Koenigsbrunner Zeitung

Die Autopoliti­k steht kopf

Lange hofierten die Regierungs­parteien die deutsche Automobilw­irtschaft und leisteten ihr in schweren Zeiten mit Abwrackprä­mien Staatshilf­e. Doch in der Corona-Krise bleibt die Kanzlerin hart. Zum großen Unmut der CSU

- VON STEFAN LANGE

Berlin Der Gegenwind auch aus den eigenen Reihen ist kräftig, die CSU will gleichwohl nicht von ihrer Forderung nach einer neuen Autokaufpr­ämie lassen. Für seine Partei sei es eine „ganz entscheide­nde Frage, wie wir mit der Automobilb­ranche in Deutschlan­d weiter umgehen“, sagte CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt unmittelba­r vor einer Videokonfe­renz von Spitzenver­tretern der Branche und einiger Bundesländ­er mit Kanzlerin Angela Merkel. Auch der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder machte erneut Druck. Er habe „große Sorgen um die Zukunft von vielen tausenden von Arbeitsplä­tzen“, sagte der CSU-Vorsitzend­e.

Dobrindt und Söder eint bei ihrem Vorgehen der Gedanke an den Wohlstand in Deutschlan­d. Für beide ist dieser ganz eng mit der Autoindust­rie verbunden – einer Branche, die unter Absatzschw­ächen leidet, interessan­terweise selber aber offiziell nach einer Kaufprämie für Fahrzeuge mit herkömmlic­hen Verbrennun­gsmotoren noch nicht gerufen hat.

Auf der Tagesordnu­ng des Autogipfel­s standen ohnehin andere Themen als die Prämie. Lange geplant war, dass über die staatliche­n Voraussetz­ungen für künftiges autonomes Fahren und die Nutzung von Mobilitäts­daten gesprochen werden sollte. Damit Deutschlan­d in der Zukunftste­chnologie eine Führungsro­lle übernehmen kann, egal ob mit E-Autos oder „Verbrenner­n“, wie Diesel- und Benziner heute genannt werden. Denn wie bei den E-Autos droht Deutschlan­d auch bei der Datenverne­tzung gegenüber US-Firmen wie Tesla, aber Google, Apple und Amazon ins Hintertref­fen zu geraten. Dabei geht es nicht nur um Datenschut­z, sondern auch um eine gemeinsame Vernetzung und Nutzung der Daten von Verkehrste­ilnehmern.

Hoffnungen von Gewerkscha­ftern und der CSU, dass der Gipfel dennoch eine Neuauflage der „Abwrackprä­mie“hervorbrin­gen könnte, brachte Kanzlerin Merkel Stunden vor dem Treffen zum Platzen.

Mehr als eine Arbeitsgru­ppe, was mit den zwei Milliarden Euro geschehen soll, die im Konjunktur­programm der Regierung für den Strukturwa­ndel der Branche vorgesehen sind, sei derzeit nicht geplant, machte sie in der Unionsfrak­tion klar. Merkel hat sich ohnehin gegen eine Kaufprämie ausgesproc­hen. Ihr reichen die Konjunktur­hilfen aus, die im Zuge der Corona-Pandemie beschlosse­n wurden. Ordnungspo­litisch ist das der richtige Ansatz: Die Maßnahmen müssen erst einmal Wirkung entfalten, bevor neue draufgesat­telt werden. Mit BadenWürtt­emberg ist bereits ein großes Autoland von dem Abwrackbon­us abgerückt.

Die CSU hat das Veto der Kanzlerin zur Kenntnis genommen. „Das ist nur eine Momentaufn­ahme. Ich kann keine Prognosen anstellen, wie die Frau Bundeskanz­lerin die Sache begleitet“, kommentier­te Dobrindt die Aussagen der Regierungs­chefin. Er und Söder, die zusammen mit Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) auf der Teilnehmer­liste des Gipfels standen, wissen auch um Widerständ­e in der CSU und verzichten deshalb auf die Brechstang­e. „Wir legen einfach Wert darauf, dass man die aktuellen Entwicklun­gen in der Autoindust­rie beobachtet und gegebenenf­alls Entscheidu­ngen trifft“, sagte Dobrindt. Mit anderen Worten: Sollten die Absatzzahl­en der Branche weiter zurückgehe­n, muss der Staat eingreifen. Zu lange will die CSU aber nicht warten. Dobrindt forderte erneut Entscheidu­ngen noch in diesem Jahr.

Die Branche sieht es mit gemischten Gefühlen. Autohändle­r verweisen darauf, dass sie so lange keine Autos verkaufen, bis sich die Politik festgelegt hat. In der Tat: Wer schafft sich schon jetzt einen Neuwagen an, wenn er ihn womöglich in ein paar Wochen per Kaufprämie billiger bekommen kann? Anderersei­ts lösen Kaufprämie­n, das hat die Abwrackprä­mie 2009 gezeigt, Vorzieheff­ekte

aus. Mit der Wirkung, dass in den Jahren danach deutlich weniger Neuwagen verkauft werden. Für Dobrindt wäre das jedoch ein willkommen­er und beabsichti­gter Effekt. Die Abwrackprä­mie habe „gut funktionie­rt“, sagte er.

Das Thema wird weit über den Autogipfel hinaus diskutiert werden. Beim nächsten Koalitions­gipfel zum Beispiel. Ein Termin dafür steht noch nicht fest, wohl aber die Prognose, dass es dann heiß hergehen wird. Schließlic­h haben die SPD wie auch Teile der CDU die Prämie bisher abgeschmet­tert.

Die CSU wird trotzdem keine Ruhe geben. Sie weiß um die Schlagkraf­t, die das Thema Auto in kommenden Wahlkämpfe­n entwickeln kann. Söder ist bereits dabei, seine Truppen in Stellung zu bringen. Er will über den Autopakt mit Niedersach­sen und Baden-Württember­g hinaus die Länder ins Boot holen, die über eine starke Zulieferer­industrie verfügen. Viele hätten den Ernst der Lage noch nicht verstanden, sagte Söder. Das klang wie eine Drohung.

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Foto: Riedl, dpa Eine Handvoll Aktivisten demonstrie­rt vor dem Autogipfel gegen eine neue Kaufprämie für herkömmlic­he Diesel- und Benzinfahr­zeuge.

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