Eine tierisch schöne Beziehung
In Oberschönenfeld gib es Interessantes und Kurioses zum Thema „Mensch und Tier“zu sehen
Oberschönenfeld Wir lieben sie, kuscheln mit ihnen, sie sind uns geliebte Freizeitgefährten, aber sie dienen auch unserer Ernährung. Also töten wir sie, ja, wir unterjochen sie, um sie uns in vielfältiger Weise dienstbar zu machen. Gleichzeitig sind sie uns fremd und gefährlich: die Tiere. „Zum Fressen gern? Tiere und ihre Menschen“lautet der Titel der ebenso interessanten wie unterhaltsamen und übersichtlich gegliederten Ausstellung, die – coronabedingt erst seit dem 19. Mai – im Museum Oberschönenfeld geöffnet ist. Erwachsene, aber auch kleine Besucher können dabei in das recht ambivalente Verhältnis der Menschen zu Tieren eintauchen, der Beziehung dieser beiden Lebewesen in Vergangenheit und Gegenwart nachspüren und dabei an etlichen Stationen selbst aktiv werden – soweit das derzeit coronabedingt möglich ist.
Gleichzeitig ist in der Schwäbischen Galerie die Kunstausstellung „Tiere!“der Malerin Hanne Kroll und des Bildhauers Matthias Hirtreiter zu sehen. Hanne Kroll beschäftigt die Frage, welche Rolle das Tier in der Gesellschaft spielt; Matthias Hirtreiter nimmt politische und gesellschaftliche Themen auf, das Tier wird für ihn zum Symbol für eine bestimmte Problematik. Diese Ausstellung läuft noch bis 5. Juli.
Ausbeutung und Fürsorge, Freundschaft und Feindschaft prägen das Mensch-Tier-Verhältnis von „pudelwohl bis hundeelend“– so beschreiben es die Kuratorinnen Johanna Feige und Dorothee Pesch mit zwei, eben an Tiere angelehnten geläufigen Begriffen. Überhaupt arbeitet die Ausstellung gern mit aufschlussreichen gegensätzlichen Begriffen wie „mausetot und Bärenhunger“, die wiederum die Mensch
Tier-Beziehung kennzeichnen. Die Exponate der Schau stammen, so Kulturwissenschaftlerin Johanna Feige, zum Teil aus eigenen Beständen des Museums Oberschönenfeld, zum anderen Teil aus privaten Leihgaben oder Leihgaben anderer Museen.
Gleich die Eingangsinszenierung von „Zum Fressen gern“dokumentiert die Mensch-Tier-Beziehung in Fotos des Grimoldsrieder Fotografen Ulrich Ammersinn aus den 1930er-Jahren – eben vom Lieben bis Töten.
Der erste Bereich der Schau ist dem „Arbeitstier“gewidmet, und gerade dieser Teil dürfte die Menschen im ländlich geprägten Landkreis Augsburg an ihre eigenen Kindheitserfahrungen erinnern. Das „Nutztier“ist ja „ein Konzept, das sich Menschen erdacht haben“, so Johanna Feige.
Die Ochsen, Kühe, Pferde, die Lasten oder Kutschen zogen, in Feld- und Forstarbeit eingesetzt wurden: Viele kennen das aus ihrer Kindheit. Tiere leisteten seit Jahrhunderten Schwerstarbeit für den Menschen – der sich selbst immer einen höheren Wert zugesprochen hat als den Tieren. Und Tiere wurden – auch dies veranschaulicht mit
Ausstellungsobjekten – gefügig gemacht: mit Peitsche, Joch und Kummet, mit einem stacheligen Hundehalsband oder mit einem Stechhalfter, das das Kälbchen am Saugen am mütterlichen Euter hindert.
Bei „Töten“fehlt auch nicht der Blick in den früher bewusst meist am Rande von Städten situierten Schlachthof; es stellt sich die Frage nach dem „stressfreien“Töten der Tiere und nach Massentierhaltung. Schlachtmaske für das Tier und Bolzenschussgerät sollten den Tieren die Todesangst ersparen. Tiere kamen auch in Kriegen zum Einsatz, transportierten Waffen und Waren an die Front, litten und wurden missbraucht. 1,8 Millionen Pferde waren dies im Ersten Weltkrieg und 2,7 Millionen im Zweiten Weltkrieg.
Tiere dienten und dienen aber auch der Unterhaltung der Menschen – als Arbeitskraft führen sie im Zirkus zum Vergnügen der Zuschauer Kunststücke auf – doch auf welche Weise wurden die Dressurkunststücke erreicht? Immer wieder greift die Ausstellung auch ethische Fragen auf.
So sehr sich der Mensch eh und je das Tier als Arbeitskraft zunutze machte – so sehr wandelte sich dieses Verhältnis im Laufe des 20. Jahrhunderts hin zum „Lieblingstier“– der zweite Bereich der Ausstellung. Es wurde modern, sich ein Haustier zu halten. Hunde und Katzen nahmen und nehmen immer mehr die Rolle des Kindes ein. Der kleine oder auch große Liebling wird mit allerhand Accessoires gepflegt und verschönert und darf auch zum Hundefriseur. Zahlreiche dieser Instrumente sind in dieser Abteilung zu sehen. Ein besonderer Hingucker: der pinkfarbene Hundekinderwagen, in dem der kleine Vierbeiner an die frische Luft gefahren wird. Auf Tierfriedhöfen kann man die letzte Ruhestätte seines Lieblings besuchen.
Einfühlsame und ausdrucksstarke Tierfotos der Fotografin Pia Winterholler ergänzen diesen Bereich der Ausstellung.
„Grenzgänger“ist der abschließende Teil der Ausstellung „Zum Fressen gern“. Bär, Wolf, Wildschwein, Insekten, Schädlinge, wilde Tiere, Ratten und Mäuse: Wie begegnen wir diesen Tieren, die sich nicht als Haus- oder Nutztiere in den menschlichen Lebensraum einfügen? Wie sieht heute eine gelungene Kooperation zwischen Menschen und Tieren aus? Das sind die
Fragen, die hier aufgeworfen werden.
Exotische Tiere wurden gefangen, in Menagerien vorgeführt, werden bis heute in Zoos präsentiert – Gefängnisse für Tiere? Fremde Tiere entdeckte man auch in „Brehms Tierleben“; Kinder klebten Sammelbilder exotischer Tiere in eigene Alben. Bienen sind nützlich, aber „Ungeziefer“versucht der Mensch mit verschiedenen Mitteln zu vernichten, wie ein historisches Plakat eines Affenmonsters zeigt, das „ORI“bewirbt: „Das zuverlässige Insectenmittel wirkt rapide, tötet sicher“, heißt es auf dieser Werbung. Nicht zuletzt legt die Ausstellung abschließend im Bereich „Grenzgänger“den Finger in eine tiefe historische Wunde: Tiere als Teil politischer Propaganda und Kriegsführung, indem Menschen mit schädlichen Tieren verglichen, als „Ratten“und „Schmeißfliegen“bezeichnet wurden.