Hongkongs Demokratiebewegung mit dem Rücken zur Wand
Chinas Führung zieht die Zügel an. Kritiker fürchten das Ende der Autonomie und sehen die Freiheiten der Bürger in Gefahr
Hongkong Die Emotionen entluden sich in Handgreiflichkeiten. Im Hongkonger Parlament ist es während der Beratung über ein umstrittenes Gesetz gegen den Missbrauch der chinesischen Nationalhymne zu tumultartigen Szenen gekommen. Polizei und Feuerwehr mussten am Donnerstag anrücken, nachdem ein Abgeordneter des Demokratielagers versucht hatte, einen Behälter mit fauligen Pflanzen auf den Sitz der Parlamentsvorsitzenden zu werfen. Der Abgeordnete Ted Hui Chi-fung wurde danach von Sicherheitskräften aus dem Saal gebracht. Während der hitzigen Debatte waren schon vor ihm zwei Abgeordnete seines Lagers aufgefordert worden, die Sitzung zu verlassen.
Bei dem Gesetz, das seit Mittwoch vom Hongkonger Parlament in der zweiten Lesung besprochen wurde, geht es darum, einen Missbrauch der chinesischen Nationalhymne unter Strafe zu stellen. Der Gesetzentwurf, der bereits im vergangenen Jahr vorgelegt wurde, sieht vor, dass Beleidigungen oder der Einsatz der Hymne „Marsch der Freiwilligen“für kommerzielle Zwecke künftig mit bis zu drei Jahren Haft und einer Geldstrafe von 50 000 Hongkong-Dollar (etwa 5600 Euro) geahndet werden können.
Ungeachtet massiver internationaler Kritik hat Chinas Volkskongress
am Donnerstag zudem die Pläne für ein umstrittenes Sicherheitsgesetz in Hongkong gebilligt.
Das Gesetz umgeht Hongkongs Parlament und richtet sich gegen Aktivitäten, die als subversiv oder separatistisch angesehen werden. Das Vorhaben wäre der bisher weitgehendste Eingriff in die Autonomie der früheren britischen Kronkolonie. Hongkong wird seit der Rückgabe an China 1997 nach dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“als eigenständiges Territorium regiert. Die Pläne stoßen international auf starke Kritik. Die Bundesregierung hat sich sehr besorgt geäußert. Die USA erwägen sogar Sanktionen. US-Außenminister Mike Pompeo sagte, man halte die Sondervorteile für Hongkong wegen der zunehmenden Einmischung Chinas in der eigentlich autonomen Metropole nicht mehr für gerechtfertigt.
Für Hongkongs Firmen und Bürger steht dabei viel auf dem Spiel – von höheren Zöllen bis zur VisaVergabe für Reisen in die USA. Auch die Bedeutung des auch für China wichtigen Finanzstandorts könnte in Gefahr geraten. Das Gesetz
wendet sich auch gegen ausländische Einmischung. Zur Durchsetzung sollen „wenn nötig“sogar chinesische Sicherheitsorgane in Hongkong eingesetzt werden. Die prodemokratischen Kräfte fürchten, dass sie zum Ziel des Gesetzes werden. Die asiatische Wirtschaftsmetropole erlebt seit vergangenen Sommer Woche für Woche Demonstrationen gegen die von Peking eingesetzte Regierung, Polizeibrutalität bei den Protesten und den wachsenden Einfluss der kommunistischen Führung.
Chinas Ministerpräsident Li Keqiang verteidigte die Pläne. Nach Ende der Jahrestagung sagte der Premier am Donnerstag vor der Presse, das Gesetz diene der „beständigen Umsetzung“des Grundsatzes „ein Land, zwei Systeme“. Es werde „langfristig Stabilität und Wohlstand“in Hongkong sichern. Seine Äußerungen fielen allerdings auffällig kurz und vage aus. Das geplante Gesetz werde der chinesischen Regierung „weit größere Zugriffsmöglichkeiten auf Menschen und Organisationen in Hongkong erlauben“, warnte Katja Drinhausen vom China-Institut Merics in Berlin. Es gebe die „berechtigte Angst“, dass Meinungs- und Pressefreiheit, Rechtsstaatlichkeit und Zivilgesellschaft sowie internationaler Austausch massiv eingeschränkt werden.
USA sieht die Autonomie in Frage gestellt