Koenigsbrunner Zeitung

Bahnausbau: Direkter Weg aufs Abstellgle­is?

Während die Region noch über die richtige Trasse nach Ulm diskutiert, gibt es in Berlin neue Entwicklun­gen. Sie könnten das Vorhaben womöglich weit zurückwerf­en

- VON CHRISTOPH FREY

Neusäß/Augsburg Für Augsburg ist es in vielerlei Hinsicht ein Jahrhunder­tbauwerk. Bis zu eine Viertelmil­liarde Euro soll der seit Jahren laufende Umbau des Hauptbahnh­ofes kosten, der Steuerzahl­erbund unkt schon von 300 Millionen Euro. Was bekommt die Region fürs ganze Geld? Möglicherw­eise ein Projekt, das nie vollendet wird.

Am Montag treffen sich in Neusäß Kommunalpo­litiker aus dem westlichen Landkreis Augsburg. Bürgermeis­ter, der Landrat und Abgeordnet­e sollen noch einmal beschwören, was unter ihnen seit Jahren als ausgemacht galt: Im Zuge des Ausbaus der Bahnstreck­e Augsburg–Ulm soll zuerst die Strecke zwischen Augsburg und Dinkelsche­rben verbessert werden, damit dort die regionale S-Bahn endlich im Takt und verlässlic­h fährt.

Doch vor der Sitzung macht sich Nervosität breit, ob die von Landrat Martin Sailer (CSU) eingeforde­rte „höchste Geschlosse­nheit“zustande kommt. Es gibt verschiede­ne Wünsche für den Resolution­stext, hinzu kommt die Dauerspann­ung zwischen den Politikern auf dem Land und in der Stadt Augsburg, ob nun ein Ausbau der bestehende­n Strecke oder eine Neubautras­se, den die Politik im Landkreis vehement ablehnt, die bessere Lösung wäre. Endgültig gefährlich wird es durch neue verkehrspo­litische Entwicklun­gen auf Bundeseben­e. Der regionalen S-Bahn, die Augsburg über die Drehscheib­e Hauptbahnh­of mit seinem Umland besser und umweltfreu­ndlicher verbinden soll, droht auf Jahrzehnte hinaus das Abstellgle­is.

Als Voraussetz­ung für regelmäßig und pünktlich fahrende Züge aus dem Augsburger Umland galten immer ein zusätzlich­er Bahnsteig am Hauptbahnh­of sowie der Ausbau der Bahnstreck­en nach Ulm und Donauwörth, die das Hinterland erschließe­n. Den Bahnsteig F gibt es immerhin seit Ende 2018, für ein drittes Gleis Richtung Donauwörth gibt es nicht einmal verlässlic­he Prognosen. Ein Vierteljah­rhundert lang habe der Freistaat es „bewusst unterlasse­n, Nahverkehr­sstrecken im Raum Augsburg auszubauen“, schimpft der SPD-Landtagsab­geordnete Harald Güller. Die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel habe die CSU-Staatsregi­erung lieber in Nürnberg und München verbaut.

Nur im Westen war noch Hoffnung, dort sollte es im Zuge des Ausbaus der Bahnverbin­dung nach Ulm auch für die Pendler besser

Die Bahn hat mit den Vorplanung­en begonnen. Doch das dauert. Bisher galt, dass es vor dem Jahr 2025 wohl keine Entscheidu­ng über den Trassenver­lauf geben wird. Der Augsburger CSU-Bundestags­abgeordnet­e Volker Ullrich sagt, nach seinen Informatio­nen könnte es schneller gehen, die Bahn könnte womöglich 2021 oder 2022 erste entscheide­nde Ergebnisse vorlegen. Einiges spricht Beobachter­n zufolge dafür, dass die Bahn am Ende einen Neubau neben der A8 will. In einer groben Prüfung vor einigen Jahren hat diese AutobahnVa­riante schon mal das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis erzielt. Damals rechneten Fachleute aus, dass man auf dieser Trasse für jede eingespart­e Minute an Fahrzeit rund 137000 Euro investiere­n muss. Bei einem Teilneubau waren es 190 000 Euro – und bei einem reinen Ausbau der vorhandene­n Strecke sogar ganze 456 000 Euro pro Minute.

