Zwei einsame Kandidaten, die Respekt verdienen
Die Coronakrise fordert Opfer von jedem Einzelnen. Eva Weber und Dirk Wurm haben am Wahlabend etwas erlebt, was nur in dieser Ausnahmesituation vorstellbar ist
M an könnte zur Tagesordnung übergehen. Die Augsburger haben am Sonntag bei der Stichwahl entschieden, dass CSU-Kandidatin Eva Weber die künftige Oberbürgermeisterin wird. SPD-Mann Dirk Wurm hat mit einem für ihn respektablen Ergebnis verloren. Eva Weber wird noch bis Ende April in ihrer jetzigen Funktion als Finanz- und Wirtschaftsreferentin tätig sein, Wurm ist ebenfalls bis Ende der Periode Ordnungsreferent. Dass die beiden Referenten in den nächsten Wochen weiterhin eng zusammenarbeiten werden, steht außer Frage. Hier spielt natürlich auch eine Rolle, dass sie sich menschlich verstehen.
Es ist ein Duz-Verhältnis, auf das Wurm explizit in seinen Worten am Wahlabend bei der städtischen Pressekonferenz verwies. Das „Du“zur neuen Oberbürgermeisterin muss dem unterlegenen Kontrahenten allerdings nicht zwangsläufig die Fortsetzung seiner beruflichen Laufbahn als Ordnungsreferent sichern. Darüber entscheiden die Verhandlungsführer bei den Koalitionsgesprächen.
Weitermachen wie immer? Nein! Dieses Mal nicht. Was mit etwas zeitlichem Abstand zum Wahlabend thematisiert werden sollte, ist die persönliche Seite zweier Kandidaten in einer Stichwahl, die so einPersonen schneidend von der Coronakrise geprägt wurde. Und da spielt es keine Rolle, ob man nun die politischen Ansichten von Eva Weber und Dirk Wurm teilt. Beide Kommunalpolitiker verdienen Respekt und
Wertschätzung, weil sie den bislang wichtigsten Moment ihres politischen Lebens in einer Ausnahmesituation erlebten.
Das müssen in der Coronakrise viele Menschen. Jeder versucht, auf seine Weise mit der Situation umzugehen. Hier gibt es sicherlich kein Patentrezept. Von den meisten dringt davon ohnehin auch nichts an die Öffentlichkeit.
Bei Politikern ist die Ausgangslage anders. Sie stehen deutlich mehr im Rampenlicht – speziell am Abend einer Stichwahl. Wegen Corona gelten andere Regeln. Äußerst professionell zeigten sich Weber und Wurm bei der gemeinsamen Pressekonferenz im Fürstenzimmer des Rathauses. Wenig später standen beide Kandidaten Medienvertretern im Oberen Fletz Rede und Antwort, wobei wegen Corona auf einen Mindestabstand streng geachtet wurde. Alles lief geordnet ab. Professionell eben, Weber und Wurm können das.
Was an einem solchen Abend in Zeiten der Coronakrise aber komplett gefehlt hat, sind Emotionen, die zu einer Wahl gehören. Kein
Jubel von Weber-Anhängern im Rathaus, kein Schulterklopfen von Wurm-Sympathisanten für dessen Abschneiden. Weil fast niemand ins Rathaus durfte, fielen diese Momente aus.
Dirk Wurms Ehefrau Tatjana war daheim geblieben, um sich um die drei Buben zu kümmern, weil die Großeltern als Babysitter ausfielen. Eva Weber hatte Ehemann Florian Weber an ihrer Seite im Rathaus. Die Stunde ihres größten politischen Erfolgs durfte sie danach in aller Stille verbringen. Kein Fest, keine Wahlparty – es sind wahrlich nicht die wichtigsten Punkte in der Gesamtbetrachtung. Aber sie machen verständlich, welch starke Leistung beide Kandidaten an diesem außergewöhnlichen Sonntag erbracht haben.
Ein Wahlabend ohne Jubel und sonstige Emotionen