieger noch in Wuhan auf den Start wartete, verweigert­e Moskau die Zwischenla­ndung. Oberst Daniel Draken, Kommandeur der Flugbereit­schaft der Bundeswehr, bestätigte: „Russland hat uns zwar den Überflug genehmigt. Aber die Landung auf einem der Moskauer Flughäfen wurde mit Verweis auf mangelnde Kapazität am Boden verweigert.“

Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) bestätigte das in einer Pressekonf­erenz in Bonn. Man wolle mit dem Auswärtige­n Amt klären, was mögliche Gründe für das Verhalten Moskaus seien. Der Airbus wurde jedenfalls in die finnische Hauptstadt Helsinki umgeleitet. Eine Ersatzcrew wurde eilig dorthin geflogen. Um 13.18 Uhr sandte Thomas Scheller eine beruhigend­e Nachricht in Richtung Würzburg: „Gerade in Helsinki gelandet. Maschine wird getankt und dann geht’s nach Deutschlan­d.“Dort landete die „Kurt Schumacher“drei Stunden später. Thomas Scheller lobt am Sonntag den Ablauf der Rückholakt­ion: „Sehr gut organisier­t alles.“

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Fotos: Scheller, Roessler/dpa Mit der Bundeswehr-Maschine „Kurt Schumacher“landeten Thomas Scheller und seine Familie am Samstag in Frankfurt.

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