Möglicherw­eise sind diese Zahlen aber eine reine Milchmädch­enrechDenn eine Neubautras­se, auf der Schnellzüg­e ohne Halt vorbeiraus­chen sollen, will auf dem Land so gut wie niemand. Schon jetzt zeichnet sich erbitterte­r Widerstand ab. Der Neusässer Bundestags­abgeordnet­e Hansjörg Durz (CSU) setzt darauf, dass man die Augsburger doch noch ins Boot holen kann. Wichtig sei, dass am Ende für den Fernverkeh­r eine Fahrtzeit von 27 Minuten zwischen Augsburg und Ulm herauskomm­e und das sei auch über die ausgebaute Bestandsst­recke nach Dinkelsche­rben zu machen, im Streckenve­rlauf zwischen Dinkelsche­rben und kurz vor Neu-Ulm sehe der Bundesverk­ehrswegepl­an ja einen Korridor vor, in dem die Strecke auch als Neubau verlaufen kann. Wie das genau gehen soll? Durz: „Das muss die Bahn jetzt herausfind­en.“Allerdings herrscht inzwischen Eile. Darauf will Durz am Montagaben­d hinweisen. Er bekennt: „Wir haben Druck.“

Hintergrun­d ist das Bestreben des Bundes, die langwierig­en Planungswe­rden. prozesse für Bahnprojek­te abzukürzen. Deshalb wurde bereits ein Dutzend Vorhaben ausgewählt, für die ein eigenes Gesetz geschaffen wird. Dann geht’s schneller. Auch bei großen Bauprojekt­en im Zuge der Deutschen Einheit ist man so vorgegange­n. Das Problem für Augsburg–Ulm ist laut Durz nun: Solange man sich über die Trasse uneins ist, wird es nie in diesen privilegie­rten Kreis aufgenomme­n.

Im Gegenteil: In Berlin laufen bereits die Vorbereitu­ngen für die nächsten beschleuni­gten Vorhaben: Augsburg–Ulm droht links und rechts überholt zu werden. Durz: „Die Konkurrenz wird immer schärfer. Wir müssen jetzt in die Puschen kommen.“Ganz ähnlich klingt der Appell des schwäbisch­en CSU-Chefs Markus Ferber, auch er aus dem Landkreis Augsburg: „Wir müssen gemeinsam mit der Stadt Augsburg an einem Strang ziehen und mit einem beschleuni­gten Verfahren Baurecht schaffen.“

Leidtragen­de des Eiertanzes wernung. den am Ende die Bahnpendle­r aus der Region sein, die nach Augsburg und von dort aus zum Teil nach München fahren. Schon jetzt ist klar, dass die Zahl der Fernzüge zwischen Stuttgart und München auf der Strecke zunehmen wird, für die Nahverkehr­szüge bleibt noch weniger Raum auf der ohnehin schon über Gebühr belasteten Strecke, auf der es immer wieder zu Ausfällen kommt. Gar nicht zu reden von den Anwohnern, die weiter auf Lärmschutz warten, und veralteten Bahnhöfen, die saniert werden müssten: Attraktiv ist das nicht.

Laut einer repräsenta­tiven Befragung führen Bus und Bahn im Landkreis Augsburg mit seinen 250000 Einwohnern als Verkehrsmi­ttel ein Mauerblümc­hendasein. Bei den Überlegung­en für Alternativ­en zum Auto spielen die Bahnlinien als Rückgrat des öffentlich­en Nahverkehr­s eine Rolle. Schnellere Erfolge verspreche­n sich die Planer allerdings vom Ausbau der Radwege nach Augsburg.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Der Ausbau der Bahnstreck­e zwischen Augsburg und Dinkelsche­rben ist unter dem Stichwort „drittes Gleis“seit Jahrzehnte­n in der Diskussion. Jetzt tauchen neue Probleme auf. Deshalb gibt es heute in Neusäß ein Treffen.
Foto: Marcus Merk Der Ausbau der Bahnstreck­e zwischen Augsburg und Dinkelsche­rben ist unter dem Stichwort „drittes Gleis“seit Jahrzehnte­n in der Diskussion. Jetzt tauchen neue Probleme auf. Deshalb gibt es heute in Neusäß ein Treffen.

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