Polizeieinsatz in der Maxstraße eskaliert
Am Freitagabend kommt es auf der Partymeile zu Verstößen gegen die Corona-Regeln. Ein Polizeieinsatz vor einer Bar führt zu großer Aufregung. Zu den Ereignissen gibt es unterschiedliche Sichtweisen
Freitagabend, nach 22.30 Uhr. Die Maximilianstraße ist gut besucht, Bars bieten Straßenverkauf an, der Herkulesbrunnen ist beinahe so bevölkert wie vor der Corona-Pandemie. Auf Abstände wird kaum geachtet, so schildert es die Polizei später in ihrem Bericht. Deswegen musste sie in dieser Nacht zwei Mal in die Partymeile ausrücken. Auch Katharina Ertl hat ihr „Café Corso“geöffnet. Die 30-Jährige betreibt das Geschäft mit ihrer Familie. Vor dem Laden stehen die Leute um Getränke an, die Musik läuft, dann erscheint das Ordnungsamt.
So erzählt es Ertl am nächsten Tag. Das Ordnungsamt habe angeordnet, die Musik leiser zu stellen, dem sei sie nachgekommen. Auf die Anordnung des Amtes, bei den Leuten vor dem Lokal auf Abstand zu achten, habe sie erwidert, dies sei ihr nicht möglich. Ertl habe noch die Gäste bewirten wollen, die schon bezahlt hatten. Die Corona-Regeln habe sie dabei eingehalten, sagt sie. „Wir haben nur zum Mitnehmen verkauft. Und auf städtischem Grund kann ich ja nicht sagen, dass sie weggehen sollen.“Die Mitarbeiter des Ordnungsamts verlangten die Schließung und hatten die Polizei verständigt. Und hier gehen nun die Schilderungen auseinander.
Laut der 30-jährigen Gastronomin hat ihre 62-jährige Mutter gegenüber den Beamten geäußert, sie sollen Abstand halten. Plötzlich sei ein weiterer Polizist hinzugekommen und habe „geschrien“. Ertl: „Immer mehr Menschen versammeln sich um mein Café, plötzlich werde ich zu Boden geworfen, Pfefferspray brennt in meinen Augen, ich habe Schmerzen am Hals. Ich hebe den Kopf und spüre einen Faustschlag.“Um sie herum seien nur noch Polizisten, plötzlich auch ein Hund, Passanten würden die Polizisten anschreien, aus den Augenwinkeln sieht sie, wie ihre Mutter Beamte angeht. Die 62-Jährige wird zu Boden gerissen und fixiert.
Aus Sicht der Beamten verlief der Einsatz anders, wie aus dem Polizeibericht hervorgeht: „Die Wirtin ging den Ordnungsdienst verbal an und heizte die Stimmung der Menschenmenge gegen die städtischen
Mitarbeiter auf. Eine Polizeibeamtin versuchte daraufhin, die 30-jährige Wirtin und deren anwesende Mutter hinsichtlich der Verstöße zu sensibilisieren, als plötzlich eine der beiden Frauen unvermittelt der Beamtin ins Gesicht schlug.“
Als die Beamtin sich aus dieser Lage befreien wollte, sei auch die andere Frau handgreiflich geworden. Darauf seien beide Frauen von Einsatzkräften zu Boden gebracht worden. Trotz „massiven Widerstands“konnte man Mutter und Tochter schließlich unter Kontrolle bringen.
Während des Einsatzes habe sich eine Menschenmenge mit den beiden Frauen solidarisiert und Beamte bedrängt. Erst durch einen „hohen Kräfteansatz“sei es möglich gewesen, die Lage zu beruhigen, so die Polizei.
Nun kursieren Videos von dem Vorfall durch die sozialen Netzwerke. Sie zeigen eine hitzige und unübersichtliche Gemengelage. Umgeben von Menschen fixieren mindestens vier Beamte Katharina Ertl am Boden, eine Polizistin spricht auf sie ein. Ertl will aufstehen, wird niedergedrückt. So wirkt es zumindest. Plötzlich ein heftiger Schlag von einem Beamten, der direkt über ihr kniet. Daraufhin wird die filmende und aufgeregte Menge lauter, Rufe von „Polizeigewalt“ertönen. Anscheinend werden die Beamten nun auch von Umstehenden bedrängt, Tische werden umgeworfen, Ertl und ihre Mutter geraten in ein Handgemenge mit einer Beamtin. Währenddessen kommen immer mehr Einsatzbeamte zum Café Corso, auf Fotos sind mehr als ein Dutzend Polizeifahrzeuge zu sehen, die mit ihrem Blaulicht die Maxstraße ausleuchten. Schließlich werden die 30-Jährige und ihre Mutter abgeführt.
Haben die Beamten unterschätzt, wie erhitzt die Gemüter des ersten Partyabends nach den strikten Corona-Beschränkungen sein können? Laut einer Polizeisprecherin ist das nicht der Fall: „Die Stimmung der vor Ort befindlichen Personen wurde in keinster Weise unterschätzt.“Im Bereich des Nachtlebens sei ein Solidarisierungseffekt bei größeren Menschengruppen immer wieder festzustellen, weshalb derartige Einsätze immer mit einem angemessenen Kräfteansatz bewältigt würden. Bei dem Einsatz wurden vier Beamte verletzt, unter anderem durch Bisse.
In den sozialen Netzwerken äußerten viele Nutzer Verständnis für die Maßnahmen der Polizisten. Unsere Redaktion erreichten aber auch Nachrichten, man sei „total schockiert“über dieses Vorgehen der Einsatzkräfte. Laut Polizei wurden aus der Menschenmenge heraus
Vorwürfe an den Maßnahmen der Polizeibeamten geäußert. Aufgrund dessen prüfe nun das bayerische Landeskriminalamt – wie in solchen Fällen üblich – das polizeiliche Einschreiten.
Für Katharina Ertl hat der Abend gleich mehrere Konsequenzen. Dem Polizeibericht ist zu entnehmen, „gegen die Lokalbetreiberin und ihre Mutter wurde eine Anzeige wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung aufgenommen.“Hierzu ermittle die Kriminalpolizei. Ertl selbst will ebenfalls rechtlich gegen diesen Polizeieinsatz vorgehen. Sie müsse nun wegen Prellungen und anderer Verletzungen im Krankenhaus untersucht werden. Sie sagt: „Ich hatte immer ein sehr gutes Bild von unserer Polizei, das ist nun erschüttert.“