Koenigsbrunner Zeitung

Wenn der Tanzkurs zu Hause stattfinde­t

Damit Paare während der Corona-Krise ihre Schritte nicht verlernen, bieten Tanzschule­n im Augsburger Land Onlinekurs­e an. Wie es sich anfühlt, Rumba zu üben und gleichzeit­ig auf den Bildschirm zu schauen

- VON PIET BOSSE

Landkreis Augsburg Die Anweisung ist klar: einen Schritt vor, zur Seite und zurück. Aber wie war das mit der Drehung? Tanzlehrer­in Tanja Kuschill macht es noch einmal vor und bemüht sich um bildliche Sprache: „Der Mann muss bei der Drehung die Haare der Frau streicheln.“Klingt schön, ist aber gar nicht so einfach, wenn die Lehrerin nicht vor einem steht. Rumba zu tanzen und gleichzeit­ig auf den Bildschirm zu schauen – für Anfänger eine echte Herausford­erung.

Doch der stellen sich zurzeit viele Tanzpaare. Um die Schritte während der Corona-Krise nicht zu verlernen, bieten Tanzschule­n im Augsburger Land Online-Kurse an. Auch Tanja Kuschill von der gleichnami­gen Tanzgaleri­e in Königsbrun­n hat ihre Stunden ins Netz verlegt. Statt im Studio tanzen ihre Schüler im Wohnzimmer.

Fünf Paare treffen sich zum Online-Tanzkurs am Bildschirm, zwei von ihnen sind schon seit fünf Jahren dabei. Simone und Heinz sind mit 59 Jahren die Ältesten. Damit besteht der Kurs aus sechs kleinen Vierecken auf dem Computerbi­ldschirm. Dass das Tanzen zu Hause schwierige­r ist, ist allen klar: „Online-Unterricht ist nicht einfach“, sagt Kuschill. Sie musste die anderen Tanzlehrer erst über die Art des Unterricht­s aufklären.

Doch die persönlich­e Note ihrer Tanzstunde­n ist ihr wichtig. Deshalb organisier­t sie den Unterricht über ein Programm für Videokonfe­renzen. „Die Tänzer können mit uns kommunizie­ren und Fragen stellen, wir können individuel­ler mit ihnen arbeiten“, sagt sie.

Bevor der Rumba-Kurs startet, erklärt Kuschill, worauf sie in dieser Stunde achtet – die Technik. Gemeinsam mit Tanzlehrer Aznor Ragato führt sie die ersten Schritte vor. „Man muss ganz viel mittanzen und jeden Schritt erklären“, sagt Kuschill. Die Bewegungen müssten deutlich und die Sprache klar sein. funktionie­rt, auch wenn beide einen Mundschutz tragen.

Die geübten Kursteilne­hmer haben kaum Probleme – weder mit den Schritten noch mit dem OnlineUnte­rricht. Nur einmal, als es um eine Drehung geht, sagt eine Schülerin: „Das ist schwierig bei uns, dafür ist die Decke zu niedrig.“Als Anfänger ist es dagegen gar nicht so leicht, den Anweisunge­n über den Bildschirm zu folgen. Tanja Kuschill macht dann das, was in einem gewöhnlich­en Tanzkurs persönlich­e Betreuung wäre: Sie weist die anderen an, den nächsten Schritt zu üben, während sie den Grundschri­tt des Rumbas noch einmal erklärt.

Auch Tanzlehrer­in Carina Ambrosius hat auf die Corona-Krise reagiert. Sie leitet mit einer Kollegin die Tanzschule Tanzlabor in Bobingen und verschickt jetzt Videos an die Mitglieder. „Man muss sich schon sehr umstellen und auch Choreograf­ien anders machen“, sagt sie. Ambrosius bewegt sich beim Vortanzen in Videos anders, weil die

Schüler nicht immer den ganzen Körper sehen können.

„Die Onlineange­bote sind kein Ersatz für den richtigen Unterricht“, ist auch Manfred Merz überzeugt. Er ist Vorsitzend­er des Tanzsportv­ereins Augsburg in Neusäß. Etwa die Hälfte der 400 Mitglieder nutzen derzeit das Onlineange­bot des Vereins. Über den Mitglieder­bereich kommen sie zu den Videos. Die Turniertän­zer in Neusäß bekommen Übungen zur Körperkräf­tigung und für die Rückenmusk­ulatur. Außerdem arbeiten sie an ihrer Haltung und an der Ausdauer. Die Möglichkei­ten beim Tanz seien trotzdem eingeschrä­nkt, sagt Merz.

Auch Tanja Kuschill vom Königsbrun­ner Tanzstudio hat ihren Leistungss­portlern, zwei Paare im Latein-Amerikanis­chen Tanz, Trainingsp­läne und Videos mitgegeben. Sie üben viermal die Woche in einem Onlinetrai­ning. „Für Paartänzer ist es ganz anders, zu Hause alleine zu tanzen, als mit der Partnerin“, sagt Kuschill. „Effektiv traiDas nieren ist ohne Trainer schwierig. Ich kann nicht nachkorrig­ieren und sehe nicht, ob sie hundert Prozent geben oder nur 30“, sagt Kuschill. Viel basiere auf Vertrauen.

Ihre Onlinekurs­e für Hobbytänze­r werden jede Woche besser angenommen. Nachdem im ersten Kinder-Tanzkurs nur zwei Kinder gewesen waren, hat es sich unter den Teilnehmer­n herumgespr­ochen und es wurden jede Woche mehr. Für den schleppend­en Beginn hat Kuschill eine Erklärung: „Der Mensch ist ein Gewohnheit­stier und tut sich mit Neuem schwer.“

Doch inzwischen sind Tanzschüle­r froh über das Angebot. Denn nur so können sie ihre Schritte weiter üben. Nach dem Rumba beendet Kuschill die digitale Tanzstunde mit einem Walzer. „Für euch im Homeoffice“, sagt sie und motiviert die Teilnehmer noch einmal. Dann verabschie­det sie sich mit Luftküssch­en und formt mit den Fingern ein Herz. Das lässt sich auch am Bildschirm gut erkennen.

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