Rollentausch an der Weltspitze
Auch in Oberstdorf dominieren die Österreicherinnen. Die deutschen Frauen hinken den Erwartungen hinterher. Am Rande des Weltcups geht’s auch um Gleichberechtigung
Oberstdorf Die deutschen Skispringerinnen müssen weiter auf den ersten Heimsieg bei einem WeltcupSpringen in Oberstdorf warten. Auch im sechsten Anlauf gingen Lokalmatadorin Katharina Althaus und Co. im Allgäu leer aus. Den Ton gaben andere an. Allen voran die derzeit dominierenden Österreicherinnen. Chiara Hölzl sprang bei ihrem Sieg im ersten von zwei Einzelwettbewerben von der Großschanze sogar Schanzenrekord von 141,5 Meter, auch am zweiten Tag war die 22-jährige Salzburgerin nicht zu schlagen. Auch nicht von der zweitplatzierten Olympiasiegerin Maren Lundby aus Norwegen. Und beide Male stand jeweils als Dritte eine Teamkollegin mit auf dem Podest. Erst Daniela Iraschko-Stolz, einen Tag später Marita Kramer.
Die Österreicherinnen haben die Rolle Deutschlands im Weltcup übernommen, führen entsprechend auch die Nationenwertung mit großem Vorsprung an. „Sie sind jetzt an einem Punkt, an dem alles spielerisch leicht funktioniert. Das war bei uns in den vergangenen Jahren auch so. Eine steckt die andere an, das Selbstvertrauen ist da“, meinte Deutschlands Bundestrainer Andreas Bauer. Seine Sportlerinnen blieben – nach einem Zwischenhoch vor einer Woche in Rumänien – hinter den Erwartungen zurück. Am Samstag war Juliane Seyfarth (29, Ruhla) als Achte mit 119,5 und 124,5 Metern beste DSV-Springerin, Katharina Althaus, 23, landete nach einem verpatzten ersten Versuch (109 Meter) mit 118 Metern im zweiten Durchgang auf Rang 13.
Ihre einfache Erklärung: Die Leistungsdichte an der Spitze sei deutlich größer geworden. Coach Bauer betonte: „Wir müssen es dieses Jahr so nehmen wie es ist. Natürlich werden wir alles ruhig und sachlich analysieren.“
Am Sonntag hatten die Frauen mit Regen zu kämpfen. Eine Absage kam aber nicht infrage. Die Anlaufspur in Oberstdorf verfügt über eine spezielle Kühlung, die auch bei Plusgraden für gute Bedingungen sorgt. Erneut kam Hölzl am besten zurecht und siegte (127,5 und 129 Meter). Seyfarth hatte als Dritte nach dem ersten Durchgang (123
Meter) gute Chancen auf einen Podiumsplatz, wurde letztlich Fünfte – und war erneut beste DSV-Athletin. Bei Althaus waren beide Versuche fehlerbehaftet, das brachte ihr nur Rang 19. Die Allgäuerin nahm’s mit Fassung: „Wenn die Generalprobe schlecht läuft, kann es nächstes Jahr bei der WM ja nur besser laufen. Es war schön daheim, ich habe mir auch nicht mehr Druck gemacht als sonst. Aber für mich war es kein perfektes Wochenende.“
Am Rande des Weltcups in Oberstdorf machten sich die Frauen für mehr sportliche Gleichberechtigung stark. Die beiden deutschen
Top-Springerinnen Althaus und Seyfarth zum Beispiel bekräftigten den Wunsch nach einer eigenen Vierschanzentournee. Die könnte es schon bald geben. Denn Verbandsfunktionäre wie auch die Vertreter der vier Austragungsorte Oberstdorf, Partenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen sind dieser Idee gegenüber nicht abgeneigt. Mitte April soll erneut darüber diskutiert werden. Es gibt aber freilich noch viel zu klären. Etwa den zeitlichen Rahmen und den Modus, Finanzielles, Rechtliches und Logistisches.
Eine weitere Forderung, die vor allem vom norwegischen Team forciert wird, dreht sich um einen zusätzlichen Wettbewerb von der Großschanze bei der Nordischen Ski-WM 2021 in Oberstdorf. Bislang wurden lediglich von der Kleinschanze WM-Medaillen vergeben. Teamleaderin Maren Lundby lässt derzeit keine Möglichkeit aus, dieser Forderung in Interviews mit Medienvertretern aus aller Welt Nachdruck zu verleihen. Unterstützung bekam sie in Oberstdorf auch von Deutschlands Bundestrainer Bauer. Der sagte: „Die Mädchen beherrschen die Großschanzen inzwischen sehr gut. Die gesamte Saison über sind ja auch genügend große Schanzen im Programm. Daher wäre es nur eine logische Konsequenz, sie auch ins WM-Programm aufzunehmen. Wenn wir es hier in Oberstdorf schaffen würden, die Premiere auszutragen, würde uns das gut zu Gesicht stehen.“Das Wettkampfprogramm für die Titelkämpfe steht zwar längst fest, doch Bauer ist guten Mutes: „Die Gespräche laufen. Es sieht gar nicht so schlecht aus.“