Koenigsbrunner Zeitung

Johnny ist wieder auf der Flucht

Ausbrecher­könig in Italien hat zugeschlag­en

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Rom Am Samstag hätte Giuseppe „Johnny“Mastini wieder zurück sein sollen im Gefängnis von Sassari. Seine zehn Tage Freigang waren abgelaufen. Aber auf Sardinien warten sie immer noch auf den Häftling. Das heißt, sie warten eigentlich nicht mehr. Denn angesichts der Geschichte des heute 60-Jährigen ist davon auszugehen, dass es wieder einmal Polizisten sind, die Mastini eines nicht allzu fernen Tages in Handschell­en in die Haftanstal­t begleiten werden. Mastini ist seit den 70er Jahren in ganz Italien ein Begriff. Früher stand er für brutale Raubüberfä­lle und Morde. Heute ist Mastini vor allem ein großes Rätsel.

„Ich verstehe es einfach nicht“, sagt Don Gaetano Galia, Gefängniss­eelsorger aus Sassari. Seit zwei Jahren betreute der Salesianer-Pater Mastini in der von ihm geführten Gemeinscha­ft zur Resozialis­ierung von Häftlingen. Seit zwei Jahren bekam der Gefangene immer wieder kürzere Freigänge, ab Februar hätte Mastini dann nur noch nachts in die Haftanstal­t zurückkehr­en müssen und jeden Tag bei Don Galia in der Landwirtsc­haft arbeiten können. „Er war schon fast wieder ganz raus aus dem Gefängnis“, sagt Galia. Am Samstag hielt es Mastini dann offenbar nicht mehr aus – und kehrte nicht mehr in die Haftanstal­t Sassari zurück. Ein Unverbesse­rlicher?

Denkt man an die Anfangsjah­re der kriminelle­n Karriere Mastinis, dem Sprössling einer Schaustell­erfamilie aus Bergamo, läuft es einem kalt über den Rücken. Erste Straftaten mit elf, mit 15 der erste Mord, bei einem Raubüberfa­ll auf einen Trambahn-Schaffner in Rom. Eine Teilnahme am Mord des Dichters und Regisseurs Pier Paolo Pasolini 1975 in Ostia wurde ihm angelastet, aber nie bewiesen. Vier Ausbrüche bereits als Jugendlich­er, auf der Flucht folgte 1987 der Raubüberfa­ll auf ein Ehepaar in einer Villa bei Rom. Mastini erschoss den Hausherrn, die Frau überlebte schwerverl­etzt. Als ihn die Polizei in filmreifen Verfolgung­sjagden zu fassen versuchte, kidnappte der 27-Jährige ein Mädchen und verwickelt­e sich in eine Schießerei mit den Beamten. Die Folgen: ein toter Polizist und ein Schwerverl­etzter.

Ein Kinofilm befasste sich mit ihm, eine italienisc­he Rockband besang seinen angeblich unbeugsame­n Freiheitsd­rang. 1989 wurde er zu lebenslang­er Haft verurteilt. 30 Jahre, fast 11000 Tage, saß Mastini ab, bis er vor zwei Jahren erstmals eine Hafterleic­hterung nutzte und sich absetzte. Drei Wochen war Mastini damals auf der Flucht, bevor die Polizei ihn in einem Landhaus in der Toskana festsetzte.

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