Umgang mit der Krise spaltet Milchbauern
Der Milchpreis erholt sich vom Schock der Corona-Krise nur langsam. Doch was nun – Milch als Pulver einlagern oder die Produktionsmenge koordiniert zurückfahren? Die Antworten gehen auseinander
Kempten Milchbauern aus der gesamten Region haben am Mittwoch in Kempten mit einer Protestaktion auf ihre schwierige Lage aufmerksam gemacht. „EU-weit Milchüberschüsse reduzieren statt einlagern“lautet ihre Forderung, die auch der Titel einer bundesweiten Aktion des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM) ist. Seit Anfang Mai touren die Landwirte durchs Land, um gegen die Krisenpolitik zu demonstrieren, die den Betrieben schade. Kempten war die neunte und letzte Station.
Weil der Milchabsatz aufgrund der Krise eingebrochen ist, bezuschusst die Europäische Union (EU) seit 1. Mai mit 80 Millionen Euro die Einlagerung von Milch. Das soll die Menge auf dem Markt reduzieren und so den Milchpreis stabilisieren. Doch die Bauern, die gestern protestiert haben, sehen das ganz anders. „Wir sind stinksauer“, sagte Manfred Gilch, bayerischer Landesvorsitzender des BDM. Aus den Krisen vergangener Jahre habe die Politik nichts gelernt. Böckler erklärte, dass man 2016, als die Milchquote weggefallen sei, die Milch auch eingelagert habe, was einen starken Preisabfall nach sich gezogen hatte. Aktuell betrage der Milchpreis in Bayern zwar noch 34 Cent. Aber spätestens, wenn das Magermilchpulver auf den Markt komme, würde der Preis weiter sinken.
Als Peter Stahl, Vorsitzender des Milchindustrieverbandes, Franz-Josef Holzenkamp, Präsident des Raiffeisenverbandes, Thomas Stürtz, Vorsitzender der IG Milch, und Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, verkleidet zogen die Milchbauern ihren Kollegen symbolisch das Geld aus der Tasche. „Peter Stahl“warf auf der Spitze einer zwei Meter hohen Pyramide aus Magermilchpulver-Säcken damit um sich, bis das Pulver – etwa vier Tonnen – schließlich in den Himmel geblasen wurde. „Landwirtschaftliche Existenzen werden verpulvert“, sagte dazu Hans Foldenauer, Vorstandssprecher des BDM.
„Es ist volkswirtschaftlicher Schwachsinn, etwas zu produzieren, das nicht benutzt wird“, sagte Bernhard Heger, der aus Peißenberg (Kreis Weilheim-Schongau) nach Kempten gekommen war. Stattdessen sollte man einfach weniger produzieren. „So wie es jeder andere Unternehmer auch machen würde.“Denn dann steige auch der Preis wieder. Jeder Erzeuger in Europa sollte seine Produktion zwischen drei und fünf Prozent zurückfahren, sagte Landesvorsitzender Gilch. Dadurch würde der Literpreis auf dem Weltmarkt deutlich ansteigen. Langfristig fordere der BDM ein anderes Milchmarktmanagement, das die Milchbauern einschließt. Denn nur dann könnten sie Einfluss auf die Entscheidungen nehmen.
Im Gegensatz dazu befürwortet der Bayerische Bauernverband (BBV) die private Lagerhaltung für Milchpulver, Käse und Butter. Der schwäbische BBV-Präsident Alfred Enderle sagte unserer Redaktion, das sei ein schnelles Instrument, um die seit Beginn der Corona-Krise notgedrungen produzierten Überschüsse für einige Monate vom Markt zu nehmen und somit die Preise zu stabilisieren. Wegen der Pandemie seien auf dem deutschen Milchmarkt etwa 60 Prozent des Absatzes weggebrochen, auch der Export habe enorm gelitten. Die von der EU erlaubte und mit 30 Millionen Euro unterstützte Lagerung gelte maximal 180 Tage. Dies müsste reichen, um die Zeit zu überbrücken, bis der Absatz wieder einigermaßen normal laufe. Für eine Reduktion der Milchmenge durch die Politik gebe es in der EU seit Jahren keine Mehrheit.