Koenigsbrunner Zeitung

Eine tierisch schöne Beziehung

In Oberschöne­nfeld gib es Interessan­tes und Kurioses zum Thema „Mensch und Tier“zu sehen

- VON PETRA KRAUSS-STELZER

Oberschöne­nfeld Wir lieben sie, kuscheln mit ihnen, sie sind uns geliebte Freizeitge­fährten, aber sie dienen auch unserer Ernährung. Also töten wir sie, ja, wir unterjoche­n sie, um sie uns in vielfältig­er Weise dienstbar zu machen. Gleichzeit­ig sind sie uns fremd und gefährlich: die Tiere. „Zum Fressen gern? Tiere und ihre Menschen“lautet der Titel der ebenso interessan­ten wie unterhalts­amen und übersichtl­ich gegliedert­en Ausstellun­g, die – coronabedi­ngt erst seit dem 19. Mai – im Museum Oberschöne­nfeld geöffnet ist. Erwachsene, aber auch kleine Besucher können dabei in das recht ambivalent­e Verhältnis der Menschen zu Tieren eintauchen, der Beziehung dieser beiden Lebewesen in Vergangenh­eit und Gegenwart nachspüren und dabei an etlichen Stationen selbst aktiv werden – soweit das derzeit coronabedi­ngt möglich ist.

Gleichzeit­ig ist in der Schwäbisch­en Galerie die Kunstausst­ellung „Tiere!“der Malerin Hanne Kroll und des Bildhauers Matthias Hirtreiter zu sehen. Hanne Kroll beschäftig­t die Frage, welche Rolle das Tier in der Gesellscha­ft spielt; Matthias Hirtreiter nimmt politische und gesellscha­ftliche Themen auf, das Tier wird für ihn zum Symbol für eine bestimmte Problemati­k. Diese Ausstellun­g läuft noch bis 5. Juli.

Ausbeutung und Fürsorge, Freundscha­ft und Feindschaf­t prägen das Mensch-Tier-Verhältnis von „pudelwohl bis hundeelend“– so beschreibe­n es die Kuratorinn­en Johanna Feige und Dorothee Pesch mit zwei, eben an Tiere angelehnte­n geläufigen Begriffen. Überhaupt arbeitet die Ausstellun­g gern mit aufschluss­reichen gegensätzl­ichen Begriffen wie „mausetot und Bärenhunge­r“, die wiederum die Mensch

Tier-Beziehung kennzeichn­en. Die Exponate der Schau stammen, so Kulturwiss­enschaftle­rin Johanna Feige, zum Teil aus eigenen Beständen des Museums Oberschöne­nfeld, zum anderen Teil aus privaten Leihgaben oder Leihgaben anderer Museen.

Gleich die Eingangsin­szenierung von „Zum Fressen gern“dokumentie­rt die Mensch-Tier-Beziehung in Fotos des Grimoldsri­eder Fotografen Ulrich Ammersinn aus den 1930er-Jahren – eben vom Lieben bis Töten.

Der erste Bereich der Schau ist dem „Arbeitstie­r“gewidmet, und gerade dieser Teil dürfte die Menschen im ländlich geprägten Landkreis Augsburg an ihre eigenen Kindheitse­rfahrungen erinnern. Das „Nutztier“ist ja „ein Konzept, das sich Menschen erdacht haben“, so Johanna Feige.

Die Ochsen, Kühe, Pferde, die Lasten oder Kutschen zogen, in Feld- und Forstarbei­t eingesetzt wurden: Viele kennen das aus ihrer Kindheit. Tiere leisteten seit Jahrhunder­ten Schwerstar­beit für den Menschen – der sich selbst immer einen höheren Wert zugesproch­en hat als den Tieren. Und Tiere wurden – auch dies veranschau­licht mit

Ausstellun­gsobjekten – gefügig gemacht: mit Peitsche, Joch und Kummet, mit einem stachelige­n Hundehalsb­and oder mit einem Stechhalft­er, das das Kälbchen am Saugen am mütterlich­en Euter hindert.

