Olympia-Traum im Wartestand
Sebastian Heisele war fast für Tokio qualifiziert – dann wurden die Spiele verschoben. Auf den Platz darf der Dillinger derzeit nicht, denn der ist gesperrt. Seinen Sport bestimmt gerade die Ungewissheit
Dillingen Drei Jahre nach Donald Trump wäre auch Sebastian Heisele gerne in den Kasumigaseki Country Club gereist. Jetzt hofft er, dass es zumindest vier Jahre später klappt. Doch der Weg dorthin ist umkämpft.
Dass so viele in den Klub wollen, liegt natürlich nicht daran, dass Japans Präsident Shinzo Abe seinen amerikanischen Amtskollegen Trump im Jahr 2017 genau dort empfangen hat. Der Golfklub in der Stadt Kawagoe, eine Stunde nordwestlich von Tokio, soll Schauplatz des nächsten olympischen Golfturniers sein. Sebastian Heisele war auf dem besten Weg, dort teilnehmen zu dürfen. Als einer von zwei Deutschen, gemeinsam mit Starspieler Martin Kaymer. In einem elitären Feld von nur 60 Teilnehmern. Bis die Corona-Pandemie das Internationale Olympische Komitee dazu zwang, die Spiele zu verschieben. Die Qualifikation der Golfer: unterbrochen. Wann sie weitergeht, weiß noch niemand. Doch das Gravierendere ist: Auch wie sie weitergeht, ist noch offen.
Damit steht hinter Heiseles fast sicherem Startplatz wieder ein großes Fragezeichen. Dennoch hat der Dillinger die Nachricht, dass die Spiele verschoben werden, ganz „cool“aufgenommen, wie er sagt. „Damit konnte man ja in den Wochen zuvor schon rechnen.“Rund drei Monate, bevor am 22. Juni die Qualifikation für das Turnier hätte abgeschlossen werden sollen, stellte die Golftour ihren Spielbetrieb ein. Heisele wünscht sich nun, dass die bisher erzielten Punkte auch für die Qualifikation der Spiele im Jahr 2021 zählen. „Das wäre fair“, sagt er.
Teilnehmen dürfen die besten 60 der Weltrangliste – jedoch nur vier Spieler aus jeder Nation. Platz 210 – aber als zweitbester Deutscher – hätte für Heisele nach jetzigem Stand deshalb bequem zur Qualifikation gereicht. Würden die bisher erspielten
Punkte jedoch gelöscht, könnte eine Verletzung oder ein Formtief den Traum schnell platzen lassen. Und Heisele profitierte bisher ein wenig davon, vergangenes Jahr lange Zeit nur in der unterklassigen Challenge Tour gespielt zu haben – gegen leichtere
Gegner sammelte er enorm viele
Punkte. Jetzt, wo er zurück in der Elite ist, der European
Tour, dürfte das wieder schwerer fallen.
Immerhin:
Dass die Pause ihn aus dem
Tritt bringen könnte, befürchtet der 31-Jährige nicht. Auch nach einer zweimonatigen Verletzungspause 2019 hatte er keine Probleme, zurückzukommen. „Es ist ein bisschen wie Fahrradfahren“, sagt er. „Das verlernt man nicht.“
Sein aktueller Trainingsplatz ist mit dem Kasumigaseki Country Club nicht vergleichbar: In seinem Wohnzimmer puttet Heisele noch – mehr bleibt nicht übrig. Auf den Platz darf er nicht. Dass er wie Golfspielen auch Fahrradfahren nicht verlernen kann, zahlt sich jetzt aus: Beinahe täglich ist er zwei bis drei Stunden mit dem Rad unterwegs, um fit zu bleiben. Seine Runden dreht er im Umland von München, wo er inzwischen wohnt. Gerade jetzt sehnt er sich ein wenig zurück nach Dillingen.
„Ein paar meiner Kollegen, die auf dem Land leben, können zumindest im Garten spielen, dort zum Beispiel in ein Netz schlagen“, sagt er und lacht. „In meiner Dachgeschosswohnung geht das nicht so leicht.“Wie er nun in Schwung bleiben soll, weiß er selbst nicht so genau. „Aber da bin ich nicht der Einzige mit dem Problem.“
Wann es für die Golfer weitergeht, ist noch offen. Die BMW Open in München sind zwar noch nicht abgesagt, sondern vom eigentlichen Termin Ende April bis auf Weiteres verschoben. Heisele glaubt nicht daran, dass diese stattfinden – schließlich hat der Hauptsponsor Kurzarbeit angemeldet. „Da wären die Ausgaben für ein Golfturnier wohl nur schwer zu vermitteln“, glaubt Heisele.
Sicher ist aber: Wenn er sein Olympia-Ticket sichern kann, spielt er vom 30. Juli bis 2. August im kommenden Jahr um Gold. Und auch wenn er als passionierter Golfer bekannt ist: Donald Trump wird nicht dabei sein.