Den Menschen vor der Bühne zuhören
W er derzeit wissen möchte, in welcher Verfassung sich ein Großteil der Bevölkerung befindet, sollte bei den überall stattfindenden Corona-Demos vielleicht weniger auf die Akteure auf der Bühne, sondern mehr auf die Menschen davor achtgeben.
Denn während Bühnen alle Charaktere von Menschen anziehen – von engagierten Kämpfern für ihre Sache bis zu manchmal seltsamen Selbstdarstellern – sind es die Menschen vor der Bühne, die für ihr Anliegen auf die Straße gegangen sind. Und das sind im Fall der Corona-Demos meistens Bürger wie du und ich. Menschen, die vor den Scherben ihrer Existenz stehen, die nicht mehr weiterwissen, sich Sorgen machen oder einfach Angst haben.
Nicht jeder, der sich vor Zwangsimpfungen fürchtet, ist ein Verschwörungstheoretiker. Kaum einer, der die Maskenpflicht für Unsinn hält, der glaubt, der Lockdown schade mehr, als dass er nützt, ist per se verantwortungslos oder will gar die Gesellschaft umstürzen. Die (Augsburger) Politiker täten gut daran, sich mit den Menschen vor der Bühne auseinander zu setzen. Sie pauschal, wie geschehen, als „ignorante, lauthalse und rücksichtslose Minderheit“zu benennen, treibt einen Keil in die ohnehin verunsicherte Stadtgesellschaft.
Auch die Gegendemonstranten, die zurecht kritisieren, man könne nicht mit Rechtsradikalen für die Freiheit demonstrieren, haben nur halb recht. Denn demonstriert hat ein verunsicherter Teil der Augsburger Gesellschaft. Die Rechten und Verschwörungstheoretiker haben sich der Demonstration angeschlossen – das ist nicht gut, macht das Anliegen der Mehrheit aber nicht falsch.