Jung und Alt haben keine Stimme
Wenn ich der Corona-Krise persönlich etwas Positives abgewinnen kann, dann das: An der Kinderzimmertüre der zehnjährigen Tochter hängt neuerdings ein selbst gemaltes großes Schild mit der Aufschrift „school is cool“. Eine großartige Einsicht einer Viertklässlerin, denke ich insgeheim. Aber, es war wohl eher ein leiser Protest gegen die Schließung der Schule, wie ich mir von ihr sagen lassen musste.
Überhaupt hat man in diesen Tagen den Eindruck, wer am lautesten schreit, bekommt die meisten Lockerungen. Seien es Kirchenvertreter, die Fußball-Lobby oder Wirtschaftsverbände. Doch die ganz Alten, ebenso wie die ganz Jungen haben offenbar keine Stimme in dieser Krise. Beide sind seit Wochen isoliert. In Pflegeheimen oder Kinderzimmern. Und es drängt sich der Eindruck auf, dass es die Verantwortlichen nicht wirklich interessiert.
Wäre es nicht angebracht, die Frage nach Perspektiven für diese beiden Gruppen endlich in nahezu jeder Talkshow so intensiv zu diskutieren, wie die Frage, wann denn endlich wieder Geisterspiele stattfinden können? Wenn das Outletcenter in NRW öffnet, Fußballspieler auf dem Rasen stehen und Tante Frieda eine Dauerwelle beim Friseur bekommt, bevor ein Kind wieder auf einer öffentlichen Schaukel sitzen und ein Sohn seine Mutter im Pflegeheim besuchen darf, dann läuft gehörig was schief. Die Schwächsten sind aus dem Fokus geraten – oder befanden sich noch nie darin. Eine „Diskussionsorgie“über Prioritäten in der Corona-Krise wäre endlich wünschenswert, auch wenn sie von der Politik unerwünscht zu sein scheint.