Koenigsbrunner Zeitung

Hoffnung für Krebspatie­nten

Mit der Immunthera­pie werden große Erfolge erzielt – doch bisher nur bei bestimmten Tumorerkra­nkungen

- VON DANIELA HUNGBAUR

Augsburg Auf seinen Tod hatte er sich schon vorbereite­t. Alles war geregelt. Schnell könne es gehen, sagten die Ärzte. Ein großes Nierenzell­karzinom hatte bereits gestreut. Knoten waren auch in seiner Leber, in der Lunge, in den Knochen. Doch dann schlug Professor Martin Trepel, der Direktor des interdiszi­plinären Krebszentr­ums am Universitä­tsklinikum Augsburg, noch etwas vor. Damals, 2016, etwas Neues. Etwas, das gerade erst zugelassen worden war. Eine Immunthera­pie. Und sie führte dazu, dass die Tumorknote­n sich zurückbild­eten und der Mann bis heute ein weitgehend unbeschwer­tes Leben führt.

Immunthera­pien gehören zu den großen Hoffnungst­rägern vieler Krebspatie­nten. „Die Forschung hat hier seit 2015 enorme Fortschrit­te in großer Geschwindi­gkeit gemacht“, sagt Trepel. „In jedem Jahr kommen weitere Krankheite­n dazu, bei denen die Immunthera­pie hilft.“Wie der Name schon nahelegt, wird bei diesen Behandlung­smethoden das körpereige­ne Immunsyste­m dazu genutzt, den Krebs zu bekämpfen. Der Patient allein könne allerdings wenig ausrichten, erklärt Trepel. Eine ausgewogen­e Ernährung sowie Bewegung und Sport – „vor allem Ausdauersp­ort“– stärken zwar das Immunsyste­m, aber in den meisten Fällen nicht in dem Ausmaß, wie es nötig ist, damit Krebszelle­n effizient attackiert werden können. Dafür brauchen die Immunzelle­n Nachhilfe.

Denn Krebszelle­n sind sehr hinterlist­ig. Sie können sich nicht nur sehr schnell verändern und weiterentw­ickeln. Viele beherrsche­n es, die körpereige­nen Abwehrmech­anismen auszuschal­ten, indem sie sich – sehr vereinfach­t ausgedrück­t – maskieren, also für die Immunzelle­n unkenntlic­h machen. Manchen gelingt es, die An- und Abschaltme­chanismen der Immunzelle­n zu beeinfluss­en. Das muss man sich so vorstellen: Jede Immunzelle hat – wie der 52-jährige Trepel schön bildlich erklärt – ein Gas- und ein Bremspedal. Einige Tumorzelle­n schaffen es, stets das Bremspedal der

Immunzelle zu betätigen, um sich so ungehinder­t ausbreiten zu können.

Ziel der Immunthera­pien ist es, das zerstöreri­sche Treiben der Tumorzelle­n ganz gezielt zu stoppen. Drei Arten von Immunthera­pien werden unterschie­den, erklärt Trepel. Die erste Art wurde schon vor etwa 20 Jahren eingeführt und erzielt sehr gute Erfolge bei Lymphdrüse­nkrebs (Lymphom), zum Teil auch bei Darmkrebs sowie bei Tumoren im Kopf- und Halsbereic­h. Hierbei werden dem Körper über eine Infusion sogenannte Antikörper zugeführt, die in der Lage sind, bestimmte Strukturen auf Tumorzelle­n zu erkennen, auf ihnen anzudocken und so das Immunsyste­m zu aktivieren, exakt diese Krebszelle­n anzugreife­n.

Bei der zweiten Art werden dem Körper auch über eine Infusion Antikörper zugefügt. Diese arbeiten aber anders: Sie schützen das bereits angesproch­ene Bremspedal der Immunzelle, sodass diese richtig arbeiten kann. „Es gibt Krankheite­n, bei denen funktionie­rt diese Methode verblüffen­d gut. Bei schwarzem Hautkrebs (Melanom), Lungenkreb­s oder bei Nierenzell­krebs.“Aber auch bei einer bestimmten Art von Brustkrebs, dem sogenannte­n dreifach rezeptor-negativen, der als aggressiv gilt und mit einer Chemothera­pie nur schwer behandelba­r ist. Bei der dritten Art, der jüngsten, aufwendigs­ten und teuersten, werden die Immunzelle­n genetisch verändert. „Sie werden bildlich gesprochen in eine Art Trainingsl­ager geschickt, damit sie in der Lage sind, auch die maskierten Tumorzelle­n zu erkennen und zu bekämpfen.“Diese Methode helfe aktuell bei einer großen Gruppe von Lymphomen und bei einer speziellen Art von Leukämie. Der Vorteil der Immunthera­pie sei es, dass sie in der Regel wenig Nebenwirku­ngen hat. „Eine Chemothera­pie ersetzt sie aber nicht immer.“Oft werde beides gemacht, „weil sich Immun- und Chemothera­pie gegenseiti­g verstärken können“.

Trepel ist mit seinen Erklärunge­n noch nicht fertig, da klopft es an der Tür. Ein strahlende­r, großer Mann kommt herein. Es ist der Patient, der 2016 noch glaubte, sein Leben sei vorbei. Ohne seinen Namen in der Zeitung lesen zu müssen, war er bereit, über sein Krebsleide­n zu sprechen. Ein Mann, der wieder seinen Optimismus gefunden hat. „Ich sage heute immer: Fünf Tumore, 83 Jahre, topfit“und klopft auf den Tisch. Trepel, der offen zugibt, wie schwer es auch für ihn ist, wenn Patienten ihren Kampf verlieren, freut sich sichtlich mit seinem Patienten. Dessen Tumorknote­n sind durch die Immunthera­pie massiv zurückgega­ngen und werden vom Immunsyste­m in Schach gehalten. Trepel will aber auch keine übertriebe­nen Erwartunge­n schüren. Es gibt so viele Arten von Krebs. Und jeder Körper reagiert anders. „Die Immunthera­pie ist ein großer Hoffnungst­räger. Ein Allheilmit­tel ist sie aktuell noch nicht – zumindest nicht für die Mehrheit der Patienten.“

Der 83-Jährige, der mit seiner Frau im Landkreis von Augsburg lebt, weiß, dass immer auch Glück dazugehört. Er will die Zeit einfach genießen: „Jetzt geht es dann wieder in den Garten. Ich freu mich schon auf die ersten Schneeglöc­kchen“, sagt er. Und ein Auto hat er auch wieder für ein paar Jahre geleast.

OPatienten­forum Am Dienstag, 4. Februar, dem Weltkrebst­ag, erläutern Krebs-Experten von 15.30 bis 19 Uhr im Unikliniku­m Augsburg die Möglichkei­ten und Grenzen der Immunthera­pie.

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Martin Trepel

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