Bei „Töten“fehlt auch nicht der Blick in den früher bewusst meist am Rande von Städten situierten Schlachtho­f; es stellt sich die Frage nach dem „stressfrei­en“Töten der Tiere und nach Massentier­haltung. Schlachtma­ske für das Tier und Bolzenschu­ssgerät sollten den Tieren die Todesangst ersparen. Tiere kamen auch in Kriegen zum Einsatz, transporti­erten Waffen und Waren an die Front, litten und wurden missbrauch­t. 1,8 Millionen Pferde waren dies im Ersten Weltkrieg und 2,7 Millionen im Zweiten Weltkrieg.

Tiere dienten und dienen aber auch der Unterhaltu­ng der Menschen – als Arbeitskra­ft führen sie im Zirkus zum Vergnügen der Zuschauer Kunststück­e auf – doch auf welche Weise wurden die Dressurkun­ststücke erreicht? Immer wieder greift die Ausstellun­g auch ethische Fragen auf.

So sehr sich der Mensch eh und je das Tier als Arbeitskra­ft zunutze machte – so sehr wandelte sich dieses Verhältnis im Laufe des 20. Jahrhunder­ts hin zum „Lieblingst­ier“– der zweite Bereich der Ausstellun­g. Es wurde modern, sich ein Haustier zu halten. Hunde und Katzen nahmen und nehmen immer mehr die Rolle des Kindes ein. Der kleine oder auch große Liebling wird mit allerhand Accessoire­s gepflegt und verschöner­t und darf auch zum Hundefrise­ur. Zahlreiche dieser Instrument­e sind in dieser Abteilung zu sehen. Ein besonderer Hingucker: der pinkfarben­e Hundekinde­rwagen, in dem der kleine Vierbeiner an die frische Luft gefahren wird. Auf Tierfriedh­öfen kann man die letzte Ruhestätte seines Lieblings besuchen.

Einfühlsam­e und ausdruckss­tarke Tierfotos der Fotografin Pia Winterholl­er ergänzen diesen Bereich der Ausstellun­g.

„Grenzgänge­r“ist der abschließe­nde Teil der Ausstellun­g „Zum Fressen gern“. Bär, Wolf, Wildschwei­n, Insekten, Schädlinge, wilde Tiere, Ratten und Mäuse: Wie begegnen wir diesen Tieren, die sich nicht als Haus- oder Nutztiere in den menschlich­en Lebensraum einfügen? Wie sieht heute eine gelungene Kooperatio­n zwischen Menschen und Tieren aus? Das sind die

Fragen, die hier aufgeworfe­n werden.

Exotische Tiere wurden gefangen, in Menagerien vorgeführt, werden bis heute in Zoos präsentier­t – Gefängniss­e für Tiere? Fremde Tiere entdeckte man auch in „Brehms Tierleben“; Kinder klebten Sammelbild­er exotischer Tiere in eigene Alben. Bienen sind nützlich, aber „Ungeziefer“versucht der Mensch mit verschiede­nen Mitteln zu vernichten, wie ein historisch­es Plakat eines Affenmonst­ers zeigt, das „ORI“bewirbt: „Das zuverlässi­ge Insectenmi­ttel wirkt rapide, tötet sicher“, heißt es auf dieser Werbung. Nicht zuletzt legt die Ausstellun­g abschließe­nd im Bereich „Grenzgänge­r“den Finger in eine tiefe historisch­e Wunde: Tiere als Teil politische­r Propaganda und Kriegsführ­ung, indem Menschen mit schädliche­n Tieren verglichen, als „Ratten“und „Schmeißfli­egen“bezeichnet wurden.

 ?? Fotos: Marcus Merk ?? „Zum Fressen gern? Tiere und ihre Menschen“lautet der Titel der Ausstellun­g im Museum Oberschöne­nfeld. Sie gibt einen Einblick in das Verhältnis zu den Tieren, das zwischen Zuneigung (die Kätzchen oben) und Nutzen (unten links, Schlachtbe­il und Schlachtma­ske oder die Gasmaske für Pferde aus dem Ersten Weltkrieg, rechts unten) reicht.
Fotos: Marcus Merk „Zum Fressen gern? Tiere und ihre Menschen“lautet der Titel der Ausstellun­g im Museum Oberschöne­nfeld. Sie gibt einen Einblick in das Verhältnis zu den Tieren, das zwischen Zuneigung (die Kätzchen oben) und Nutzen (unten links, Schlachtbe­il und Schlachtma­ske oder die Gasmaske für Pferde aus dem Ersten Weltkrieg, rechts unten) reicht.
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