Bahnausbau: Direkter Weg aufs Abstellgleis?
Während die Region noch über die richtige Trasse nach Ulm diskutiert, gibt es in Berlin neue Entwicklungen. Sie könnten das Vorhaben womöglich weit zurückwerfen
Neusäß/Augsburg Für Augsburg ist es in vielerlei Hinsicht ein Jahrhundertbauwerk. Bis zu eine Viertelmilliarde Euro soll der seit Jahren laufende Umbau des Hauptbahnhofes kosten, der Steuerzahlerbund unkt schon von 300 Millionen Euro. Was bekommt die Region fürs ganze Geld? Möglicherweise ein Projekt, das nie vollendet wird.
Am Montag treffen sich in Neusäß Kommunalpolitiker aus dem westlichen Landkreis Augsburg. Bürgermeister, der Landrat und Abgeordnete sollen noch einmal beschwören, was unter ihnen seit Jahren als ausgemacht galt: Im Zuge des Ausbaus der Bahnstrecke Augsburg–Ulm soll zuerst die Strecke zwischen Augsburg und Dinkelscherben verbessert werden, damit dort die regionale S-Bahn endlich im Takt und verlässlich fährt.
Doch vor der Sitzung macht sich Nervosität breit, ob die von Landrat Martin Sailer (CSU) eingeforderte „höchste Geschlossenheit“zustande kommt. Es gibt verschiedene Wünsche für den Resolutionstext, hinzu kommt die Dauerspannung zwischen den Politikern auf dem Land und in der Stadt Augsburg, ob nun ein Ausbau der bestehenden Strecke oder eine Neubautrasse, den die Politik im Landkreis vehement ablehnt, die bessere Lösung wäre. Endgültig gefährlich wird es durch neue verkehrspolitische Entwicklungen auf Bundesebene. Der regionalen S-Bahn, die Augsburg über die Drehscheibe Hauptbahnhof mit seinem Umland besser und umweltfreundlicher verbinden soll, droht auf Jahrzehnte hinaus das Abstellgleis.
Als Voraussetzung für regelmäßig und pünktlich fahrende Züge aus dem Augsburger Umland galten immer ein zusätzlicher Bahnsteig am Hauptbahnhof sowie der Ausbau der Bahnstrecken nach Ulm und Donauwörth, die das Hinterland erschließen. Den Bahnsteig F gibt es immerhin seit Ende 2018, für ein drittes Gleis Richtung Donauwörth gibt es nicht einmal verlässliche Prognosen. Ein Vierteljahrhundert lang habe der Freistaat es „bewusst unterlassen, Nahverkehrsstrecken im Raum Augsburg auszubauen“, schimpft der SPD-Landtagsabgeordnete Harald Güller. Die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel habe die CSU-Staatsregierung lieber in Nürnberg und München verbaut.
Nur im Westen war noch Hoffnung, dort sollte es im Zuge des Ausbaus der Bahnverbindung nach Ulm auch für die Pendler besser
Die Bahn hat mit den Vorplanungen begonnen. Doch das dauert. Bisher galt, dass es vor dem Jahr 2025 wohl keine Entscheidung über den Trassenverlauf geben wird. Der Augsburger CSU-Bundestagsabgeordnete Volker Ullrich sagt, nach seinen Informationen könnte es schneller gehen, die Bahn könnte womöglich 2021 oder 2022 erste entscheidende Ergebnisse vorlegen. Einiges spricht Beobachtern zufolge dafür, dass die Bahn am Ende einen Neubau neben der A8 will. In einer groben Prüfung vor einigen Jahren hat diese AutobahnVariante schon mal das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis erzielt. Damals rechneten Fachleute aus, dass man auf dieser Trasse für jede eingesparte Minute an Fahrzeit rund 137000 Euro investieren muss. Bei einem Teilneubau waren es 190 000 Euro – und bei einem reinen Ausbau der vorhandenen Strecke sogar ganze 456 000 Euro pro Minute.
Möglicherweise sind diese Zahlen aber eine reine MilchmädchenrechDenn eine Neubautrasse, auf der Schnellzüge ohne Halt vorbeirauschen sollen, will auf dem Land so gut wie niemand. Schon jetzt zeichnet sich erbitterter Widerstand ab. Der Neusässer Bundestagsabgeordnete Hansjörg Durz (CSU) setzt darauf, dass man die Augsburger doch noch ins Boot holen kann. Wichtig sei, dass am Ende für den Fernverkehr eine Fahrtzeit von 27 Minuten zwischen Augsburg und Ulm herauskomme und das sei auch über die ausgebaute Bestandsstrecke nach Dinkelscherben zu machen, im Streckenverlauf zwischen Dinkelscherben und kurz vor Neu-Ulm sehe der Bundesverkehrswegeplan ja einen Korridor vor, in dem die Strecke auch als Neubau verlaufen kann. Wie das genau gehen soll? Durz: „Das muss die Bahn jetzt herausfinden.“Allerdings herrscht inzwischen Eile. Darauf will Durz am Montagabend hinweisen. Er bekennt: „Wir haben Druck.“
Hintergrund ist das Bestreben des Bundes, die langwierigen Planungswerden. prozesse für Bahnprojekte abzukürzen. Deshalb wurde bereits ein Dutzend Vorhaben ausgewählt, für die ein eigenes Gesetz geschaffen wird. Dann geht’s schneller. Auch bei großen Bauprojekten im Zuge der Deutschen Einheit ist man so vorgegangen. Das Problem für Augsburg–Ulm ist laut Durz nun: Solange man sich über die Trasse uneins ist, wird es nie in diesen privilegierten Kreis aufgenommen.
Im Gegenteil: In Berlin laufen bereits die Vorbereitungen für die nächsten beschleunigten Vorhaben: Augsburg–Ulm droht links und rechts überholt zu werden. Durz: „Die Konkurrenz wird immer schärfer. Wir müssen jetzt in die Puschen kommen.“Ganz ähnlich klingt der Appell des schwäbischen CSU-Chefs Markus Ferber, auch er aus dem Landkreis Augsburg: „Wir müssen gemeinsam mit der Stadt Augsburg an einem Strang ziehen und mit einem beschleunigten Verfahren Baurecht schaffen.“
Leidtragende des Eiertanzes wernung. den am Ende die Bahnpendler aus der Region sein, die nach Augsburg und von dort aus zum Teil nach München fahren. Schon jetzt ist klar, dass die Zahl der Fernzüge zwischen Stuttgart und München auf der Strecke zunehmen wird, für die Nahverkehrszüge bleibt noch weniger Raum auf der ohnehin schon über Gebühr belasteten Strecke, auf der es immer wieder zu Ausfällen kommt. Gar nicht zu reden von den Anwohnern, die weiter auf Lärmschutz warten, und veralteten Bahnhöfen, die saniert werden müssten: Attraktiv ist das nicht.
Laut einer repräsentativen Befragung führen Bus und Bahn im Landkreis Augsburg mit seinen 250000 Einwohnern als Verkehrsmittel ein Mauerblümchendasein. Bei den Überlegungen für Alternativen zum Auto spielen die Bahnlinien als Rückgrat des öffentlichen Nahverkehrs eine Rolle. Schnellere Erfolge versprechen sich die Planer allerdings vom Ausbau der Radwege nach Augsburg.